Sein Gewinn lag aber trotzdem im Einkauf...
Pro Sieben wartet auf neuen Besitzer
Für US-Milliardär Haim Saban war die TV-Gruppe ein Schnäppchen. Jetzt will er sie wieder loswerden
von Nikos Späth
"Sind wir schon pleite?", fragte ein gut gelaunter Harald Schmidt in seiner Late-Night-Show Anfang 2002. So weit war es da noch nicht. Erst drei Monate später meldete die Kirch-Gruppe, zu der auch Schmidts Arbeitgeber Sat.1 gehörte, Insolvenz an. Das Medienimperium zerfiel in seine Einzelteile, die TV-Sparte ging nach einem monatelangen Übernahmepoker an den US-Milliardär Haim Saban. Inklusive Kapitalerhöhung zahlten die um ihn versammelten Investoren weniger als eine Milliarde Euro für die sanierungsbedürftigen Sender, aus heutiger Sicht ein Schnäppchenpreis.
Nicht einmal zwei Jahre später ist aus der Fernsehgruppe, der neben Sat.1 und Pro Sieben der Nachrichtensender N 24 sowie Kabel 1 angehören, ein profitabler Medienkonzern geworden. Immerhin 321 Millionen Euro Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abgaben (Ebitda) verbuchten die Münchner im vergangenen Jahr, wenn auch 330 Millionen erwartet worden waren. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies aber noch ein Plus von 70 Prozent und eine Ebitda-Marge von 17,5 Prozent. Der Aktienmarkt honoriert das mit einer Bewertung von fast 1,6 Milliarden Euro, was einen baldigen Verkauf durch Saban immer wahrscheinlicher macht, glauben Beobachter.
"Ich halte das durchaus für möglich", sagt Lars Lusebrink, Analyst bei Independent Research. "Schon bei Sabans Einstieg Mitte 2003 wurde ein zukünftiger Exit angedacht." Ein ehemaliger deutscher Senderchef meint, der kalifornische Unternehmer stehe zudem von seiten seiner Finanzpartner unter Verkaufsdruck. Mit sechs Investmentgruppen, darunter Bain Capital und Hellman & Friedman, hält Saban 88 Prozent der Stimmrechte am Medienkonzern. "Deren Wesen ist es einzucashen, wenn nach zwei, drei Jahren eine gute Rendite zu erzielen ist."
Vor Herbst indes läßt der Kaufvertrag aus dem Jahr 2003 laut Brancheninformationen keinen Ausstieg zu. Und vor allem muß erst einmal ein Käufer gefunden werden. Schließlich ist Pro Sieben Sat.1 heute kein Schnäppchen mehr. Rund zwei Milliarden Euro würde die Übernahme kosten, weil Saban, wie es heißt, 20 Euro pro Aktie will. Am Freitag schloß Pro Sieben bei 14,47 Euro.
Über das nötige Spielgeld verfügen am ehesten die großen Medienkonzerne aus Übersee. Doch längst nicht alle kommen als Käufer in Frage. So vermeldete Rupert Murdoch gerade einen operativen Quartalsgewinn seines Medienkonzerns News Corp ("New York Post", 20th Century Fox) von 954 Millionen Dollar, sagte aber am Rande, er sei "überhaupt nicht" an Pro Sieben Sat.1 interessiert.
Offenbar steht es ihm nach verlustreichen Geschäften mit Premiere und tm3 zur Zeit nicht nach neuen Abenteuern in Deutschland. Zudem liefert sich Murdoch gerade einen Machtkampf mit John Malone, Chef der amerikanischen Kabelfirma Liberty Media. Der Texaner hatte zuletzt seine Anteile an News Corp auf 18 Prozent aufgestockt, offenbar ohne seinen australischen Freund darüber zu informieren.
Langfristig freilich ist Murdoch eine Option, schließlich kennt er Saban gut. Gemeinsam riefen die in Beverly Hills in direkter Nachbarschaft lebenden Medienmogule 1995 den TV-Konzern Fox Family Worldwide ins Leben, den sie 2001 für 5,3 Milliarden Dollar an Disney verkauften. Außerdem sitzt Saban im Aufsichtsrat des von Murdoch kontrollierten Satellitenfernsehbetreibers DirecTV.
Pro Sieben wartet auf neuen Besitzer (2)
Interesse an Pro Sieben soll auch General Electric haben. Die Amerikaner sind über ihre Medientochter NBC Universal auf Europas größtem Fernsehmarkt bislang nur mit den Kanälen Giga TV, Sci Fi und 13th Street vertreten. Die Fusion von NBC und der Unterhaltungssparte von Vivendi liegt aber nicht einmal ein Jahr zurück, ein Brocken wie Pro Sieben ist da nicht so leicht zu verdauen. Statt dessen ist organisches Wachstum angesagt.
Eher schon kommen Disney, zur Zeit an RTL 2 beteiligt, und vor allem Viacom in Frage. Sumner Redstone, Chef des Unterhaltungsriesen Viacom (CBS, Paramount Pictures), rief unlängst Expansion als oberstes Ziel aus. Nach der Übernahme von Viva durch seinen Musikkanal MTV hat er in Deutschland noch eine Menge Potential. Als möglicher Käufer wird ferner die Fondsgesellschaft Permira genannt. Der Mehrheitsaktionär von Premiere füllt durch den Börsengang des Pay-TV-Senders im März seine Kassen und hatte bereits 2003 beim Bieterkampf um Pro Sieben Sat.1 seine Finger im Spiel, ging aber leer aus.
Gleiches gilt für die Verlage Bauer und Axel Springer. Bauer unterlag beim Übernahmepoker vor zwei Jahren Saban nur knapp. Ein neuer Versuch, ins Fernsehgeschäft einzusteigen, ist aber von den Hamburgern nicht zu erwarten. Ein Sprecher bezeichnete entsprechende Spekulationen als "Quatsch". Wahrscheinlicher ist da schon eine Übernahme durch den Verlag Axel Springer, in dem auch die "Welt am Sonntag" erscheint. Mit einer Aufstockung seiner zwölfprozentigen Anteile an Pro Sieben könnte das Unternehmen den Weg von Bertelsmann zu einem integrierten Medienkonzern nachahmen. Gerüchtweise gab es bereits Gespräche mit Saban in Los Angeles, doch alle Seiten schweigen.
Dabei ist die Zukunft der vier Sender keinesfalls so rosig, daß man sie unbedingt kaufen müßte. So hat Konzernchef Guillaume de Posch die schnelle Kurierung von Deutschlands größtem TV-Unternehmen vor allem mit Einsparungen erreicht. Mehr als 130 Millionen Euro kürzte er bei Programm, Herstellung und Verwaltung, knapp 200 Arbeitsplätze wurden gestrichen. De Posch selbst sagte, die Zeit der großen Einsparungen sei nun vorbei.
Eine höhere Profitabilität kann nur durch wachsenden Umsatz erreicht werden. Der aber stieg 2004 nur leicht um 28 Millionen auf 1,835 Milliarden Euro, weil die Werbeumsätze weiter durch hohe Rabatte unter Druck sind. Im Dezember verzeichnete der Konzern nach einer zwischenzeitlichen Erholung schlechtere Buchungen als im mauen Vorjahr. Der Umsatz lag deswegen im vierten Quartal bei minus 4,5 Prozent.
Zwar rechnet der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) damit, daß der TV-Werbemarkt 2004 netto nur noch um ein Prozent geschrumpft ist und 2005 wieder "in die grüne Zone kommt", viel Potential sehe er aber nicht, sagt Volker Nickel vom ZAW. "Mehreinnahmen können die Fernsehsender nur über Product Placement oder Quiz-Shows erzielen." Nicht umsonst wird Pro Sieben Interesse an einer Mehrheitsübernahme von Euvia Media nachgesagt, zu der der äußerst rentable Anruf-Kanal Neun Live (Gewinn 2003: 15,4 Millionen Euro) gehört. Konzernchef de Posch hatte unlängst angekündigt, andere Erlösquellen auf 15 Prozent zu verdoppeln.
Das aktuelle Fernsehprogramm jedenfalls wird kaum zu großen Umsatzsprüngen führen. In der für sie werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49jährigen gewannen die vier Sender zwar 0,5 auf nun 29,4 Prozent hinzu und erreichten damit das beste Ergebnis seit drei Jahren, das sie im Januar noch einmal auf 29,7 Prozent steigern konnten. Insgesamt aber sank der Marktanteil von 21,9 auf 21,7 Prozent, weil viele Zuschauer unter 13 und über 50 Jahre abschalteten.
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Neben dem Super-GAU von Anke Engelkes Late-Night-Show nahmen die Sat.1-Zuschauer auch "Kämpf um Deine Frau" und "Klatsch TV" nicht an. Dennoch wies Senderchef Roger Schawinski darauf hin, daß sein Sender "weniger Flops produziert als andere". Damit meinte er wohl vor allem Schwesterkanal Pro Sieben, wo gleich ein halbes Dutzend Sendungen durchfielen.
Mit großen Erwartungen von Pro-Sieben-Geschäftsführer Dejan Jocic angekündigt, scheiterten US-Importe wie "The Swan", "Hire or Fire" oder "The Simple Life" allesamt. Einzig "Die Burg" liefert mit zuweilen 2,8 Millionen Zuschauern ganz passable Einschaltquoten, doch bleibt die Frage, ob der Münchner Sender mit den Pinkel- und Prügeleskapaden eines adoptierten Prinzen sein Image bei Werbekunden und Media-Agenturen aufbessert.
Findet Saban keinen Käufer, hält er vielleicht auch sein Wort. Zur "Welt am Sonntag" sagte er 2003, kurz nach der Übernahme von Pro Sieben Sat.1: "Wenn Sie meine Vergangenheit ansehen, erkennen Sie, daß ich ein Betreiber und kein Händler bin. Nur Händler kaufen und verkaufen. Habe ich mich klar ausgedrückt?"
Artikel erschienen am 6. Februar 2005
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