Habe heute intensiv gearbeitet, daher spät am Abend noch einmal Feedback. Die VW/Tesla Analyse finde ich spannend, das Thema hast Du weit über meine Betrachtung erweitert. Aber Du hast den Punkt genannt: Kurzfristig liegt VW auf dem Grabeltisch, während Tesla die Phantasien beflügelt. Anlegerseitig war das Verwerfen der Idee, im März nach dem Tief Tesla zu kaufen, schlicht doof. Fundamental schien mir der Wert schon da noch teuer. Kurzfristig eine völlige Fehleinschätzung. Im Grunde repräsentiert er aber die aktuelle Lage wie kein anderer. Ride the Hype. Und bei Tesla ist zumindest Substanz hinter, ich will nicht in Frage stellen, dass er sich in der Zukunft als etablierter Autobauer einreihen kann, wahrscheinlich auch wird.
Aber kommen wir zum bewegenderen, dem Treiber aller Treiber, der Geldpolitik. Wenn man die Entwicklung der Börse verfolgt, dann sieht man, dass wir seit Oktober einen unglaublichen Aufwärtstrend sehen, den Corona mal kurz etwas verzerrt hat. Dieser Trend fällt mit den Start der Repomarkteingriffe der Fed zusammen, die u.a erluben, durch eigene oder fremde Aktien besichert Kurzfristkredite zu bekommen. Eine der ersten Maßnahmen der Fed im März war die massive Ausdehnung des Instruments. Ja, dass kann nicht ewig gehen. Aber, trotz Ausbildung als Ökonom, fehlt mir jeder Erfahrungswert und jedes komplett schlüsige Modell, wie das enden kann und wird. Und was passiert, wenn man das immer weiter macht? Ein Schnellballsystem, bei dem Gott mitmacht und bei Bedarf immer neuen Schnee erzeugt. Wer sollte Gott stoppen außer Gott selber? Schon fast metaphysisch, und dass um 23:00 im Börsenforum ;-)
Allerdings darf man Schulden und Finanzeingriffe auch nicht per se überbewerten (siehe dazu auch unten). In der Vergangenheit wurde oft, erfolgreich, mit temporärer Verschuldung und monitärer Expansion gearbeitet. Die Frage ist halt, ob das Geld dort hin geht, wo es genügend Multipliktoreffekt hat. Daran wird man auch diese Maßnahmen messen müssen. Zumindest ist man dort in Deutschland besser davor als in den USA, die mit Ihrem VISA Stopp by the way sowieso die letzten Basiserkenntnisse von Entwicklungstheorie und co. in den Mülleimer geworfen haben. Offensichtlich hat Trump in Geschichte geschlaffen. Sonst würde er wissen, was Amerika great gemacht hat.
Was den Multiplikator angeht: Die Krise ist auch eine Chance. Ein Multiplikator für Digitalisierung und einen anderen Lebensstil, vielleicht sogar ein Inkubator für neue Technologien und ein Zwang zum Wandel und zur Effizienz für viele Unternehmen. Im Grunde fast ein Schumpetermoment. Wachstum durch kreative Zerstörung powert by corona. Es gibt also zumindest auch eine glaubhafte Punchline für manche Entwicklungen, die wir sehen.
Ich kann nur eines mit Sicherheit sagen: Auch im Finanzsystem gilt das Energieerhaltungsgesetz: Das was rein geht, kann (idealtypisch) nur das sein was raus geht. In der Ökonomie gibt es so etwas wie Wertgenerierung, gemessen in Wirtschaftswachstum (über die Methoden kann man seitenlang streiten) und da wir uns an realen Werte orientieren wollen, eine Adjustierung, die Inflation. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass die risikolose nominale Rendite, die man im Mittel zwischen zwei Zeitpunkten erzielen kann, ungefähr Wachstum+Inflation ist. D.h. wenn alle "Sehen" schreien und ihr Geld haben wollen, muss für jeden, der Mehr verdient mindestens einer weniger verdienen. Um zum, hier vielleicht wirklich nicht ganz idealen Bsp. VW/Tesla noch mal zu kommen (bitte etwas abstrakter sehen): Jeder kann sich Gedanken machen, wo mehr Realwert hinter ist. Beim uncoolen, fraglos mal wieder in der Krise befindlichen Industriewert, der aber über ein an sich bisher profitables, bis auf weiteres laufende und skalierbares Geschäft verfügt, oder dem Zukunfswert, der von echter Skalierbarkeit noch entfernt ist und bislang selten oder wie durchaus einige es sehen, nie, profitabel war.
Ähnlich liegt es bei Staatsverschuldung: Dort gilt die Faustregel, dass alles o.k. ist, solange Zinslast <=Wachstum+Inflation. Man kann ja mal anfangen, Länder nach dieser Fausregel zu durchleuchten...
Womit wir zum Problem kommen, falls die Welle 2 stärker wird. Noch haben wir knapp einen Monat (um mal des Drostens Zeitplan zu nehmen), um zu sehen, ob wir die fraglos erwartbaren lokalen Ausbrüche im Griff behalten (China dito). Freilich kritischer ist Trumpistan, wo man es eigentlich nie im Griff hatte zumindest in einigen Gegenden. Fundamental ist kurzfristig eine verhaltene Börse also angemessener. |