Das Kapital: Die Anleger brauchen jetzt sehr gute Nerven Mit der ersten US-BIP-Schätzung für das vierte Quartal ist naturgemäß noch nicht allzu viel anzufangen. Ein weiteres Thema in diesem Kapital ist der Klimawandel.
So ist es schon mit Blick auf die düsteren US-Absatzzahlen von DuPont , Dow Chemical oder 3M schwer vorstellbar, dass das US-BIP mit einer Jahresrate von 3,5 Prozent zum Vorquartal zugelegt haben könnte - und geradezu erstaunlich, dass die US-Firmen ihre Vorräte überhaupt noch erhöht haben. Bemerkenswert auch, dass der Konsum nominal über die vergangenen beiden Quartale annualisiert angeblich um 2,4 Prozent schneller gewachsen sein soll als die Einzelhandelsumsätze. Das ist ein rares Ereignis, dem um die Jahrtausendwende ein Einbruch des realen privaten Verbrauchs folgte.
Nehmen wir die Zahlen dennoch einmal zum Nennwert. Danach sind die realen Exporte um zehn Prozent gestiegen, während die Importe um 3,2 Prozent nachgegeben haben. Da die Dezember-Handelsdaten noch nicht vorliegen, ist diese Schätzung mit besonderer Vorsicht zu genießen, aber dennoch verblüffend, weil die reale Nachfrage nach Konsumgütern ja um satte 6,6 Prozent gewachsen ist.
Egal. Doch wie lange kann die angebliche Außenhandelsverbesserung anhalten, wenn die Ausrüstungsinvestitionen um 1,8 Prozent fallen, obwohl die Kapazitäten ohnehin schon ausgelastet sind? Und wie hoch ist der Investitionsanreiz in den USA, wenn der Dollar zwar abwertet, die Lohnstückkosten dafür aber stärker als in Japan, Deutschland oder China steigen? Und wie lange werden die Importe sinken, falls (!) der nachgebende Immobilienmarkt die Kauflust der US-Verbraucher doch nicht spürbar dämpfen sollte, weil ihre verfügbaren Einkommen real um 5,4 Prozent zulegen, der Ölpreisrückgang ihnen zusätzliche Kaufkraft beschert und statt der Immobilien- nun eben die Aktienpreise haussieren?
Derweil wird der in Europa so gefürchtete Keil zwischen Arbeits- und Lohnkosten in den USA wieder größer, was auf Dauer nichts Gutes für den Arbeitsmarkt verheißt - der wichtigsten Stütze für die privaten Verbraucher, deren Sparquote bei minus einem Prozent verharrt. Da der Häuser-Erschwinglichkeitsindex im Dezember nach dem vorherigen leichten Anstieg sogar wieder gefallen ist, steht unterdessen zu befürchten, dass der Wohnungsbau, der um 19,2 Prozent nachgegeben hat, die Talsohle noch nicht ganz erreicht hat. Dass das im Autobau mitnichten der Fall ist, deutet der Chicago-PMI an, der zum ersten Mal seit April 2003 unter die Expansionsschwelle von 50 gerutscht ist. Für die kommenden Monate sind, kurzum, gute Nerven gefragt - äußerst gute.
Klimawandel
Nachdem mittlerweile ernsthaft vor den Gefahren für Insel(-gruppen) wie die Seychellen, die Malediven, Mauritius oder Sylt aufgrund ihrer ungeschützten Lage wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel gewarnt wird, nachdem abzusehen ist, dass Skiorte wie Kitzbühl, St. Moritz, Chamonix oder Aspen dauerhaft unter Schneemangel leiden könnten und wo mittlerweile auch die Sorge besteht, dass die Qualität des 2012er Jahrgangs von Château Lafitte unter der dann erwarteten Trockenheit leiden könnte, ist das Thema Klimawandel endlich auch bei den Investmentbankern angekommen.
Wohl auch gestärkt durch das große Medienecho auf den Bericht der britischen Regierung zu diesem Thema ("Stern"-Report), den sich abzeichnenden Meinungswandel der Washingtoner Betonköpfe um George Bush herum sowie die Beobachtung, dass sich immer mehr Firmen auch ohne gesetzlichen Zwang dieser Problematik annehmen, fühlen sich die Banken nun auf hinreichend solidem Terrain. Gleich vier Großbanken - die Deutsche, Credit Suisse, Citi und UBS - stellten den Klimawandel dieses Jahr ebenfalls fest und versuchen daraus, mal mehr, mal weniger konkret, Anlageentscheidungen herzuleiten.
Dies ist allerdings, wie bei anderen Megatrends (etwa Überalterung der Gesellschaft) auch, alles andere als leicht. Zunächst, da die stets unberechenbare Politik bei diesen Themen ständig interveniert. Weiter, da diese Trends auf zu viele, wenn nicht fast alle Sektoren und Firmen Einfluss haben, eine Fokussierung also schwerfällt. Außerdem können sich ähnliche Firmen in Bezug auf diese Trends völlig anders verhalten. Das nächste Problem ist, dass Firmen wie Siemens oder GE absolut gesehen die größten Spieler in einzelnen klimarelevanten Märkten sein können, diese Bereiche aber nur einen kleinen Umsatzanteil auf Konzernebene ausmachen. Das größte Problem, sowohl aus finanzieller als auch aus politischer Sicht, ist jedoch, dass sich diese Megatrends eben durch ihre Langfristigkeit auszeichnen und damit konträr zum Zeithorizont von Anlegern und Politikern stehen.
Immerhin: Die britischen Pensionsfonds entdecken gerade das Konzept der Fristenkongruenz wieder. Statt darauf basierend ausschließlich in Bonds zu investieren, bleibt ihnen immerhin die Alternative, mit dem richtigen Aktienkorb auf die Megatrends zu setzen.
Quelle: Financial Times Deutschland mfg J.B. -------------------------------------------------- "One should count each day a separate life." (Seneca) |