30.09.2009 GesellschaftDer Glanz der TigerenteVon Thomas Tuma Die schwarz-gelbe Koalition verspricht zumindest ein bisschen mehr politischen Glamour. Dafür sind vor allem die kleinen Partner CSU und FDP zuständig. Wenn Paul Sahner über große Politik spricht, muss er mit sich selbst Streit anfangen. Es kommt dann immer darauf an, welcher Sahner gerade spricht: der Doyen der hiesigen Klatschindustrie, "Bunte"-Autor und Lagerfeld-Biograf mit dem Latte-Macchiato-Timbre einerseits - oder der 65-jährige Wahlbürger. "Als 'Bunte'-Mann finde ich natürlich einen Sarkozy mit seiner Carla Bruni wunderbar. Und Bella Italia, wo sich der altersgeile Berlusconi von einer Prostituiertenenthüllung zum nächsten Streit mit seiner Noch-Gattin hangelt, ohne dass sein Volk ihm wirklich gram wäre." Darauf kontert der andere Sahner: "Als Wähler wünsche ich mir Politiker wie Merkel und Steinbrück, die wissen, was die Stunde geschlagen hat: ruhig, verlässlich, kompetent. Das ist mir wesentlich sympathischer." Der innere Kampf Sahner gegen Sahner, Gefühl contra Verstand - das ist ein Konflikt, der unterschwellig auch den Rest der Republik umtreibt und letztlich um die Frage kreist: Wie glanzvoll hätten wir unsere politischen Spitzen gern? Wie unterhaltsam? Wie sexy und charismatisch? Gegenfrage: Wann waren die das jemals, wenn man von ein paar Jahren Willy Brandt absieht? Als die USA John F. Kennedy wählten, war der deutsche Kanzler ein 85-jähriger Opa namens Konrad Adenauer. Am Grundproblem hat sich seither nicht viel geändert: Die anderen haben die aufregende Show, wir bekommen beruhigende Biederkeit. Da dürfte das künftige schwarz-gelbe Tigerenten-Kabinett immerhin ein wenig mehr Leben versprechen als die zu Ende gehende Große Koalition, die zum Schluss den Esprit einer Außenstelle der Arbeiterwohlfahrt verströmte. Auch wenn für den Glamour wieder nicht die Kanzlerin zuständig sein wird, sondern das Duo ihrer beiden kleineren Regierungspartner. Im einen Fall versöhnen sich sogar die beiden widerstreitenden Sahners miteinander: Auch in der künftigen Regierung wird der aktuelle CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit Sicherheit vertreten sein. Adel, Jugend, Reichtum, Bildung, eine Bismarck-Ururenkelin als Gattin, gute Manieren und Weltläufigkeit - Guttenberg bringt nicht nur für Sahners "Bunte"-Publikum, sondern auch für den "Chrismon"-Leser oder "FAZ"-Abonnenten alles mit. Der 37-Jährige kann Bierzelte und Schwiegermütter rocken und UBS von USB unterscheiden. In Merkels Kabinett hat Guttenberg bislang zwar nicht mit Kompetenz oder gar Inhalten gestört, aber er hatte eine Haltung: Wieso muss der Staat bitte schön Opel retten? Überraschenderweise fand die Mehrheit der Bundesbürger das nicht neoliberal, sondern authentisch. So einer kann noch größer rauskommen. "Ich würde einen Hunderter darauf wetten, dass er in acht Jahren Kanzler ist, wenn er diesen Lauf durchhält", sagt Sahner. "Glamourfaktor: Summa cum laude." Daneben dürfte vor allem FDP-Parteichef Guido Westerwelle als Außen- oder Superminister für Wirtschaft und Finanzen in spe Strahlkraft unter Beweis stellen wollen - nicht nur wegen seines Wahlergebnisses. Westerwelles Ära der Affigkeiten mit Guidomobil, gelb verklebten Schuhsohlen oder Überraschungsauftritten bei den Insassen der "Big Brother"-Container ist vorbei. Dass er schwul ist, regt nicht mal mehr oberbayerische Schützenvereine auf, liefert aber vielleicht die eine oder andere Auftritts-Steilvorlage beim nächsten Christopher Street Day. Beängstigender ist die Frage, wen Westerwelle in die Regierung mitnimmt. Den Wirtschafts- und Weinköniginnenexperten Rainer Brüderle etwa? Oder das blonde EU-Gift Silvana Koch-Mehrin? Das Kabinett dürfte jedenfalls weit bunter werden als zu Große-Koalitions-Zeiten, als nur noch eine Farbe in Nuancen zählte: steingrau, mausgrau, aschgrau. http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,652102-2,00.html ----------- gruß Maxp. |