Eintagsfliege Decode Genetics? @Preisfuchs

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neuester Beitrag: 31.08.00 19:18
eröffnet am: 26.08.00 01:01 von: Kicky Anzahl Beiträge: 3
neuester Beitrag: 31.08.00 19:18 von: derAlte Leser gesamt: 6763
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26.08.00 01:01

79561 Postings, 8947 Tage KickyEintagsfliege Decode Genetics? @Preisfuchs

Decode Genetics ist eine isländische Firma,die im Juli an die Nasdaq ging.Am 18,August haben Decode und Roche bekanntgegeben,dass sie einen wichtigen Schritt in der Alzheimerforschung gemacht haben.Decode hat Zugang zu den statistischen Daten des Medizinischen Dienstes in Island,wo die Bevölkerung kaum Gelegenheit hatte,sich mit anderen Völkern zu mischen .So konnte man an Hand von 1100 Alzheimerpatienten und der Krankheitsgeschichte der betroffenen Familien nachweisen,dass Alzheimer vererbt wird und ein bestimmtes Gen dafür verantwortlich ist.Es wird jedoch die Forscher von Roche noch Jahre kosten,bis das Gen genau identifiziert ist und festzustellen ,welche Mutationen es gibt.
Bereits in den frühen 90er Jahren wurde ein Gen namens Apoliprotein E an der Universität in North Carolina entdeckt,das die Gefahr erhöht,an Alzheimer zu erkranken.Dies Gen sitzt jedoch an anderer Stelle.
Die Forscher von Roche beeilen sich,gemeinsam mit Decode ahnliche Durchbrüche in der Erforschung von Arthritis und Schlaganfall zu finden.
Bezeichnenderweise stieg die Aktie am 18.August um 10%,erreichte kurzfristig 30$ und fiel  nach dem 21.August wieder zurück auf 27.   MACD liegt wieder bei Null,Stochastic scheint negativ,Decode dürfte in Seitwärtsbewegung kommen.Da  m.E. kaum zu erwarten ist,dass jetzt laufend neue Forschungsergebnisse gemeldet werden und die Erprobung eines Medikamentes in weiter Ferne liegt,wäre die Aktie für mich kein Kauf.  

26.08.00 18:25

79561 Postings, 8947 Tage KickyDa ist es wieder,preisfuchs o.T.

31.08.00 19:18

220 Postings, 8901 Tage derAlteartikel in der FTD zu Decode genetics

Aus der FTD vom 31.8.2000  
Biotech: Entzauberung eines Gen-Jägers
Von Timm Krägenow, Reykjavik

Bei zehn Grad über null und scharfem Wind kommt Kari Stefansson in kurzen Ärmeln ins Büro. Im Treppenhaus nimmt der Zweimetermann mit dem grauen Vollbart zwei Stufen auf einmal und spricht laut in das Headset seines winzigen Handys.

Der Isländer ist auf die Vulkan-Insel zurückgekehrt, um in den nordischen Genen die Kur für Krebs und Alzheimer zu finden. Früher, als er noch in Harvard arbeitete, muss Stefansson ein beliebter Neurologe gewesen sein. Er versteht es, schillernde Visionen von einem besseren Leben auszumalen. "Wir können ganz neue Diagnosen und Therapien entwickeln, wenn wir die Daten der Gesundheitssysteme richtig durchkämmen", schwärmt er. Dafür braucht der Sammler Zigtausende Patientenakten und DNA-Proben. Bedenken gegen seine Sammelwut wischt er beiseite: "Die Kritiker sind vor allem Linke."

Aktionäre ticken wie Patienten. Beide wollen, dass man ihnen Illusionen macht. Und so therapiert der isländische Hüne zurzeit vor allem die Kapitalmärkte: Seit Juli ist seine Firma Decode Genetics an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq notiert. Kleinanleger sind von der Idee des isländischen Gen-Schatzes fasziniert - auch wenn Experten inzwischen skeptisch geworden sind.



Krankheitsgene ragen deutlich heraus

Stefanssons Story ist leicht zu verstehen, vor allem, wenn man nichts von Genetik versteht: Seit 1000 Jahren leben die Isländer, die Nachfahren der Wikinger, isoliert auf ihrer sturmumtosten Atlantikinsel. Die Abgeschiedenheit hat ihr Erbgut weitgehend homogen belassen, sodass Krankheitsgene deutlich herausragen. Stefansson wird diese Gene finden und damit die Geißeln der Menschheit ausrotten.


Und Millionen verdienen - mit Unterstützung des isländischen Staates. Dieser hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Decode Genetics zu einem Erfolg zu verhelfen. In einem beispiellosen Vorgang verschafften maßgeschneiderte Gesetze der Firma Zugriff auf Erbgut und Krankendaten der 275.000 Isländer. Zustimmen mussten die Patienten nicht; in den meisten Fällen wurden sie gar nicht erst gefragt.


Stefansson, der von einer "Revolution im Gesundheitswesen" spricht und dabei bedeutungsvoll mit seinen großen Händen in der Luft fuchtelt, weiß, was er will. Ein Stockwerk unter seinem Büro drängen sich Dutzende Maschinen in viel zu engen Räumen. Junge Laborantinnen tragen tiefgekühlte DNA-Proben zu Kühlschränken, die dichtgedrängt bis zum Eingang vor der Kantine stehen. Eine Sequenzier-Maschine reiht sich an die andere. Jeden Monat trifft das Blut von 2500 weiteren isländischen Probanden ein. 350 Mitarbeiter beschäftigt die junge Firma in dem kleinen Gebäude in einem Industriegebiet von Reykjavik, der Parkplatz platzt aus allen Nähten.



Hoffen auf die Muster eines kranken Genes

Elektrische Felder jagen im Labor die Gen-Schnipsel über beschichtete Glasplatten. Das Erbgut von Gesunden läuft um die Wette mit dem Erbgut von Alzheimer-Kranken, Diabetikern oder Schlaganfall-Patienten. Und inständig hoffen die Forscher, dass die Gene der Gesunden und Kranken unterschiedliche Muster auf den Farbbildschirmen hinterlassen. Computer suchen nach Markern, die den Weg zu krankheitsverusachenden Genen weisen sollen.


Ein paar Kilometer weiter, im Universitäts-Krankenhaus, dämpft Chefarzt Tomas Zoega die Euphorie: "Ich habe nichts gegen Forschung, aber man soll sich an die Regeln halten", sagt der Vorsitzende der Ethik-Kommission der isländischen Ärztekammer: "Man soll die Leute fragen, bevor man ihre Daten oder ihr Erbgut benutzt."


Der Zorn der Kritiker entzündet sich vor allem an Stefanssons Plan, eine Datenbank aufzubauen, mit der er exklusiven Zugriff auf die kompletten Krankengeschichten aller Isländer haben wird, auch auf die derToten. Andere Firmen sollen dieDatei gegen Gebühr benutzen dürfen. "Die Regierung hat uns keinen guten Dienst damit erwiesen, dass sie Island zu einem Selbstbedienungsladen für Decode macht", kritisiert Zoega.



Öffentliche Ressourcen nutzen


Die Inselregierung sieht in dem Projekt die Erfüllung eines alten Wunsches: "Wir haben schon vor 20 Jahren über solch eine Datenbank nachgedacht, mit der die Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens deutlich besser eingesetzt werden könnten", sagt Staatssekretär David Gunnarsson. Ein leistungsfähiges Computersystem sei aber zu teuer gewesen. "Deshalb waren wir interessiert, als Decode vorschlug, dies privat zu finanzieren."


Das notwendige Gesetz - Stefanssons Vater war früher ein einflussreicher Politiker - paukte die Regierung im Frühjahr 1998 binnen weniger Wochen durch, auch wenn sie nach zahlreichen Protesten ein Zugeständnis machen musste. Bürgerhaben jetzt zumindest das Recht, ihre automatische Aufnahme in die Datenbank per schriftlicher Erklärung zu verweigern.


Einer der Ersten, die ausstiegen, war ausgerechnet Matthias Halldorson, Vize-Direktor für öffentliche Gesundheit. "Ich möchte einfach für mich selbst entscheiden und nicht andere die Entscheidung treffen lassen", sagte der Beamte, als seine Verweigerung zufällig bekannt wurde.


Zwar sollen die Namen und Geburtsdaten in der Datei unleserlich gemacht werden, aber bei einem Volk von gerade einmal 275.000 Menschen wird das nicht helfen: Mit fünf Jahren das Bein gebrochen, mit 40 Jahren Depressionen, der Vater hatte Alzheimer - das wird reichen, um eine Person zu identifizieren.


Entschiedener Widerstand der Ärzte

Mit Grausen erinnert sich Zoega an den vergangenen Sommer, als die staatliche Ethik-Kommission für strengere Datenschutzregeln sorgen wollte. "Die Kommission wurde von heute auf morgen ausgetauscht", sagt Zoega. "Das ist inzivilisierten Ländern nicht üblich." Am Wochenende stellten sich die isländischen Ärzte geschlossen gegen die Datenbank. Mit großer Mehrheit forderte die Jahreshauptversammlung der Ärzte die Regierung auf, das entsprechende Gesetz auszusetzen.


Firmengründer Stefansson, für den es jetzt eng werden könnte, hat den Ernst der Lage noch nicht erkannt. Am 11. August ließ er an der New Yorker Nasdaq die Übersetzung eines Kommuniqués mit der Unterschrift des Ärztekammer-Präsidenten verbreiten, in dem die Verhandlungen über die Zusammenarbeit mit Decode als "positiv und produktiv" bezeichnet wurden. In dem Original-Dokument auf Isländisch war davon keine Rede gewesen. Jetzt verlangen die Ärzte, dass Stefansson seine Anleger-Information korrigiert. Normale Patientenakten seien ohnehin wenig verlässliche Quellen für die Forschung, kritisiert Chefarzt Zoega: "Vielleicht war Stefansson der Streit wichtiger als die Datenbank. Er hat die ganze Aufregung verdammt gut verkauft. Jetzt kennt ihn die Welt."


Zweifel über den rechten Ort

Trotz PR-Coup könnte sich der Traum vom zukunftsweisenden Gen-Schatz aber schon bald als Schimäre erweisen. "Wissenschaftlich ist überhaupt noch nicht klar, ob Island überhaupt der richtige Platz für die Gen-Suche ist", sagt Einar Anarson, der in seinem Wohnzimmer einen Papier-Stapel aufgeschichtet hat. "Möglicherweise ist er auch der denkbar schlechteste."


Im renommierten Wissenschaftsjournal "Nature Genetics" hat der Professor für Populations-Genetik soeben eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass die isländische Bevölkerung genetisch mindestens so divers ist wie Festland-Europäer. "Die ursprüngliche Bevölkerung war viel gemischter, als sich das viele vorstellen", sagt er.


Auch das Wissenschaftsmagazin "Nature" hegt Zweifel am Projekt. Immer mehr Gen-Forscher, hieß es in der Juli-Ausgabe, seien davon überzeugt, dass die Vorteile genetischer Homogenität durch zu kleine Fallzahlen aufgewogen werden könnten. Möglicherweise leben in Island einfach zu wenig Alzheimer-Kranke, um den genetische Ursachen ihrer Erkrankung auf die Spur zu kommen. "Das sind wissenschaftliche Fragen, die in aller Ruhe geklärt werden müssen", sagt Arnason. "Ich werde mir zumindest keine Decode-Aktien kaufen."


"The proof of pudding lies in the eating", sagt Stefansson zu solchen Bedenken. Außer drei dürren Pressemitteilungen, dass seine Firma verschiedene Krankheitsgene eingekreist habe, kann er bislang allerdings keinen Erfolg vorweisen. "Hoffnung ist oft das Einzige, was man hat", hatte der Schatzsucher einmal gesagt, als er über Patienten mit chronischen Krankheiten referierte. Diese Droge verteilt er jetzt auch an die Aktionäre: "Hoffnung ist doch nichts Schlechtes."



© 2000 Financial Times Deutschland

URL des Artikels:     http://www.ftd.de/tm/te/FTD967656430872.html
 
 

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