Beraten und verkauft McKinsey & Co. - der große Bluff der Unternehmensberater Autor prangert «Bluff der Berater» an
| Unternehmensberater | Foto: Roland Berger/dpa/gms |
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Firmen wie McKinsey beraten nicht nur Unternehmen, sondern immer mehr auch die Politik. Eine gefährliche Verquickung, meint der Journalist Thomas Leif und versucht in einem neuen Buch Aufklärung. Von Kai Makus Vielleicht wäre ein «Gesetz zum Schutz der deutschen Sprache» – wie es die CDU-Politikerin Erika Steinbach in «Bild» vorschlug – gar nicht so übel. Es käme aber möglicherweise einem Berufsverbot für eine ganze Branche in Deutschland gleich. Denn Beraterfirmen wie McKinsey oder Roland Berger nutzen nicht nur eigene Wortneuschöpfungen intensiv in ihren Gutachten, sondern auch verklausulierende englische Begriffe. Mit Bedacht: «Es scheint, als ob Consultants [Berater, die Red.] klare Gedankengänge mit ihrem sprachlichen Werkzeug bewusst verwässern», schlussfolgert der Journalist Thomas Leif in seinem neuen Buch über die Branche, das «Beraten und verkauft» heißt – nachdem er genüsslich Beispiele wie Cost-Cutting (für: Senkung der Kosten), Benefits (Vorteile) und den bekannten Job-Floater aufgezählt hat. Glaubwürdig und weltmännisch wirken Möglicherweise ließen sich die Berater aber auch durch ein Gesetz zur Reinhaltung der deutschen Sprache nicht abschrecken. Schließlich beherrschen sie ihre Übung in Deutsch wie in (D)englisch: auf den ersten Blick glaubwürdig erscheinen oder weltmännisch wirken, wie Leif schreibt. Er nennt etwa den «Konzeptionellen Ansatz» (soll heißen: Gedanke), «suboptimal» (schlecht) oder die «Entlastung von Aufgaben» – wohinter sich nichts weiter als Stellenstreichungen verbergen. Dabei ist die Sprache für Leif noch das kleinste Problem einer Branche, die seiner Meinung nach die Öffentlichkeit aus wohl kalkulierten Gründen scheut. So enge Verquickungen, so viele «Netzwerke» zwischen Beratern und Politikern gebe es inzwischen, dass die meisten Gutachten freihändig vergeben werden – also ohne öffentliche Ausschreibung und damit auch ohne die Möglichkeit zu prüfen, ob ein Konkurrent günstiger wäre. «Rücksichtslose Vereinfacher» Ohnehin kommen Beraterverträge ganz anders zustande, meint Leif: Zunächst wird Unternehmen und vor allem Behörden der Sachverstand der Berater angeboten – kostenlos. Aus solcher Zusammenarbeit ergäben sich dann fast automatisch lukrative Verträge ganz von selbst. Und auch die Arbeit der Berater selbst findet beim Buchautor, Vorsitzender des Journalisten-Netzwerkes Recherche und Chefreporter Fernsehen beim SWR in Mainz, kaum gute Worte: «rücksichtslose Vereinfacher» seien die Berater, wettert er. Sie gaukelten den Menschen vor, für die zunehmend komplexen Probleme der Gesellschaft könne es so etwas wie einfache Lösungen geben. Und die sehen dann auch stereotyp aus: öffentliches Gut privatisieren, Märkte liberalisieren, Kosten sparen und Stellen streichen, lauten die Empfehlungen. Ein Grund dafür liegt für Leif in der Arbeitsweise der Beraterfirmen selbst. Sie würden gar kein eigenes Wissen erschaffen oder Lösungen entwickeln, sondern vielmehr beides bei ihren Kunden einsammeln und es ihnen – «in bunten Folien statt grauen Aktiendeckeln» – wieder vorlegen. Möglich sei auch das «Recycling» einmal erarbeiteter Gutachten für weitere Auftraggeber – schließlich sei mit einem Beratervertrag meist eine strikt einzuhaltende Schweigepflicht beider Seiten verbunden. Regeln müssen her Warum sich die Öffentlichkeit für den «großen Bluff der Unternehmensberater» – die zusehends auch Politikberater werden - interessieren sollte, macht Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff am Mittwoch bei der Vorstellung des Buches in der Akademie der Künste in Berlin deutlich: «Je komplexer die Realitäten werden und je mehr der Staat zurückgebaut wird, desto mehr wird der Staat Sachverstand von außen einkaufen müssen», lautet die These des CDU-Politikers. Deshalb müsse es Regeln für den Einsatz von Beratern und Gutachtern geben, betont Wulff. So habe er im Kabinett in Hannover einen Verhaltenskodex durchgesetzt. Der gebiete den Ministern unter anderem, zumindest ein halbes Jahr zu warten, bevor sie sich nach Amtsaufgabe von der Beraterbranche anwerben lassen. Einen Seitenhieb auf seinen niedersächsischen Amtsvorgänger kann er sich nicht verkneifen: Ein so rascher Wechsel, wie ihn Gerhard Schröder von der Spitze der Bundesregierung zum staatlich kontrollierten russischen Gaskonzern Gasprom gemacht habe, wäre so nicht möglich gewesen, frohlockt Wulff. Mal nötig, mal nicht Interessant die Erklärung Wulffs, warum «immer mehr externer Sachverstand» gebraucht werde: Weil in den schrumpfenden öffentlichen Verwaltungen der drastische Personalabbau nicht mehr genug Zeit oder auch Sachverstand der Mitarbeiter hinterlassen hat. Dabei beruht der Stellenabbau als Lösung zur Krise der öffentlichen Haushalte zu einem guten Teil auf Empfehlungen derjenigen Beratungsfirmen, die jetzt dienstfertig einspringen. Immerhin kann Wulff von Erfahrungen berichten, wo der Sachverstand der Beraterfirmen nützte, etwa ein Gutachten zur Konsolidierung des niedersächsischen Haushalts. Er kennt aber auch das Gegenbeispiel: Die Verwaltungsreform, bei der in seinem Land mit den Regierungspräsidien eine ganze Ebene wegfiel, sei komplett ohne externe Berater erarbeitet und umgesetzt worden. Wulff ein «Freund der Berater» Dennoch: «Ich bin ein Freund der Berater», bekennt sich Wulff. Dazu müssten nur Regeln eingehalten werden, wie sie in Hannover bereits gelten: Keine Vergabe von Aufträgen ohne Ausschreibung und Prüfung der Ergebnisse sind die wichtigsten. Die Gutachten dürften «nicht Entscheidung, sondern Hilfe zu Entscheidung» sein, fasst er zusammen. Wie weit der Einfluss der Berater in der Politik schon reicht, skizziert Autor Leif allein anhand der tief greifenden politischen Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit, die mit ihrer Hilfe fielen: Die Modernisierung der Bundeswehr, die Arbeitsmarktreform Hartz IV, die Maut oder die Kopfpauschale als Reformvorschlag für die Finanzierung des Gesundheitswesens: «Die Berater schicken sich an, die Gesellschaft zu verändern. Deshalb müssen sie auch gesellschaftlich kontrolliert werden», meint Leif. Rechnungshöfe könnten Transparenz stärken Dazu sei ein Verhaltenskodex nur der erste Schritt. Wichtig sei auch, das Interesse der Öffentlichkeit für die Thematik zu wecken, meint der Journalist. Leif setzt auf die Justiz: Wo sich Korruptionsvorwürfe erhärten ließen, würden die Staatsanwälte auch ermitteln, gibt sich der Autor im Gespräch mit der Netzeitung zuversichtlich – nicht ohne einzuräumen, es wäre «vielleicht etwas naiv», allein auf die Tätigkeit dieser immerhin an Weisungen der Ministerien gebundenen Strafverfolger zu setzen. «Wir brauchen keine neuen Gesetze, die bestehenden müssen nur umgesetzt werden», betont Leif. Nötig sei vor allem Transparenz, hebt er hervor. Dafür könne unter anderem eine «Aufwertung der Rechnungshöfe» in Bund und Ländern beitragen. Von denen nämlich erhalte man derzeit als Journalist meist «nicht einmal einen Fetzen Papier». | Thomas Leif Foto: Promo |
| Das Buch von Thomas Leif, Beraten & verkauft. McKinsey & Co. – der große Bluff der Unternehmensberater, hat 448 Seiten, erscheint im Verlag C. Bertelsmann, kostet 19,95 Euro und ist vom 15. Mai an im Buchhandel erhältlich. http://www.netzeitung.de/wirtschaft/wirtschaftspolitik/397656.html |