Kurs 2,12 € MarketCap 122 Mio € EV etwa 193 Mio € 12 Monate Kursziel 4,40 €
Claranova ist ein französisches Unternehmen in den Bereichen ECommerce (über die Tochter Planet Art) und Security und Photo Software (über die Tochter Avanquest), das aber den Großteil des Umsatzes in den USA, gefolgt von UK macht. Mit mydevices hat man noch eine sehr kleine aber sehr wachstumsstarke Tochter im Bereich Sensortechnik.
Wie erklärt sich der extreme Abverkauf der Aktie der letzten zwei Jahre mit einem Kurstief von 1,3 € und eine dementsprechende Marktkapitalisierung von rund 75 Mio € vor gerade mal zwei Monaten, wenn das margenstarke Unternehmen 507 Mio € Umsatz und 33 Mio € Ebitda im letzten Geschäftsjahr 2022/23 erzielte? Wie konnte man also so tief fallen? Ein oberflächlicher Blick auf die Finanzdaten am Ende des Geschäftsjahres 2022/23 (Juni 2023) genügt da eigentlich schon, um das vermeintliche Desaster zu erkennen. Zum Ende des Geschäftsjahres 2022/23 (Stichtag Ende Juni 2023) hatte man
-§ein negatives Eigenkapital von 16 Mio €,
-§gleichzeitig 112 Mio Nettoverschuldung
-§bei 11 Mio Nettoverlust
-§zudem schrumpft derzeit der Umsatz im größten Segment „PlanetArt“ (ECommerce mit fast 80% Konzernumsatzanteil).
-§zuvor gab es Managementfehler bei Zukäufen im Jahr 2022 (für 5% von PlanetArt Anteilszukauf bei viel zu hohen Bewertungen 38 Mio ausgegeben, und dazu Zukauf einer deutschen Softwarefirma für über 20 Mio €)
-§Wahrscheinlich sind auch die Konsensschätzungen (siehe marketscreener.com) auch für das neue Geschäftsjahr 2023/24 zumindest beim Umsatz noch zu hoch und dürften demnächst leicht heruntergenommen werden
-§hinzu kam lange Zeit ein heftiger Streit unter den Großaktionären, der erst Ende November 2023 beigelegt werden konnte.
So weit so schlecht. Man muss also offenbar verrückt sein, hier zu investieren. Wieso die Aktie mehr als nur einen zweiten Blick wert ist, erkennt man leicht wenn man etwas genauer in die Kapitalflussrechnung und GUV eintaucht. Die other Items der GUV sind eben nicht cash wirksame Belastungen. Findet man im Geschäftsbericht im Anhang gut erklärt. Aus 33 Mio Ebitda und 25 Mio € Ebit wurden deshalb -9,0 Ebt. Nur ein Bruchteil dieses Unterschiedsbetrages von 34 Mio € sind echte Zinskosten (für Borrowings etc), aber rund 20 Mio davon sind nicht cashwirksam, weshalb sie in der Kapitalflussrechnung natürlich positiv zurückgebucht werden. Die Changes in Scope im Kapitalfluss aus Investitionstätigkeit sind allesamt Aquisitionskosten. Die fallen dementsprechend nicht ständig an. Der Capex beträgt im Normalfall 3-4 Mio €. Durch die eigentlich unnötige und zur Abwehr der ehemals feindlichen Aktionäre durchgeführte Kapitalerhöhung vom Juli 2023 (15 Mio € Nettoeinnahmen) und den Konzerngewinnen des laufenden Geschäftsjahres wird man nun wieder ein positives Eigenkapital ausweisen. Der Vorstand hat damit begonnen, Verlustbringer im Bereich Avanquest zu verkaufen und bei PlanetArt Kosten zu sparen, was sich schon im Q1 des neuen Geschäftsjahres in einer steigenden Marge bemerkbar machte. Man möchte so nun schon kurzfristig die Ebitda-Marge von 6,5% auf 10% steigern, wobei ich vorläufig erstmal von 8,2% im laufenden und 9,0% im kommenden Geschäftsjahr ausgehe. Man darf auch nicht vergessen, dass der Vorstand auch im Frühjahr 2022 eine Steigerung der Marge auf 10% für 2022/23 als Ziel ausgegeben hatte. Es sind dann eben nur 6,5% geworden. Einen Abschlag aufgrund der Historie der Managementfehler und Fehlprognosen sollte man also vorläufig nachvollziehen können. Vielleicht (so hoffe ich) bringen schon die Q2-Zahlen demnächst einen ganz anderen, positiveren Blick auf das Unternehmen und seinen Vorstand. Q2 ist auch saisonal insbesondere für PlanetArt das wichtigste und margenstärkste Quartal. Es kann sich also schon einiges an der Investmentstory mit diesem Quartal vorentscheiden. Interessant is insbesondere, dass der Aktienkurs nun stark von 1,4 € auf 2,2 € direkt nach der News über die Einigung mit den ehemals oppositionellen Aktionären angestiegen ist. Offensichtlich sind manchmal solche Themen noch wichtiger als bloße Kennzahlen.
Fazit: Die ECommerce-Delle nach Corona, die Managementfehler bei Zukäufen und Fehlprognosen, sowie der Streit innerhalb der Aktionärsstruktur haben den Aktienkurs stark unter Druck gebracht. Hinzu kommen nicht cashwirksame Belastungen der GUV, die der Markt offenbar nicht als Sondereffekte deklarierte. Aus meiner Sicht sind große Teile dieser Belastungsfaktoren Vergangenheit und trotz eines nachvollziehbaren Bewertungsabschlages ist das Unternehmen schon jetzt deutlich an der Börse unterbewertet. Sollte sich meine noch immer vorhandene Skepsis durch schneller als von mir erwartete Margenverbesserungen schrittweise abbauen, und der Vorstand tatsächlich im aktuellen oder kommenden Jahr schon 10% Ebitda-Marge erreichen, würde die schnelle Entschuldung zu einem FCF Yield von 25-30% führen und damit erhebliches Kurspotenzial bis mindestens 6,5 € freisetzen. Aber da stecken eben noch so 1-2 „wenn“ und „aber“ drin. Die Q2-Zahlen in den kommenden Wochen könnten schon der Gamechanger sein. Sollte der Vorstand bei seinem Margenziel von 10% bleiben, dürfte es dem Markt auch egal sein, wenn PlanetArt dieses Geschäftsjahr aufgrund des schwierigen konjunkturellen Umfelds 5% an Umsatz verliert. Alle Aspekte zusammengefasst, ergeben sich für mich die Daten in folgender Tabelle.
----------- the harder we fight the higher the wall |