Markt bleibt nervös
Dax-Ausblick: Eine Sommerrally ist nicht in Sicht Von Michael Drosten, Handelsblatt.com
Die Analysten blicken skeptisch auf die kommende Woche. Im Börsenhandel macht sich zwar die Hoffnung breit, dass der überraschende Kursaufschwung am Donnerstagnachmittag beim Dax und die anhaltend freundliche Stimmung am Freitag gute Vorboten für die kommende Woche sind. Allerdings verweisen Marktteilnehmer auch auf die unsichere konjunkturellen Aussichten. So könne die Senkung der BIP (Bruttoinlandsprodukt)-Prognose für Deutschland auf 1,3 nach 1,9 Prozent durch den Internationalen Währungsfonds den Aufschwung weiter belasten.
Nach der Entscheidung der amerikanischen Notenbank, die Zinsen um 25 Basispunkte zu senken, wird der Commerzbank zufolge der Markt sein Augenmerk nun wieder auf die belastende konjunkturelle Situation richten. Dennoch sollten auf Grund der latenten Zinssenkungsfantasie in Europa die Börsen eher leicht freundlich tendieren, heißt es. Die Commerzbank hält das derzeitige Kursniveau für attraktiv zum Einstieg. Daher empfiehlt sie für mittelfristige Anlagen Qualitätstitel wie Allianz, Bayer, Eon, Linde, Schering und Siemens.
"Wenn wir in den kommenden Wochen keine neuen Tiefs im Dax sehen, könnte sich der Index in den kommenden Monaten deutlich erholen", glaubt auch Renzo Sechi, Aktienhändler bei der SEB Bank. Das Stuttgarter Bankhaus Ellwanger & Geiger hält den deutschen Aktienmarkt auch weiterhin für „angeschlagen“. Die Indikatoren wiesen eine Tendenz zu weiteren Verkäufen auf, meint sie. Die Schwaben empfehlen Henkel, Schering und Münchener Rück.
Die Analysten der GZ-Bank gehen davon aus, dass sich die Märkte nach einer kurzfristigen technischen Erholung tendenziell weiter uneinheitlich entwickeln werden. Die Unsicherheit über den Fortgang der konjunkturellen Entwicklung sei bei den Investoren noch groß. Auch wenn die von der amerikanischen Notenbank Fed signalisierte weitere Handlungsbereitschaft zu einer gewissen Stabilisierung führe, werde die bislang tendenziell schlechte Stimmung von der zunehmenden konjunkturellen Schwäche in Europa gestützt. Allerdings ließen verbesserte EU-Inflationsraten in Kürze auf eine EZB-Zinssenkung hoffen.
Die DG Bank am Main glaubt auch für die kommende Woche nicht an die erhoffte Sommerrally am deutschen Aktienmarkt. Die pessimistischen Konjunkturprognosen für Deutschland wie zuletzt vom Ifo-Institut und die Gewinnwarnungen großer Unternehmen aus der Pharma-, Chemie- und Technologiebranche würden „für weitere Belastungen“ sorgen. Insgesamt sei der Markt geprägt durch eine hohe Nervosität, sagt Analyst Matthias Volkert. Marktteilnehmer hätten Angst vor Verlusten und würden daher bei Zugewinnen schnell ihre Aktien auch wieder abstoßen. Mittelfristig sieht Volkert den Dax weiterhin bei 6 500 Punkten.
Kein Handel an der Wall Street für anderthalb Tage
Abgesehen von den fast schon „mit einer gewissen Regelmäßigkeit“ eintreffenden Gewinnwarnungen erwarten die Analysten von der DG Bank „bei wichtigen Unternehmensnachrichten weitgehend Funkstille“. Dazu kommt, dass an den US-Börsen wegen des Unabhängigkeitstages am 4. Juli nicht gehandelt wird. Am 3. Juli bleibt die Wall Street einen halben Tag geschlossen. „Wenn keine Gewinnwarnungen oder andere negativen Nachrichten kommen, dürfte der Dax vermutlich eine relativ ruhige Woche erleben“, sagt Volkert. Von der DG Bank empfohlen werden unter anderem Aixtron, Deutsche Bank, Evotec und Fielmann.
Nach den „Irritationen“ im Dax durch die Bayer-Gewinnwarnung, einer möglichen Platzierung von Infineon-Aktien und Spekulationen über einen revidierten Siemens-Ausblick erwarten die GZ-Analysten weiterhin vereinzelte Gewinnwarnungen, die die psychologisch geprägten Märkte negativ beeinflussen könnten. Auf Grund der anhaltenden Unwägbarkeiten empfiehlt die GZ-Bank weiterhin Engagements in defensiven Titeln wie Allianz, RWE und Unilever.
Die RWE AG teilt am Dienstag ihr vorläufiges Jahresergebnis mit. Allerdings rechnen Analysten dabei nicht mit Überraschungen. Zu deutlich hätten sich bereits durch den Neunmonatsbericht und die vom Vorstand selbst gemachten Prognosen die Umsatz- und Ergebnissteigerungen des Konzerns abgezeichnet. RWE werde den positiven Trend bestätigen, heißt es. Da keine Ergebnisse der Sparten ausgewiesen würden, sei eine genaue Analyse schwierig und den Zahlen werde keine allzu große Bedeutung beigemessen, sagen Experten.
Im Terminkalender steht auch die Heidelberger Druckmaschinen AG, die - ebenfalls am Dienstag - ihre endgültigen Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr vorlegen wird. Nach vorläufigen Angaben hat der Maschinenbauer im abgelaufenen Jahr 2000/2001 (31. März) die eigenen Prognosen übertroffen. Daher wird am Dienstag vor allem interessant sein, ob sich das Unternehmen auch im laufenden Jahr vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Konjunktur behaupten kann. Seit Jahresbeginn hat die im MDax notierte Aktie stark nachgelassen. Der Titel verbilligte sich seither von rund 70 Euro auf aktuell rund 57 Euro. Einige Analysten sehen bereits wieder Einstiegskurse auf dem derzeitigen Niveau. So hat die Commerzbank Securities den Wert jüngst von „Akkumulieren“ auf „Kaufen“ hoch gestuft und nannte ein Kursziel von 75 Euro. Der Wert habe auch weiter das Potenzial für ein zweistelliges Gewinnwachstum, hieß es zur Begründung.
„Unverändert vorsichtig“ bleibt die WGZ-Bank aktuell bei der Siemens-Aktie. Die Spekulationen hinsichtlich des Ausmaßes schlechter Quartalszahlen (3. Quartal) werde für ein weiteres nervöses Agieren der Marktteilnehmer sorgen, so Analyst Jörg Natrop. Zudem sehen die Analysten weiteren Revisionsbedarf hinsichtlich der Gewinnerwartungen insbesondere für das laufende Geschäftsjahr und der bislang gültigen Kursziele. Dem Anleger wird empfohlen, die Aktie mittelfristig zu halten. Positivere konjunkturelle Rahmenbedingungen für 2002 und ein etwas optimistischer Blick hinsichtlich einzelner Branchenkonjunkturen ließen vor allem für die zweite Hälfte des Geschäftsjahres 2001/02 (1.4. – 30.9.2002) einen verbesserten Ergebnisverlauf erwarten. |