Eon gibt Versorger Thüga nicht für Ruhrgas her

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21.01.02 06:16

95441 Postings, 8481 Tage Happy EndEon gibt Versorger Thüga nicht für Ruhrgas her

Die aus Sicht des Kartellamts mangelnde Bereitschaft des Eon-Konzerns, Beteiligungen an regionalen Gasversorgern zu verkaufen, hat den Ausschlag bei der Entscheidung der Behörde gegeben, Eon die Übernahme von Ruhrgas zu untersagen.

"Das Kartellamt hat vor allem die Abgabe der Thüga-Beteiligung verlangt", hieß es in Kreisen der beteiligten Unternehmen. Dazu war Eon jedoch nicht bereit. Eon ist bisher überwiegend in der Regionalversorgung tätig. Mit Ruhrgas, der größten deutschen Ferngasgesellschaft, würde der Konzern das Geschäft auf die Großhandelsstufe ausweiten und damit die Regionalversorger bedienen. Hier verfügt Ruhrgas über rund 60 Prozent Marktanteil. Als Regionalversorger nennt Eon einen Marktanteil von 38 Prozent in Deutschland bei einem Absatz von 350 Terawattstunden.

An der Münchener Thüga hält Eon 57,3 Prozent. Die Thüga-Gruppe ist an mehr als 100 Energieversorgern im gesamten Bundesgebiet beteiligt. Überwiegend handelt es sich dabei um Minderheitsanteile. Thüga versorgt 3,5 Millionen Haushalte mit Gas und eine Million mit Strom. Ihr Gasabsatz liegt bei rund 200 Terawattstunden. Eon hatte lediglich angeboten, Minderheitsbeteiligungen an Bayerngas und der Berliner Gasag AG sowie an der Ostdeutschen Ferngasgesellschaft VNG abzugeben.

Eon hatte das Versorgergeschäft zuletzt durch Zukäufe ausgeweitet. Vor knapp einem Jahr erwarb der Konzern die Mehrheit am Hamburger Versorger Heingas. Beteiligungen bestehen ferner an Avacon, Schleswag und einer Reihe weiterer Gasversorger.

"Sehr enge Marktbetrachtung"

Die Kartellbehörde hat bei ihrer wettbewerbsrechtlichen Bewertung die regionalen Märkte in Deutschland betrachtet und eine marktbeherrschende Stellung durch die Eon-Beteiligungen in zahlreichen Regionen festgestellt. Eon akzeptiert die "sehr enge Marktbetrachtung" nicht, sagte ein Firmenkenner. "Die regionale Markbetrachtung lässt außer Acht, dass die Liberalisierung bereits zu starkem Wettbewerb im deutschen und europäischen Gasmarkt geführt hat", heißt es in einer Eon-Mitteilung. Energie-Analysten sagten dagegen, der Ansatz des Kartellamtes sei angesichts weitgehend fehlender Möglichkeiten der Konkurrenten, Gas durch die bestehenden Netze zu leiten, "durchaus nachvollziehbar". Auch die Vereinigung der industriellen Kraftwirtschaft (VIK) hat die unzureichende Marktöffnung bei Gas kritisiert.

Kartellamtschef Ulf Böge begründet die Untersagung voraussichtlich weiter damit, dass die Verbindung von Eon und Ruhrgas in der Phase der beginnenden Liberalisierung auf dem Gasmarkt die beherrschende Marktstellung des größten Anbieters zementiert. Wettbewerbern werde der Einstieg so von vornherein erschwert. Dies hatte Böge Anfang Dezember zur Begründung seiner Abmahnung erklärt.

Auf der Ferngas-Stufe beträgt der Ruhrgas-Marktanteil in Deutschland 60 Prozent. Keine andere Gesellschaft hat Zugang zu allen internationalen Bezugsquellen in Russland, Norwegen, den Niederlanden und Großbritannien.

Auswirkungen auf Stromerzeugung

Das Amt in Bonn fürchtet auch Auswirkungen auf die Stromerzeugung. Erdgas wird zunehmend als Brennstoff für Kraftwerke eingesetzt. Ein maßgeblicher Einfluss von Eon auf den marktbeherrschenden Lieferanten Ruhrgas würde die starke Position des Versorgungskonzerns Eon auch als Industriestromlieferant festigen.

Bei VNG in Leipzig ist Ruhrgas zudem bereits mit 37 Prozent beteiligt. Das Kartellamt hatte auch die Addition der Anteile auf 42 Prozent am VNG-Kapital kritisch angemerkt. Insgesamt gibt es lediglich vier deutsche Ferngasgesellschaften, neben Ruhrgas und VNG noch BEB (Shell, Esso) und Wingas (BASF, Gasprom).

Die Untersagung der Ruhrgas-Übernahme kann zur Hürde für die geplante Tankstellenfusion von BP und Aral werden. "Diese Transaktion kann in Gefahr geraten", hieß es in Kreisen der beteiligten Unternehmen. Vereinbart ist, dass BP seine Anteile am Ruhrgas-Großaktionär Gelsenberg (25,5 Prozent) abgibt. Im Gegenzug soll BP die Eon-Tochter Veba Oel mit der Tankstellenkette Aral erhalten. Beide Vorgänge seien in zwei Verträgen vereinbart, damit bestehe formalrechtlich kein Junktim. Eon war bisher davon ausgegangen, dass ein Barausgleich möglich sei, falls der Beteiligungstausch nicht zu Stande kommt. Daran seien jetzt jedoch Zweifel aufgekommen.  

21.01.02 06:20

95441 Postings, 8481 Tage Happy EndE.On bittet um Ministererlaubnis für Ruhrgas

Einspruch des Kartellamts wegen zu grossen Marktanteils

Der deutsche Energiekonzern E.On hat am Wochenende angekündigt, dass er eine Ausnahmeerlaubnis der Regierung zur Übernahme des Gasverteilers Ruhrgas beantragen will. Das Kartellamt hat die Übernahme abgelehnt, weil E.On in der Folge rund 60 Prozent des deutschen Gasmarktes kontrollieren würde.

Der Energiekonzern E.On hat am Samstag erklärt, dass er eine Ministererlaubnis zur Übernahme der Essener Ruhrgas AG beantragen wolle. Die Erklärung erfolgte postwendend, nachdem das Bonner Kartellamt die Übernahme abgelehnt hatte. Die deutschen Wettbewerbshüter sehen in der Verschmelzung der bereits an einigen regionalen Gasbetrieben beteiligten E.On mit der Ruhrgas, die auf der Grosshandelsstufe und im Import dominierend ist, eine zu starke Machtkonzentration. Beide Unternehmen zusammen würden einen Anteil am deutschen Gasmarkt von rund 60% erreichen. Der Düsseldorfer Energiekonzern hält eine allein auf den nationalen Markt gerichtete Betrachtung dagegen für zu eng. Er verweist auf die Liberalisierung des europäischen Gasmarktes und eine verbesserte Wettbewerbsposition der deutschen Energiewirtschaft auf diesem Markt. Der Anteil der Ruhrgas am europäischen Markt wird auf rund 15% geschätzt.

Globale Position im Visier

Verschiedene Stellungnahmen von Regierungspolitikern lassen vermuten, dass die Sichtweise der E.On in Berlin geteilt wird. Vor allem Wirtschaftsminister Werner Müller, der vor seiner politischen Karriere Manager des Düsseldorfer Energiekonzerns war, hat sich wiederholt für eine globale Position der deutschen Versorger ausgesprochen. Presseberichte wollen sogar schon von einer geheimen Zusage des Bundeskanzlers an E.On-Chef Ulrich Hartmann wissen. In der deutschen Nachkriegsgeschichte ist eine Ministererlaubnis, mit der ein Verbot des Kartellamts aus dem Weg geräumt wird, bereits 16-mal beantragt worden. In sechs Fällen wurde dem Antrag stattgegeben.

Im E.On-Fall gibt es eine besondere Komplikation. Dem parteilosen Wirtschaftsminister Müller, der in der rot-grünen Koalition nur mit mässigem Erfolg gewirkt hat, wird nämlich nachgesagt, dass er nach den Parlamentswahlen im kommenden September wieder eine führende Position in der Energiewirtschaft anstrebe. Der Minister gilt daher als befangen. Er müsste seine Befugnis zur Sondergenehmigung an einen Kabinettskollegen delegieren. Zudem regte sich bei der Regierungsfraktion der Grünen am Wochenende bereits Widerstand gegen die geplante Konzentration am Gasmarkt. Ein Sprecher der Partei erklärte, mit dem Zusammenschluss würden die Verhältnisse am deutschen Energiemarkt unbeweglicher als in den alten Zeiten der Gebietsmonopole.

Fahrplan zum Ruhrgas-Erwerb

E.On will zunächst von BP die Gelsenberg-Holding erwerben, die gut 25% an Ruhrgas hält. Es handelt sich dabei um ein Tauschgeschäft, in dessen Gegenzug der britische Ölmulti die Veba Öl mit dem grössten deutschen Tankstellennetz unter der Marke Aral übernimmt. Die Verschmelzung von Aral und BP wurde vom Kartellamt unter Auflagen bereits Anfang Januar genehmigt. Nach dem nun zunächst blockierten Gegengeschäft mit Gelsenberg will E.On in einem ebenfalls bereits beim Kartellamt angemeldeten zweiten Schritt die Mehrheit an der Bergemann- Holding aufkaufen, die zurzeit noch im Besitz der Ruhrkohle AG (RAG) und einer Reihe von Industriekonzernen liegt. Bergemann hält 34% an Ruhrgas, so dass E.On nach beiden Schritten auf knapp 60% am grössten deutschen Gasversorger käme. Die restlichen Anteile der Ruhrgas, die im Jahr 2000 mit 9500 Beschäftigten einen Umsatz von 10,5 Mrd. Euro und einen Reingewinn von 400 Mio. Euro erzielte, werden - über Zwischenholdinggesellschaften - von Exxon, Shell und Preussag gehalten.  

21.01.02 06:24

95441 Postings, 8481 Tage Happy EndEine Erlaubnis mit vielen Bedenken

Es gibt viele gute Gründe, dem Energieriesen Eon die Übernahme des Gasversorgers Ruhrgas zu genehmigen: Nur mit der Übernahme von Ruhrgas kann Eon eine Marktposition erreichen, die das Unternehmen in Zukunft im europäischen Wettbewerb bestehen läßt. Denn im Verteilungsnetzbereich bei Gas und Strom wird es in Europa einen Wettbewerb geben, in dem nur große Unternehmen überleben können. In Nord und Süd formieren sich derzeit solch große Unternehmen - oder bestehen bereits. Von dieser, der europäischen Perspektive her betrachtet, ist das Vorhaben kein Problem.

Dann gibt es allerdings noch die zweite Dimension der Sache. Die hat den Kartellamtspräsidenten auf den Plan gerufen. Eon und Ruhrgas haben nämlich in ganz Deutschland eine Menge an Minderheitsbeteiligungen bei Strom und Gas und damit großen Einfluss auf lokaler und regionaler Ebene. Wenn aber der Großverteiler auch im Einzelhandel eine dominierende Rolle spielt, ist der Wettbewerb in Gefahr.

Und dann gibt es noch die dritte, die sehr persönliche Seite der Geschichte: Der deutsche Wirtschaftsminister will die Übernahme per Ministererlaubnis durchwinken, wenn das Kartellamt bei der Genehmigung bockt. Minister Werner Müller war in einem früheren Leben Manager bei der Veba, dem Vorgängerunternehmen von Eon. Und man sagt ihm nach, dass er in seinem Leben nach der Politik wieder Energiemanager werden will.

Die Übernahme muss genehmigt werden. Den Bedenken des deutschen Kartellamtes muss dabei Rechnung getragen werden. Und das heißt, dass der Wirtschaftsminister sich in den kommenden Tagen so verhalten muss, dass Erinnerungen an seine Zeit vor dem Amtsantritt und Spekulationen über seine Zeit nach den kommenden Bundestagswahlen vermieden werden: Er kann die Ministererlaubnis erteilen. Er muss mit dem Bundeskartellamt zusammen Auflagen für die Übernahme von Ruhrgas erarbeiten. Und er muss - zur Not per Gesetz - dafür sorgen, dass der Wettbewerb im Gasmarkt und auch im Strommarkt in Deutschland endlich in Gang kommt.  

Der Tagesspiegel
 

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