Irrational ist auch, dass die Knappheit durch Ressourcenverschwendung erreicht wird: Dafür wird die Buchhaltung der Bitcoins-Transaktionen künstlich erschwert. Es ist eine Lotterie, bei der die Knoten, die mehr Rechenzeit einbringen, bessere Chancen auf den Erhalt von neuen Bitcoins haben. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Megawatts bereits in Bitcoins gesteckt wurden - völlig unnötig. Es ist aber noch schlimmer mit den neuen Bitcoin- und Litecoin-Klonen. Die taufrischen Währungen werden erst publik gemacht, wenn bereits jemand vorher einige Millionen digitale Münzen für sich selbst geprägt hat. Die jungfräuliche Konvertiten zahlen dann die Zeche: Sie tauschen echtes Geld gegen Spielgeld. So geschieht es mit MegaCoins (die bereits 18 Millionen Dollar wert sein sollen) und anderen verwandten Entwürfen, die eher Pyramidensystemen ähneln. Wie werden aber solche irrsinnigen Marktkapitalisierungswerte erreicht? Hier ist das Rezept. Es wird eine künstliche Obergrenze für die Anzahl der digitalen Münzen gesetzt, z.B. 15 Millionen. Die Gründer der neuen Währung, die keine großartigen Programmierkenntnisse benötigen, da sie einfach eine schon existierende Währung klonen, erzeugen die ersten Transaktionen und schürfen die ersten 3 Millionen Münzen. Dann wird das Publikum eingeladen, sich am neuen "Investitionsmechanismus" zu beteiligen. Zahlen ein paar Leute einen Dollar für eine solche digitale Münze (da ein Dollar nicht weh tut), ist die Marktkapitalisierung augenblicklich auf 3 Millionen Dollar gestiegen, obwohl die tatsächliche Anzahl der täglichen Transaktionen minimal bleibt. Die theoretische Marktkapitalisierung ist deswegen rein fiktiv: Würden alle Besitzer der neuen Coins versuchen, sie zu realisieren, würde der Wechselkurs ins Bodenlose stürzen. Aus Nichts wird Nichts. Mit den Bitcoins geschieht etwas Ähnliches. Das geschätzte tägliche Transaktionsvolumen beträgt etwa einhunderttausend Bitcoins (aus 12 Millionen, die vorhanden sind). Das ist weniger als ein Prozent aller Bitcoins. D.h. die meisten Bitcoins sitzen einfach in den Wallets ihrer Besitzer und warten. Nur wenige Bitcoins werden im Vergleich zu den vorhandenen jeden Tag verkauft und gekauft. Das System ist auf den Zufluss von immer neuen neugierigen bzw. naiven Investoren angewiesen. Als die Chinesen mangels Investitionsalternativen bei den Bitcoins eingestiegen sind, ist der Wechselkurs explodiert. Wenn jemand mit Bitcoins Geld transferieren will, ist der Wechselkurs relativ unwichtig, solange die Transaktionen schnell erfolgen. Man kaufe Bitcoins in China für je 1.000 Dollar pro Bitcoin, transferiere das Geld in die USA, und wenn in 30 Minuten jedes Bitcoin immer noch 950 Dollar bei einem Händler in den USA einbringt, hat sich die Sache gelohnt. Der Verlust hält sich in Grenzen und der momentane Wechselkurs ist für die Gesamttransaktion unerheblich, solange er relativ stabil bleibt (oder sogar ansteigt). Dasselbe gilt, wenn man im Kasino spielt. Man tausche 100 Euro und wette damit in einem Bitcoin-Kasino. Wenn man verliert, ist das Geld einfach weg. Wenn man das Geld verzehnfacht, kann man wieder umtauschen und schon wieder war der Wechselkurs unerheblich. Für Geldwäsche oder Wetten ist der Wechselkurs praktisch bedeutungslos. Daraus ergibt sich aber die fantastische Marktkapitalisierung der Bitcoins. Anders gesagt: deren Wechselkurs ist mehr ein Produkt des Zufalls als Ausdruck eines echten intrinsischen Wertes. Vielleicht ist der große Verdienst der neuen digitalen Währungen gerade, dass sie diese Logik des schnellen Reichtums aus dem Nichts ad absurdum führen. Jetzt gründet jeder seine Bank im Schlafanzug auf dem Bett liegend. Jemand hat deswegen bereits die "Ponzicoins" vorgeschlagen, von denen es nur eine gibt, im Besitz des Erfinders. Jeder ist eingeladen einen Teil davon zu kaufen, um schon wieder eine großartige neue digitale Währung zu starten.
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