06.09.11 14:21 dpa-AFX: ROUNDUP/Gutachten: Hessen muss Fusion der Börse mit NYSE verbieten FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Fusion mit der New Yorker Börse NYSE Euronext ist nach Überzeugung des Betriebsrates der Deutschen Börse <63DU.ETR> noch nicht in trockenen Tüchern. Denn nach einem am Dienstag in Frankfurt vorgelegten Gutachten des Magdeburger Rechtsexperten Ulrich Burgard habe die hessische Börsenaufsicht gar keine andere Wahl, als den Zusammenschluss zu verbieten. 'Es gibt mithin nicht nur hinreichende, sondern zwingende Gründe für eine Untersagung', sagte Burgard. Der Betriebsrat kämpft seit Monaten gegen den Plan. Er befürchtet einen Stellenabbau und einen Bedeutungsverlust des Finanzplatzes Frankfurt.
Die beiden Unternehmen wollen sich zum weltgrößten Börsenbetreiber zusammenzuschließen. Kunden und Emittenten sollen von einer höheren Effizienz und niedrigeren Kosten profitieren. Beim Dax-Unternehmen nahm man das Papier zur Kenntnis: 'Es gehört zu den Rechten des Betriebsrates, derartige Parteigutachten verfassen zu lassen.' Die Konzerne rechnen nach den Angaben weiter bis zum Jahresende mit der Genehmigung durch die EU-Kartellbehörde in Brüssel.
Burgard baut seine Argumentation unter anderem darauf auf, dass die Deutsche Börse kein 'gewöhnliches Privatunternehmen' sei. Sie sei vielmehr vom Land Hessen nur beauftragt worden, die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) zu betreiben und damit Staatsaufgaben wahrzunehmen. 'Und die FWB ist eine nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.' Sie könne sich nicht einmal eigenverantwortlich einen Bleistift kaufen und sei auf 'Gedeih und Verderb' auf ihren Träger, die Deutsche Börse, angewiesen.
Deshalb habe das Unternehmen die Pflicht, die Börse fortzuentwickeln und Konflikte zwischen den Interessen von Aktionären und Öffentlichkeit zu verhindern. Das sei mit der Fusion aber nicht möglich. Die für den Zusammenschluss gegründete Holding werde zwar in den Niederlanden sitzen, sie habe aber überwiegend US-amerikanische Aktionäre und werde von New York aus wie ein amerikanisches Unternehmen geleitet.
Burghard ist auch wegen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zulasten der Frankfurter überzeugt: 'Im Konzerninteresse dürfte das herrschende Unternehmen, die Alpha Beta Netherlands Holding NV, der Deutschen Börse auch nachteilige Weisungen erteilen und die Deutsche Börse daher nach Belieben schädigen.' Es bestehe die Gefahr, dass das Frankfurter Unternehmen finanziell ausgetrocknet werde. Damit würde die Eurozone ihre einzige international bedeutende eigenständige Börse verlieren. An dem neuen Unternehmen soll die deutsche Seite zwar 60 Prozent halten, Konzernchef wird jedoch NYSE-Lenker Duncan Niederauer.
Sollte die hessische Aufsichtsbehörde dem Zusammenschluss zustimmen, könne der Betriebsrat dagegen nicht mehr vorgehen. Folgen die Kontrolleure hingegen seiner Argumentation, würde das Tauschangebot für die Anteilseigner erlöschen, sagte Burgard. Die Aktionäre hatten die Offerte mit großer Mehrheit angenommen.
Der Betriebsrat lehnt die Fusion zur Megabörse ab, weil er die Verlagerung der Konzernführung nach New York und den Verlust von Arbeitsplätzen in Deutschland fürchtet. Burgard glaubt unter Hinweis auf Erfahrungen aus dem Zusammenschlusses zu den Euronext-Börsen, dass die Deutsche Börse mit der Fusion die Hälfte aller Arbeitsplätze streichen könnte. Damit wären weltweit mehr als 1500 Mitarbeiter betroffen, darunter etwa 750 in der Region Frankfurt. Herbert Bayer , Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, sagte, an der Tätigkeit der Börse hingen viele Arbeitsplätze in Frankfurt - nicht nur bei Banken, sondern auch im Bereich Beratung oder in Anwaltskanzleien./hqs/DP/stb
Finanzielle Probleme lassen sich am besten mit anderer Leute Geld regeln. (J. Paul Getty) ----------- Finanzielle Probleme lassen sich am besten mit anderer Leute Geld regeln. (J. Paul Getty) |