Antisemitismus Der Begriff "Antisemitismus" wurde 1879 von Wilhelm Marr geprägt. In diesem Jahr erschien seine Hetzschrift "Der Sieg des Judentums über das Germanentum". Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff "Semitenfeindschaft", diese Feindschaft richtet sich aber ausschließlich gegen Juden. Das Phänomen des Antisemitismus reicht Jahrtausende zurück: Seit ihrer Zerstreuung in alle Welt nach der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n.Chr. durch römische Truppen und der arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert bildeten die Juden allerorts ziemlich wehrlose Minderheiten, die dennoch ihren kulturellen und religiösen Traditionen treu blieben. Sie bildeten oftmals homogene Gemeinschaften in der Diaspora und wurden so leicht zu Opfern von Angriffen ("Sündenbockfunktion"). Daneben gab es im Christentum einen ausgeprägten Antijudaismus, da sich die Juden nicht bekehren lassen wollten. Diese Judenfeindschaft schlägt sich auch im christlichen Schrifttum nieder und findet so ihre Tradierung über die Jahrhunderte hinweg. Besonders im fanatisierten Klima der Kreuzzüge (11.-13. Jahrhundert) kommt es zu schweren Ausschreitungen gegen die "Christusmörder". So sind viele Fälle überliefert, wo es unmittelbar vor Beginn eines Kreuzzuges zu Massenmorden an den Juden kam und ganze Gemeinden ausgelöscht wurden (z.B. Rouen, Troyes, Metz, Speyer, Mainz). Gottfried von Bouillon und sein wildes Kreuzfahrerheer richtete nach einmonatiger Belagerung von Jerusalem ein entsetzliches Blutbad unter der jüdischen Bevölkerung an und ließ sie alle bei lebendigem Leibe verbrennen.
Sie wurden beschuldigt, Brunnen zu vergiften und für den Ausbruch des "Schwarzen Todes", der Pest, machte man sie ebenfalls verantwortlich. Vorwürfe wurden gegen Juden erhoben, sie hätten angeblich den Hussiten-Aufstand gegen die Katholiken in Böhmen finanziert und als die Mongolen in Deutschland einfielen, hieß es, diese wären Abkömmlinge der "Zehn verlorenen Stämme Israels". Mit der Französischen Revolution kommt es erneut zu antijüdischen Ressentiments, werden sie doch in Personalunion mit dem Freimaurerbund der Illuminaten als Befürworter der Aufklärung für den Ausbruch der Revolution verantwortlich gemacht. Unter Napoleon heißt es dann, dieser würde die Juden mit besonderen Privilegien ausstatten, nachdem er zur Erörterung des "jüdischen Problems" ein "Sanhedrin" einberufen ließ. Das "jüdische Problem" war vor allen Dingen die Überschuldung französischer Bauern, die im Verlauf der Französischen Revolution vom Adel und Klerus konfiszierte Besitzungen erworben hatten und deshalb Darlehen bei jüdischen Geldleihern aufgenommen hatten. Die Revolution brachte nicht vorhergesehene hohe Steuerbelastungen und eine Geldentwertung mit sich und die Folgen wurden nunmehr den jüdischen "Wucherern" angelastet. In der Zeit tauchen dann auch vermehrt antijüdische Schriften und Flugblätter in Frankreich auf.
Dass die Juden dann auch für den Ausbruch der Russischen Revolution verantwortlich gemacht wurden, lag an der Propaganda der Russisch-Orthodoxen Kirche, die in den Juden einen Feind des Christentums und des Zaren zu erkennen glaubten. Als Folge dieser Kampagne kommt es in den Jahren 1881-82 sowie 1905 zu schrecklichen Pogromen an Juden. Dabei wurde die Stimmung gegen Juden vor allem mittels der sog. Ritualmordlegende angeheizt. Die Juden, so wird behauptet, würden unschuldige Christenkinder ermorden, um an das Blut zu kommen, welches sie angeblich für ihre geheimen Riten bräuchten. Wer sich ein wenig mit dem Judentum befasst hat, weiß jedoch, wie abwegig diese Behauptungen sind, da Blut im Judentum als unrein gilt und der Kontakt nach Möglichkeit zu meiden ist. Schon im Mittelalter kam es aufgrund dieser Ritualmordlegenden zu vielen Pogromen, Folterungen durch die Inquisition und zu Morden an Juden.
Der zaristische Geheimdienst, die "Ochrana", ist auch für die Herstellung eines der zählebigsten und infamsten antisemitischen Pamphlete verantwortlich, die "Protokolle der Weisen von Zion".
Die antisemitischen Hetzschriften und Übergriffe im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt viele Juden einen Ausweg in der Assimilation suchen, welche in den meisten Fällen mit der Abkehr vom religiösen Judentum und der Taufe einhergeht. Bezeichnend für die Zeit ist das Bemühen von wissenschaftlichen Kreisen, die dem Umfeld der "Völkischen Bewegung" angehören, dem antisemitischen Ressentiment und Hass ein quasi wissenschaftliches Gewand zu verpassen. Ausgehend von Arthur Gobineau werden Juden nunmehr als eigene "Rasse" betrachtet. Diese Denkweise wird später von den Nationalsozialisten übernommen und führen über die Diffamierung, Entrechtung und Enteignung geradewegs zur industriell organisierten Massenvernichtung der Juden in den Vernichtungslagern. Um in der Bevölkerung eine Zustimmung zu den antijüdischen Maßnahmen zu erlangen, wird in Publikationen, durch das Radio, vor allem aber durch das Medium Film das Bild des "häßlichen Juden" gezeichnet. Hier sei vor allem der Film "Jud Süß" von Veit Harlan erwähnt. Hitler hat bereits in frühen schriftlichen Äußerungen dargelegt, dass er in seinem Hass gegen Juden deren völlige Entrechtung und Vernichtung anstrebt. In einem Brief vom 16. September 1919 formuliert er auf die Bitte des Generalstabsoffiziers Mayr seine Gedanken zur "Judenfrage":
"Der Antisemitismus aus rein gefühlsmäßigen Gründen wird seinen letzten Audruck finden in der Form von Progromen (sic!). Der Antisemitismus der Vernunft jedoch muß führen zur planmäßigen gesetzlichen Bekämpfung und Beseitigung der Vorrechte der Juden, die er zum Unterschied der anderen zwischen uns lebenden Fremden besitzt (Fremdengesetzgebung). Sein letztes Ziel aber muß unverrückbar die Entfernung der Juden überhaupt sein."[1] Im Jahre 1934 wurde in enger personeller und finanzieller Verbindung mit dem Propagandaministerium in Berlin das Institut zum Studium der Judenfrage gegründet. Mit Rücksicht auf die arabischen Länder, wurde das Institut im Februar 1942 in "Antijüdische Aktion" umbenannt.
Der aktuelle Antisemitismus beruft sich in weiten Teilen auf das Schriftgut der "Völkischen Bewegung" und des Nationalsozialismus. Dabei sind antisemitische Ressentiments nicht nur aus rechten Kreisen zu vernehmen. Der linke Antisemitismus benutzt dafür gerne die Vokabel "Antizionismus". Unterzieht man die Vorhaltungen einer näheren Untersuchung, so wird offenbar, dass sich die Kritik gegen alle Juden richtet und vor allem gegen das Existenzrecht der Juden in Israel. Neben ultrarechten christlich-religiösen Kreisen in den Vereinigten Staaten pflegen in den vergangenen Jahren vor allem Anhänger der "Esoterik" einen Antisemitismus, der den Juden vorwirft, mittels einer "Weltverschwörung" eine "Ein-Welt-Regierung" errichten zu wollen. In diesem Dunstkreis tauchen immer wieder die alten Talmudfälschungen des August Rohling auf, die "Protokolle der Weisen von Zion" sowie die antisemitischen Schriften von Theodor Fritsch und Henry Ford. Für deren Verbreitung und Neuauflage sind neben dezidiert rechtsextremen politischen Gruppen auch esoterisch-verschwörungstheoretisch orientierte Autoren wie Jan van Helsing, Gary Allen und Des Griffin verantwortlich.
Der Antisemitismus äußert sich meist in aggressiver verbaler Form, durch Schändungen jüdischer Grabstätten, aber verschiedentlich auch durch Brandanschläge (z.B. der zweimalige Anschlag auf die Synagoge in Lübeck) und Gewalt gegen Personen. Bei Friedhofsschändungen steht die Bundesrepublik im europäischen Vergleich weit vorne. Die Aufklärungsquote ist bei diesem Delikt hingegen erschreckend gering.
Zu einer Fülle von antisemitischen Unterstellungen führen die Entschädigungsforderungen ehemaliger Zwangsarbeiter. Auch hier dienen "die Juden" als Zielgruppe, obwohl eben nicht nur Juden zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören, sondern viele ehemals verschleppte nichtjüdische Personen aus den Ostgebieten. (Zwangsarbeit) Als bekannt wird, dass sich viele Schweizer Bankhäuser an den sog. nachrichtenlosen Vermögen schadlos gehalten und keinerlei Anstrengungen unternommen hatten, mögliche Erben ausfindig zu machen, darüberhinaus jüdische Organisationen seit 1945 in solchen Bemühungen blockierten, hat die Öffentlichmachung dieser Fakten eine Fülle antisemitischer Äußerungen zur Folge. In zwei Interviews bezeichnete Bundesrat Jean Pascal Delamuraz jüdische Forderungen an Schweizer Banken als "Lösegeld-Erpressung". Auch Christoph Blocher, Chef der xenophoben Schweizerischen Volkspartei SVP und Gründer der "Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz" (AUNS), bedient antisemitische Klischees.
Ein besonders militanter Antisemitismus macht sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Rußland breit, weshalb die Ausreise von Juden ungebrochen anhält. Auch in Rumänien werden zunehmend Minderheiten, darunter die Juden diffamiert. Besonders tun sich darin mehrere Gruppen hervor, die sich auf die "Legion Erzengel Michael" berufen, einer Gründung des rumänischen Faschisten Corneliu Codreanu.
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