QIAGEN UND THERMO FISHER
Der größte Deal der Biotech-Branche
VON JONAS JANSEN, DÜSSELDORF
AKTUALISIERT AM 04.03.2020
- 16:56


Thermo Fisher aus Amerika will Qiagen aus Hilden kaufen. Das Angebot kommt in einer unruhigen Zeit für den größten deutschen Biotechnologiekonzern.
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Die Forscher des Diagnostikunternehmens Qiagenhaben gerade einen neuen Schnelltest auf den Markt gebracht, der Atemwegserkrankungen wie das Coronavirus binnen einer Stunde erkennen soll. Er wurde schon am Pariser Flughafen getestet und wird nun, nach Zulassungstests, wohl bald in mehreren Ländern ausgerollt. Die steigende Nachfrage nach solchen Tests hat dem Aktienkurs des Biotechnologieunternehmens Schwung gegeben. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass solche Entwicklungen in Zukunft nicht mehr aus Hilden in Nordrhein-Westfalen, sondern aus Waltham im amerikanischen Massachusetts vorangetrieben werden. Dort betreibt Qiagen einen Standort, doch sitzt an gleicher Stelle mit Thermo Fisher Scientific ein viel größerer Molekulardiagnostikkonzern. Und der hat seine Fühler nach Qiagen ausgestreckt.
Am Dienstag haben beide Unternehmen mitgeteilt, dass der amerikanische Konzern das deutsch-niederländische Biotechnologieunternehmen für rund 11,5 Milliarden Dollar übernehmen will, inklusive 1,4 Milliarden Dollar Verbindlichkeiten. Thermo Fisher will den Aktionären 39 Euro je Aktie zahlen, was einen Aufschlag von 23 Prozent gegenüber dem Schlusskurs von Montag bedeutet. „Der Zukauf gibt uns die Möglichkeit, unsere Innovations- und Forschungsfähigkeit zu stärken und zu beschleunigen“, sagte Marc Casper, der Vorstandsvorsitzende von Thermo Fisher, in einer Mitteilung. Das Unternehmen rechnet sich hohe Synergien aus, in den ersten drei Jahren sollen 200 Millionen Dollar zusammenkommen.
Kürzlich erst Übernahmeangebote ausgeschlagen
Thermo Fisher ist mit einem Umsatz von 25 Milliarden Dollar und einem Börsenwert von knapp 120 Milliarden Dollar deutlich größer als Qiagen, die zuletzt 1,5 Milliarden Euro umgesetzt haben. Für die Amerikaner ist der Fokus von Qiagen auf die Diagnostik und Reagenzien eine gute Ergänzung für das eigene Geschäft. Das Unternehmen aus Hilden, das vor bald 35 Jahren als Spezialist für DNA-Aufreinigung angefangen hatte, verdient sein Geld heute nicht nur mit der molekularen Diagnostik, sondern auch mit Verbrauchsmaterialien, die es für die Sequenzierung der Gewebeproben braucht. Das können Reagenzröhrchen sein, Pipetten oder spezielle Flüssigkeiten. „Der strategische Schritt mit Thermo Fischer bringt uns in eine neue, vielversprechende Ära und gibt unseren Mitarbeitern die Möglichkeit, eine noch größere Wirkung zu erzielen“, sagte Thierry Bernard, der als Interims-Konzernchef für Qiagen fungiert.

Bild: F.A.Z.
In dem Übernahmeangebot gipfelt ein monatelanges Hin und Her: Denn erst an Weihnachten hatte Qiagen eigentlich alle Übernahmeangebote ausgeschlagen und mitgeteilt, weiterhin eigenständig operieren zu wollen. Die Aktionäre von Qiagen sind in den vergangenen Monaten mit dem Unternehmen Achterbahn gefahren, weil gleich mehrere Nachrichten das Unternehmen durchgerüttelt hatten. Der langjährige Chef Peer Schatz kündigte im Oktober plötzlich an, das Unternehmen zu verlassen, gleichzeitig änderte Qiagen seine Strategie: wegen einer Partnerschaft mit dem amerikanischen Konkurrenten Illumina entwickelt Qiagen eine Gensequenzierungstechnologie nicht weiter, wodurch dem Unternehmen hohe Restrukturierungskosten entstanden sind. Statt eines Gewinns stand in der Jahresbilanz für 2019 ein Verlust, auch der Umsatz wuchs nicht so stark, wie es Analysten erwartet hatten. Mehrfach musste Qiagen im vergangenen Jahr die Prognose streichen.
Das wiederum führte dazu, dass der Kurs an der Börse um fast ein Fünftel einbrach, was den angeschlagenen Konzern im Herbst endgültig zu einem Übernahmekandidaten gemacht hatte. Tatsächlich teilte Qiagen Anfang November mit, „mit mehreren Interessenten“ Gespräche zu führen. Schon damals galt Thermo Fisher als aussichtsreichster Kandidat, der angesichts der eigenen Synergieeffekte einer Übernahme den wohl höchsten Preis zahlen könnte. In dieser Gerüchteküche kletterte der zuvor arg gebeutelte Kurs fast auf die 39 Euro, die Thermo Fisher nun für die Qiagen-Aktien bezahlen will. Am Dienstag stieg der Kurs des Biotechnologieunternehmens zeitweilig um gut 18 Prozent auf mehr als 37 Euro.
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