Artikel der Woche 09.05.2011 Claus Sauter „Der Energieträger der Zukunft ist Hühnermist“Der Vorstandsvorsitzende des Biokraftstoffherstellers Verbio AG über das Scheitern von E10, die bessere Alternative Biogas aus Reststoffen und erste Projekte bei Stadtwerken: Ein Bio-Erdgasfahrzeug soll so viel Kohlendioxid einsparen wie 40 Fahrzeuge, die mit E10 unterwegs sind. Hat die Politik hier auf das falsche Pferd gesetzt? E10 ist ein Produkt der Mineralölwirtschaft. Es gibt keinerlei Verpflichtung, E10 in den Markt zu bringen, sondern der Gesetzgeber lässt eine Zumischung bis max. 10 % Ethanol zu. Niemand verlangt, dass man die Biokraftstoffquote durch E10 erfüllt. Das ist aber nicht immer so konkret dargestellt worden. Nein, teilweise ist hier auch bewusst Fehlinformation von der Mineralölwirtschaft betrieben worden. Der Gesetzgeber schreibt nur eine Biokraftstoffquote von 6,25 % am Gesamtkraftstoffverbrauch vor. Wie dies praktiziert wird, lässt er weitestgehend offen. Die Mineralölwirtschaft behauptet, ohne E10 könne sie die Quote nicht erfüllen. Man hätte diese Quote aber auch erreichen können, indem man beispielsweise reinen Biodiesel verkauft. Aber das war von der Mineralölindustrie offensichtlich nicht gewünscht. Eigentlich sollte sich die effizienteste, einfachste und günstigste Möglichkeit durchsetzen. Und die ist nun mal Biogas. Die Vereinigung erdgas mobil fordert eine Anpassung des Biokraftstoffquotengesetzes. Ja. Mit dieser Dekarbonisierungsstrategie geht es nicht mehr um eine bestimmte Quote, sondern darum, die mit dem Kraftstoff-einsatz verbundenen CO2-Emissionen um einen bestimmten Prozentsatz zu reduzieren. Und hier würde dann der Riesenvorteil von Biogas mit 90 % CO2-Einsparung gegenüber Benzin voll durchschlagen.
Aber dies ist doch bereits gesetzlich verankert. Ja, das soll ab dem 1. Jan. 2015 so kommen. Im Koalitionsvertrag steht, dass dies vorgezogen werden soll auf den 1. Jan. 2013. Das fordern auch wir. Jeder redet über CO2-Reduktion in der Mobilität, aber es findet sich nirgendwo in den gesetzlichen Grundlagen. Die Industrie steht in den Startlöchern und der Gesetzgeber müsste dies nur noch umsetzen.
Sie sind auch Präsident des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Die EU plant eine Änderung der Kraftstoffbesteuerung. Passt hier der Zeitplan? Eine Kombination in der Besteuerung aus Energiegehalt und CO2-Emissionen ist absolut überfällig. Diesel und Benzin sind heute total widersinnig besteuert, denn dies geschieht nur über das Volumen. Ich kann auch hier wiederum nicht verstehen, weshalb die EU dies erst ab 2020 ändern will. Das muss eigentlich viel, viel früher geschehen.
Inwieweit würde dies die Chancen von Erd- oder Biogas als Kraftstoff verbessern? Erdgas ist heute bereits der günstigste und CO2-effizienteste Energieträger im Mobilitätsbereich. In Italien fahren schon 15 % der Fahrzeuge damit. Mit der Besteuerung nach CO2-Ausstoß kommt eine zusätzliche Dynamik in den Markt. Zudem kann man von heute auf morgen auf 100 % Biogas umstellen. Man ist dann sogar noch besser als bei der Elektromobilität in der Lage, wirklich über die gesamte Wertschöpfungskette eine CO2-neutrale Mobilität zu realisieren.
Bioethanol hat sich auch aufgrund scheinbarer technischer Schwierigkeiten bei den Fahrzeugen nicht durchgesetzt. Rechnen Sie bei Biogas mit ähnlichen Problemen? Nein, denn das Erd- und Biogasmolekül ist das gleiche. Es gibt keinen Unterschied in der Zusammensetzung. Das ist nicht so wie bei Ethanol und Benzin. Der Fehler, der bei E10 gemacht worden ist: Man hat einen neuen Kraftstoff an die Tankstelle gebracht und den Verbraucher nicht aufgeklärt. Das geht in Deutschland einfach nicht. Zudem sind diejenigen, die Erdgasfahrzeuge fahren, überwiegend von Haus aus gut informierte Verbraucher. Jeder, der ein Erdgasauto fährt und unser Verbiogas tankt, betreibt aktiven Klimaschutz, und das zum gleichen Preis.
Wie groß werden darüber hinaus die Steuervorteile sein? Die Kraftstoffkosten lassen sich heute bereits im Schwerlastbereich je nach Kilometerleistung zwischen 30 und 50 % reduzieren. Dieser monetäre Vorteil wird mit Umsetzung der Besteuerung auf Basis CO2-Effizienz noch steigen. Wie groß dieser genau ausfallen wird, kann man heute noch nicht sagen.
Wie wichtig ist es, dass Sie sich mit Ihrem Biogasprodukt von der aktuellen Tank-Teller-Diskussion absetzen? Wir haben hier die breiteste Rohstoffbasis und setzen voll auf agrarische Reststoffe. Wir müssen nicht Getreide für die Nahrungsmittelindustrie einsetzen oder Mais, sondern wir können Gülle, Mist, Stroh, Zuckerrübenblätter oder die Reste unserer Bioethanolproduktion verwenden. Alles Dinge, die heute ungenutzt auf dem Feld verbleiben oder wieder auf den Acker gefahren werden. Ich sage immer: Der Energieträger der Zukunft ist Hühnermist.
Wie groß ist denn das Rohstoffpotential? Innerhalb der EU 27 stehen zwischen 220 und 270 Mio. t agrarische Reststoffe zur Verfügung, dabei ist Mist und Gülle noch gar nicht berücksichtigt. Die Getreideernte der gesamten EU 27 betrug in 2010 rd. 273 Mio. t. Damit steht die gleiche Menge, die wir an Getreide ernten, noch einmal an agrarischen Reststoffen zur Verfügung.
Welche Rolle spielen die Transportwege? Die agrarischen Reststoffe, die wir für die Biogasproduktion einsetzen, sind nicht transportwürdig. In unseren Anlagen setzen wir Getreideschlempe aus unseren beiden Ethanolanlagen ein. Für die neuen Projekte sieht das so aus, dass das Einzugsgebiet nicht größer als 20 bis 30 km groß sein wird.
Werden Sie Ihre Kapazitäten in Deutschland weiter ausbauen? Wir bauen derzeit unsere beiden Anlagen in Schwedt und Zörbig auf insgesamt 130 MW aus. Allerdings gibt es in Deutschland mittlerweile bereits rd. 6 000 Biogasanlagen. Da ist ein weiterer Zubau sehr begrenzt.
Sie konzentrieren sich also auf das Ausland? Ja. Weitere Projekte haben wir in Verbindung mit großen landwirtschaftlichen Betrieben, hauptsächlich in Osteuropa. Dort stehen sehr viele agrarische Reststoffe zur Verfügung. Schwerpunktmäßig sind wir in Ungarn und Rumänien unterwegs. Ich gehe davon aus, dass wir bis Ende des Jahres mit der Umsetzung des ersten Projekts beginnen können. Um unser Biogas kostengünstig produzieren und anbieten zu können, brauchen wir bestimmte Skaleneffekte. Ich denke, dass in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden sind. Erneuerbare Energien müssen bezahlbar werden, sonst verlieren sie den gesellschaftlichen Rückhalt.
Sie verkaufen Ihr Biogas zum Erdgaspreis. An welchem Preis orientieren Sie sich hier? Wir orientieren uns am Grenzübertrittspreis für Erdgas und damit an dem Preis, über den die EVU das Gas von ihren Vorlieferanten beziehen.
Was sind Ihre konkreten Absatzziele? Wir sind heute in der Lage, rd. 25 % des Erdgases, das in die Mobilität geht, durch Biogas zu ersetzen. Unser Ziel ist, den heutigen Absatz von Erdgas als Kraftstoff bis 2015 in Deutschland komplett auf 100 % reststoffbasiertes verbiogas umzustellen – zumindest im kommunalen Bereich.
Reichen die Produktionskapazitäten hier überhaupt aus? Seit Anfang des Jahres verfügen wir über rd. 500 GWh jährlich. Bis 2015 wird die Produktion auf 2 000 GWh ausgebaut. Wir sind zudem mit der Erdgaswirtschaft und erdgas mobil im Gespräch, ein einheitliches Produkt in Deutschland an die Tankstellen zu bringen mit einem noch zu definierenden Biogas-Anteil.
Welche Rolle spielen bei Ihrer Vermarktungsstrategie Stadtwerke? Die Stadtwerke spielen für uns eine sehr wichtige Rolle, weil sie im städtischen Bereich mit ihren Erdgasfahrzeugen die Hauptnutzer sind. Wir brauchen als Point of Sale die Stadtwerke und ihre Stationen. Wir wollen gemeinsam mit ihnen für die bestehende Infrastruktur mehr Nachfrage generieren. Darauf richten wir unser Marketing und unsere Informationskampagne jetzt aus.
Welches Feedback kommt von der Kommunalwirtschaft? Das Interesse ist sehr groß. Wir sind mit vielen Unternehmen in Verhandlungen. Teilweise bestehen jedoch noch längerfristige Verträge mit Vorlieferanten.
Der Einsatz in der Mobilität ist nicht der effizienteste. Der Wirkungsgrad in der KWK ist höher. In der Mobilität brauchen Sie entweder flüssige oder gasförmige Energieträger. Für die Verstromung sollte eher feste Biomasse eingesetzt werden, da sich damit keine Mobilität betreiben lässt. Biogas zu verstromen halten wir deshalb für suboptimal. Im jeweiligen Segment wird sich das Produkt mit den spezifisch geringsten CO2-Vermeidungskosten durchsetzen. Rund 30 % unserer Produktion geht in Strom und Wärmeanwendungen.
Dort sind die Preise aber auch höher? Ja. Im Moment liegen sie für diese Nutzung bei rd. 6 ct pro kWh. Im Mobilitätssektor haben wir niedrigere Preise.
Seit April beliefern Sie im Kommunalbereich neben den Stadtwerken München auch die Stadtwerke Augsburg. Liegt dort der Biogasanteil auch bei 50 % wie in München? Nein, der Biogasanteil beträgt dort etwa ein Drittel. Aber Augsburg ist bei Erdgas als Kraftstoff mit einem Absatz von rd. 65 GWh pro Jahr auch sensationell gut aufgestellt. Zum Vergleich: In der Hauptstadt Berlin sind es etwa 100 GWh. Die Fragen stellte Michael Nallinger.
EnergiewendeBiogas viermal so teuer wie die fossile KonkurrenzDer Bund will die Einspeisung von Biogas in das Gasnetz bis 2020 vervielfachen. Die Netzagentur hält die Ausbauziele allerdings für „schwer erreichbar“. Das wäre ein Hindernis für die von der Bundeskanzlerin ausgerufene „Energiewende“.Von Andreas Mihm, Berlin 21. Juni 2011 2011-06-21 10:20:50 Die Bundesregierung wird die Ziele für die Einspeisung von Biogas in das Gasnetz bis 2020 aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erreichen, was ein Hindernis für die von der Bundeskanzlerin ausgerufene „Energiewende“ wäre. Diese Schlussfolgerung legt ein neuer Bericht der Bundesnetzagentur nahe. Nach dem Atomausstieg soll Gas in der Verstromung eine wachsende Rolle spielen; Biogas soll zugleich die Abhängigkeit vom Ausland senken. Steigt der Gasbedarf, ohne dass das heimische Angebot wächst, würde diese Abhängigkeit zunehmen, die Begrenzung des CO2-Ausstoßes wäre schwerer zu erreichen. In ihrem Bericht weist die Netzagentur nun darauf hin, „dass die gesetzlich festgelegten Ziele momentan nur schwer erreichbar scheinen“. Zwar begründe die für dieses Jahr erwartete Einspeisung von 440 000 Kubikmeter Biogas gegenüber den 270 000 Kubikmetern aus dem Vorjahr einen „positiven Trend“. Doch selbst wenn der Wert erreicht würde, wären das erst 7,3 Prozent jener 6 Milliarden Kubikmeter Biogas, die 2020 in das Leitungsnetz gepresst werden sollen. 2030 sollen es gar 10 Milliarden Kubikmeter sein, etwa ein Zehntel des heutigen deutschen Gasverbrauchs, den Dämmmaßnahmen und andere Effizienzsteigerungen bis dahin allerdings erheblich senken sollen. Auf dem Weg zur Energiewende: Biogasanlage im brandenburgischen Schwedt Der Grund für die schwache Entwicklung seien die unverhältnismäßig hohen Kosten für Biogas, heißt es in dem Bericht, der sich allerdings nicht auf die Anbieter bezieht, die Biogas direkt in Strom umwandeln. Matthias Kurth, Chef der Agentur, spricht von einer „erheblichen Diskrepanz zwischen den Produktionskosten von Biogas und den Marktpreisen für fossiles Erdgas“. Im Jahr 2010 hätten die Herstellungskosten für Biogas im Schnitt bei 6 Cent je Kilowattstunde gelegen, bei einer Streubreite von 1,3 bis 9,3 Cent je Kilowattstunde. Biogas sei viermal so teuer wie der direkte Konkurrent, das meist aus Russland, Norwegen und den Niederlanden eingeführte fossile Erdgas. Lagen die Kosten hierfür bei durchschnittlich 2,07 Cent je Kilowattstunde - an den Börsen nur 1,74 Cent - lag der Verkaufspreis für Biogas bei 8,1 Cent je Kilowattstunde. Staatlich subventionierte Anbau verschärfe den Hunger in der WeltBiogas biete, wenn es in das Erdgasnetz eingespeist werde, große Vorteile, sagt Kurth. Es könne gespeichert und auch zu entfernt liegenden Kraftwerken transportiert werden und damit künftig „einen wesentlichen Beitrag zur Verstetigung fluktuierender regenerativer Energiearten leisten“. Gaskraftwerke können sehr schnell an- und abgefahren werden. Mit Gas- und Dampfturbinentechnik ausgestattet, kommen sie zudem auf einen sonst nicht erreichbaren Wirkungsgrad. Biogas wird nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gefördert, und zwar fast nur zur Stromerzeugung. Wie hoch die Förderung im Einzelfall ausfällt, hängt davon ab, welche Stoffe der Landwirt zur Methanproduktion einsetzt („Güllebonus“) und wie viele Veredlungsstufen der Prozess durchläuft. Auch werden die Kosten für den Anschluss der Biogasanlage an das Gasnetz seit 2010 zu 75 Prozent (bis 10 Kilometer Länge) vom Netzbetreiber übernommen, der sie auf die Gaspreise umlegt. Diese „Wälzungskosten“ kletterten 2010 um mehr als das Doppelte auf 53 Millionen Euro. Die Regierung will die Förderung der Bioenergieerzeugung konzentrieren und kürzen. Sie reagiert damit auch auf die wachsende Zahl jener, die die Verwendung von Nahrungs- und Futtermitteln zur Energieerzeugung aus ethischen, umweltschützerischen und ökonomischen Gründen kritisieren. Zuletzt hatten mehrere internationale Organisationen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die OECD davor gewarnt, dass der staatlich subventionierte Anbau von Energiepflanzen die Nahrungsmittelpreise in der Welt treibe und den Hunger in der Welt verschärfe. Text: F.A.Z. Fazit: Verbio sollte ca. 2,07 Cent bekommen und wenn man da gut mit leben kann (siehe Interview) dann sollten die Prod.kosten im Bereich von 1,3 Cent/kwh liegen. Deckt sich mit den Aussagen der Analysten, wonach das EBIT bei ca. 40 % und EBITDA bei 50 % liegt! |