Ein Problem ist, dass die US-Märkte nicht allzu tief unter dem letzten ATH stehen. Es mehren sich in letzter Zeit Vorzeichen einer Rezession. Sollten die US-Indizes, auch wegen des Handelsstreits, deutlich fallen, z. B. erneut -20 % wie im Dezember oder diesmal auch mehr, würden auch DAX, MDAX und SDAX in Mitleidenschaft gezogen. Für Schaeffler könnte es wegen des dann drohenden SDAX-Ausverkaufs weiteren Kursdruck über den Index geben.
Nun zu den Chancen: Wegen des Abgasskandals in D. und Trumps Gepolter in Sachen Strafzölle (mMn viel heiße Luft!) haben die Kurse der deutschen Auto- und Zulieferer-Aktien in den letzten Jahren deutlich nachgegeben. So haben sich z.B. BMW und Daimler seit dem Hoch in 2015 schlichtweg halbiert (genau wie Schaeffler). VW fiel von 245 Euro in 2015 auf jetzt 145. Die Probleme scheinen mir inzwischen allerdings mehr als eingepreist. Bei einer Normalisierung dürften die Kurse eher wieder nach oben gehen.
Schaeffler steht wegen der boomenden Industriesparte noch vergleichsweise gut da: Der Umsatz ist in den letzten Jahren fast stetig gestiegen (Grafik unten). Das Eigenkapital (ganz unten) hat sogar sprunghaft zugenommen. Ein Problem ist die gesunkene Marge, die Rosenfeld jetzt erneute mit Sparprogrammen und teils mit Entlassungen wieder heben will. In der Industriesparte ist dies bereits mit dem CARE-Programm geglückt, dort stieg die Marge deutlich.
Die größte Chance aber besteht mMn darin, dass sich der gigantische Elektro-Hype im Automobilsektor als Blase entpuppt. Diesem Hype folgt jetzt z. B. auch VW relativ unkritisch (da drohen mMn große Fehlinvestitionen).
Zu diesem Hype kommt es u. a. wegen der großen Töne, die Elon Musk von Tesla pausenlos spuckt. Wahrnehmungsverzerrend wirkt auch die Entwicklung in China. Auf Kaderpartei-Beschluss gibt es dort nur noch E-Mobile als Neuwagen. Dafür bauen die Chinesen allerdings im Gegenzug auch 50 neue Atomkraftwerke, was zumindest ein Problembewusstsein dafür zeigt, dass der Ladestrom nicht einfach aus der Steckdose kommt. In D. und anderen westlichen Ländern wäre ein massiver Neubau von AKWs schlicht undenkbar.
Zetsche von Daimler hat im Gegensatz zu VW ein marktfolgende Strategie verfolgt. Er meint: Wenn E-Mobile stärker gefragt werden in D. (zurzeit werden trotz üppiger Förderung nur wenige verkauft), sollte die Industrie ihre Stückzahlen entsprechend noch oben anpassen. VW hingegen "rät", dass der E-Markt wohl boomen wird und stellt die Fertigung sozusagen "auf Verdacht" um. Dies macht teils auch Sinn, weil VW stark nach China exportiert. Aber wird es in der Restwelt außerhalb Chinas genauso laufen? VWs Strategie könnte sich rückblickend als visionär entpuppen, wenn das Ratespiel wie erwartet aufgeht. Anderenfalls könnte sich sich aber auch finanziellen Fiasko auswachsen.
Schaeffler liegt in der E-Mobil-Einschätzung eher auf der konservativen Zetsche-Linie, die ich für die vernünftigere halte. Das in vielen Artikeln wie z. B. gestern im Manager Magazin - MM) herbeibgeschriebene drohende "Ende" der klassischen Autoindustrie sehe ich nicht. Das MM stellt Schaeffler als Prototyp eines sterbenden Industrie-Schwans dar, der unflexibel und blind für die vermeintlichen neuen Realitäten seinem Untergang entgegensteuert. Dabei bringt dass MM ausschließlich Argumente von UBS-Analysten, die die bärischsten von allen sind und ein Kursziel von 6 Euro haben.
Die antizyklische Chance besteht mMn darin, dass sich der E-Hype mangels Nachfrage von allein entzaubert (dauert wohl noch ein bisschen) und sich dann die eher konservativen Erwartungen von Zetsche und Schaeffler bewahrheiten. Die wahren Sorgenkinder nach dieser Entzauberung wären dann diejenigen Firmen, die jetzt "visionär" bzw. "in vorauseilendem Gehorsam" allzu stark auf den E-Hype aufsatteln, also etwa VW. Auch gegen Tesla gibt es starke Argumente. Vor einigen Tagen haben US-Analysten für die Tesla-Aktie im "worst case" ein Kursziel von 10 Dollar genannt (aktuell 200).
Prozyklisches Denken kann Unternehmen schnell in den Ruin führen. So haben 2008, als die Frachtraten (Bulk) drastisch gestiegen waren (Verzehnfachung), viele deutsche Reeder neue Frachtschiffe bestellt, um am vermeintlichen Boom teilhaben zu können. Ein Jahr später jedoch waren die Frachtraten wieder unten und haben sich bis heute nicht recht erholt. Die Reeder kamen aber aus den Schiffsbestellungen nicht mehr raus (hätte hohe Vertragsstrafen zur Folge gehabt). So wurde der Markt trotz gefallener Frachtraten mit neuen Frachtern überschwemmt, und das Überangebot drückte noch stärker auf die Raten. Im Zuge dieser Entwicklung gerieten auch die Banken, die den Schiffs-Hype finanziert hatten (NordLB und HSH Nordbank) in existenzbedrohende Schieflagen. Der Staat musste garantieren und retten. Um den eigenen Finanzschaden klein zu halten, boten die Banken auch "Investoren" Schiffsbeteiligungen an, die "schöne Zinsen" (5 % und mehr) brachten, aber bald nahezu wertlos wurden (ein weiteres Kapitel aus der Tragödie "Der Kleinanleger als letzter Idiot").
Im Unterschied zum Schiffs-Hype, der 2008 immerhin fundamental mit stark gestiegenen Frachtraten einherging, ist beim E-Mobil-Hype zumindest in D. bislang aber keinerlei "Nachfrageexplosion" zu erkennen - und dies trotz üppiger staatlicher Förderung.
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Fundamental steht Schaeffler weit besser da, als es der gesunkene Kurs vermuten lässt. Die Diagramme unten stammen von Ariva
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