Immer ein Stück für Steinbrück Bleibt es bei den Plänen des Finanzministers zur Kapitalbesteuerung, kommen auf Aktionäre harte Zeiten zu. Der 31. Dezember 2008 wird ein Freitag sein. Ein heißer Tag an der Börse. Denn private Anleger werden sich kräftig mit Aktien und Fonds eindecken. Ein Freudentag, so viel steht fest, dürfte es dennoch nicht werden. Denn nach dem 31. Dezember 2008 könnte das Thema Aktie für manche Anleger erst einmal erledigt sein. Am Tag danach soll nach dem Willen der Regierung in Deutschland nämlich die Ära der Abgeltungssteuer starten. Altersvorsorgende, die ab diesem Tag Aktien kaufen, verlieren eine Menge Geld – Steuern an den Finanzminister. Nach einer Beispielrechnung des Bundesverbandes der Deutschen Investmentindustrie (BVI) könnte ein bis Dezember 2008 gestarteter Aktienfondssparplan mit 100 Euro Monatseinzahlung nach 30 Jahren etwa mit einem Endvermögen von rund 150000 Euro rechnen. Wer ein paar Tage später im Januar 2009 loslegt, muss mit über 32000 Euro weniger kalkulieren. Ab 2009 soll die neue Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent (plus Soli und Kirchensteuer 28,5 Prozent) in Kraft treten. Sie wird generell für alle Kapitalerträge wie Kursgewinne, Zinsen und Dividenden fällig und sie trifft vor allem Aktien. Die bislang nach einem Jahr Haltedauer steuerfreien Kursgewinne sollen dann auch für Langfristanleger voll besteuert werden. Selbst wenn man die geplante Senkung der Steuerbelastung auf der Unternehmensseite (von 25 auf 15 Prozent) einberechnet, also berücksichtigt, dass mehr Unternehmensgewinne zur Ausschüttung bereitstehen, beziehungsweise die Kurse treiben, bleibt ein exorbitanter Anstieg der steuerlichen Gesamtbelastung. Ein deutscher Sonderweg. „International verbreitet“, so der Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Investmentgesellschaften (BVI) Frank Bock, „ist eine Abgeltungssteuer nur auf Zinsen und Dividenden.“ „Viele privat Vorsorgende werden sich aus der Aktie als Teil der Altersvorsorge verabschieden“, fürchtet Jürgen Kurz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Zumal die Alternative – niedrig rentierende Festverzinsliche – eher von der Regelung profitieren. Zinserträge werden in Zukunft mit 25 anstatt wie bislang häufig mit 42 Prozent besteuert. Wenn in den Depots von Millionen die ertragsstärksten Elemente niedriger gewichtet werden, erwächst daraus auch ein gesellschaftliches Problem: „Schon jetzt haben deutsche Vorsorgedepots aufgrund ihrer Risikostruktur einen Renditenachteil von zwei Prozent etwa gegenüber amerikanischen Depots“, sagt Kurz. „Wenn jetzt die Aktienhaltung noch weiter diskriminiert wird, könnte eine Versorgungslücke von hunderten von Milliarden Euro entstehen.“
Die Chancen für eine Wende in letzter Minute stehen schlecht. Anfang Februar soll der Gesetzesentwurf für die Kapitalbesteuerung stehen. Es gibt es nur noch wenige offene Fragen, heißt es. Vergangene Woche glimmte zwischenzeitlich etwas Hoffnung auf, als über Pläne der Regierung berichtet wurde, wenigstens die Dividende von der vollen Besteuerung auszunehmen und stattdessen nur mit 60 Prozent zu besteuern. Dann wäre von einem Unternehmensgewinn (vor Steuern) etwa soviel Geld zur Besteuerung gekommen, wie bei den bislang gültigen Sätzen auf Unternehmens- und Privatebene. „Das Teileinkünfteverfahren“, findet der Steuerexperte des Deutschen Aktieninstitutes DAI, Gerrit Frey, „käme unseren Vorstellungen schon sehr entgegen.“ Das DAI hatte zuvor einen Abgeltungssatz von 18 Prozent als fair errechnet. Aber Peer Steinbrück zeigt den Anlegern wohl eine lange Nase. Die Regelung soll nur für betrieblich vereinnahmte Dividenden gelten. Privatanleger zahlen voll. So können sich Aktionäre gegen den Finanzminister wohl nur schützen, indem sie die geplante Stichtagsregel ausnutzen, ihre Altersvorsorge möglichst flexibel und lang anhaltend vor dem 1. Januar 2009 zusammenstellen und dann möglichst lange nicht mehr handeln. Frank Präuner, Chef der Münchner Vermögensverwaltung Dr. Lux & Präuner, empfiehlt, vor allem Aktienbestandteile möglichst noch vor dem 1. Januar 2009 ins Depot zu nehmen. Wer beim Einstieg vor dem Stichtag für möglichst lange Zeit ohne weitere Umschichtung auskommen will, sollte möglichst in flexible Produkte einsteigen. Vor allem thesaurierende Aktienfonds dürften stärker nachgefragt werden, da sie während der Haltedauer nicht besteuert werden und einen Zinseszinseffekt bieten (siehe Investor-Info). Auch Performance-Indexprodukte – also inklusive Dividende – dürften erste Wahl werden. Stark kommen könnten auch breit anlegende Superfonds, die in vielen Assetklassen nach dem Besten suchen. Etwa auch in Immobilien. Die sollen von der Abgeltungssteuer nicht erfasst werden. Damit dürfte auch der Verkauf von offenen Immobilienfonds nach zehn Jahren steuerfrei sein. Zulauf werden wohl auch Ziel-Fonds bekommen, die das Lebensalter der Anlegers berücksichtigen. Der Metzler Target 2035 etwa passt die Risikostruktur an die Laufzeit an. Dabei wird der Anteil an Aktien mit den Jahren immer weiter reduziert. Mit einem hohen Anteil festverzinslicher Papiere steigt sogar der Vorteil der Abgeltungssteuer. Empfehlenswert sind auch Fonds- oder Zertifikatesparpläne, wenn die Bundesregierung einen vollen Bestandsschutz für diese Produkte ausspricht, sprich Kursgewinne, die aus Einzahlungen nach dem Stichtag geleistet wurden, steuerfrei bleiben. Die Chancen dafür stehen offenbar recht gut. Aber was heißt das schon bei dieser Regierung?
Viele Anleger fragen sich, ob sie die von 2000 bis 2003 erlittenen horrenden Aktienkursverluste mit ab 2009 hoffentlich realisierten Kursgewinnen verrechnen dürfen. Die Chancen stehen schlecht. Aus informierten Kreisen erfuhr €uro am Sonntag, dass Verluste nur maximal fünf Jahre fortgeschrieben werden dürfen. Für die neue Abgeltungssteuer bedeutet das: Nur für Verluste, die frühestens seit 2004 vorgetragen werden, soll eine Verrechnung mit Gewinnen aus 2009 noch möglich sein. Über genauere Modalitäten ist noch nichts bekannt. Unterdessen sichern die Banken laut Bankenverband zu, dass sie unterjährige, also innerhalb eines Jahres auftretende Gewinne und Verluste verschiedener Wertpapiere in den Kundendepots aufrechnen werden. Dieser Service soll auch depotübergreifend garantiert werden, allerdings nur jeweils innerhalb eines Instituts.
Auf der Homepage seines Ministeriums hat der Finanzminister eine Übersicht über die Kapitalbesteuerung stellen lassen. Um zu zeigen, dass der deutsche Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent auf Zinsen und Dividenden im internationalen Vergleich nicht außerordentlich hoch ist . Die Frage, wie international Kursgewinne besteuert werden, wird dort nicht beantwortet. Aus gutem Grund. BVI-Sprecher Frank Bock: „International verbreitet ist eine Abgeltungssteuer nur auf Dividenden und Zinsen. Langfristige Wertzuwächse in anderen Ländern bleiben entweder steuerfrei, wie in der Schweiz oder in Österreich, oder sie unterliegen einem ermäßigten Steuersatz. Der Abgeltungssteuersatz auf Kursgewinne liegt in Frankreich nach zwei Jahren bei nur noch 16 Prozent, nach fünf Jahren sind Gewinne steuerfrei. In Italien werden Veräußerungsgewinne generell mit 12,5 Prozent versteuert.“ Die langfristigen Kursgewinnsteuern in den USA fallen mit nur 18 Prozent nicht nur niedriger aus als in Deutschland. Investments werden auch aus niedriger versteuerten Einkommen gekauft. |