1. Was ist eigentlich Deflation? Angebotsüberschuß während der Deflation, Konsum wird verzögert
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Professor Dr. Alfred Steinherr, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): „Unter Deflation versteht man ein negatives Wachstum der Verbraucherpreise.“
In einer Phase der Deflation gehen die Preise mehrere Jahre lang zurück, denn es werden mehr Güter und Dienstleistungen angeboten als nachgefragt. Der Verbraucher kann sich zwar zunächst über sinkende Preise freuen, allerdings werden die mit hoher Arbeitslosigkeit erkauft. Grund: Firmen, die immer weniger verdienen, entlassen Personal. Die letzte Deflationsperiode gab es zur Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933. Gegenteil: Inflation .
| | 2. Wie kommt es zu einer Deflation? Steinherr: „Durch billige Produkte aus Schwellenländern, wie Indien oder Thailand, geraten bei uns die Preise unter Druck. Das heißt, deutsche Unternehmer müssen, um überhaupt noch etwas verkaufen zu können, ihre Preise senken. Gleichzeitig entsteht ein sogenannter Angebotsüberschuß. Da die Deutschen seit einiger Zeit immer weniger konsumieren, bleiben die Händler und Produzenten auf ihren Produkten sitzen.
Das sind die Voraussetzungen dafür, daß eine gefährliche Preisspirale in Gang kommt: Es werden immer weniger Produkte gekauft, deshalb senken die Unternehmen die Preise, um überhaupt noch etwas verkaufen zu können. Erkennen die Kunden, daß die Preise gesenkt werden, zögern sie, neue Produkte wie ein Auto oder einen Fernseher zu kaufen. Grund: Morgen könnten die Produkte ja noch billiger sein. Das zwingt die Unternehmen wiederum, die Preise noch weiter zu senken, um Kaufanreize zu schaffen. Der Verbraucher zögert wieder, weil die Preise immer weiter fallen. Er kauft erst dann, wenn es gar nicht mehr anders geht. Die Folge: Es wird nichts mehr gekauft, obwohl die Preise sinken.“
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3. Warum ist Deflation gefährlich? Die deutsche Baubranche ist in der Krise
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| Steinherr: „1. Sinken die Preise, ist das Sachvermögen (z. B. Häuser, Maschinen, Gebäude) weniger wert. Um Geld bei Banken zu bekommen, beleihen Unternehmen genau diese Sachvermögen. Problem: Wenn der Wert beispielsweise des Fabrikgebäudes sinkt, kriegt der Unternehmer weniger Geld von der Bank. Das heißt: Seine Schulden steigen. Dadurch verschlechtert sich die Bonität (Kreditwürdigkeit) der Unternehmen. Mehr Firmen melden Konkurs an.
2. Die sinkenden Sachwerte führen auch zu fallenden Immobilienpreisen. Folge: Die Menschen kaufen keine Häuser oder Grundstücke mehr, weil deren Wert stagniert oder sogar sinkt. Deshalb kaufen noch weniger Immobilien. Besonders die Baubranche bekommt diese Entwicklung zu spüren. Diese Dynamik ist gefährlich. Folge: Lohnkürzungen, Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert, Mitarbeiter in Deutschland entlassen.“
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4. Wieso sind Preiserhöhungen so wichtig und sinkende Preise so schädlich? Steinherr: „Wenn zum Beispiel die Stahlpreise sehr stark steigen, müssen die Autobauer ihre Wagen teurer verkaufen. Befinden wir uns in einer Deflation, müßten Sie jedoch trotz der stark steigenden Rohstoffkosten ihr Produkt billiger anbieten als vorher. Die Inflation ermöglicht dem Produzenten, sein Produkt zu verteuern. Damit kann der Unternehmer einen Teil der gestiegenen Kosten an den Kunden weiterreichen. Kann er das nicht, muß er an anderer Stelle sparen, z. B. Mitarbeiter entlassen.“
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5. Schaden die preisbewußten „Geiz ist geil“-Konsumenten der Wirtschaft in Deutschland? Keine Skrupel brauchen die Verbraucher bei Schnäppchen zu haben
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| Steinherr: „Nein, auf keinen Fall. Wichtig ist aber, daß trotzdem noch gekauft wird. Wenn weiterhin konsumiert wird, ist es gut. Wichtig ist, daß die Preise nicht weiter sinken, also eine Deflation eintritt. Die Preise sollten nur weniger stark ansteigen, also die Inflation abbremsen.“
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6. Drohen uns Zustände wie in den 1930er Jahren mit Massenverelendung und Suppenküchen? Steinherr: „Nein, die soziale Absicherung verhindert solch krasse soziale Folgen und verteilt die Kosten auf alle.“ 7. Wie kann eine Deflation abgewendet werden? Steinherr: „Langzeitarbeitslose müssen wieder beschäftigt werden. Der Staat darf nicht Untätigkeit subventionieren, sondern Tätigkeit. Das Stichwort hierzu heißt Negativsteuer: Dabei müssen Geringverdiener keine Steuern bezahlen, sondern bekommen sogar noch Geld vom Staat zu ihrem Verdienst hinzu. Erst die mittleren und höheren Einkommen müssen ihren Verdienst ganz normal versteuern. Weiterhin müssen wichtige Märkte wie der Gas-, Wasser- oder Strommarkt dereguliert werden. Diese Maßnahmen würden dazu führen, daß die Menschen mehr Geld in den Taschen haben, das sie dann für privaten Konsum ausgeben können. Problem: Regierungen brauchen schnelle Erfolge und versäumen, mittel- oder langfristige Entwicklungen zu fördern.“
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