Ein Konzern im Sonderangebot
Die Volkswagen-Aktie ist ihren Preis wert
Von FRANK WIEBE, Handelsblatt
Kostendruck, niedrige Gewinnmargen - die Zahlen des Volkswagen-Konzerns rechtfertigen nur bedingt den guten Stellenwert der Aktie. Der resultiert eher aus einem günstigen Kurs-Gewinn-Verhältnis.
Vor 100 Jahren verstand man unter einem „Phaeton“ eine leichte, offene Kutsche. Ursprünglich stammt das Wort aus der griechischen Mythologie. Man kann sich darüber streiten, ob es sinnvoll ist, unter diesem wenig griffigen Namen ein Auto zu bauen, das aussieht wie ein VW Passat, um es dann für 60 000 Euro anzubieten.
Die gesamte Ausrichtung des Volkswagen-Konzerns wirft Fragen auf. Ferdinand Piëch hatte sich die Plattform-Strategie auf die Fahne geschrieben: für möglichst viele Modelle innerhalb des Konzerns einheitliche technische Plattformen schaffen. Das Resultat war abzusehen. Es gibt jetzt quer durch den Konzern viele Modelle, die sich nur durch den Markennamen und ein paar optische Details voneinander unterscheiden. Der neue VW-Chef Bernd Pischetsrieder kündigte daher bei Amtsantritt an, die Palette zu bereinigen und dafür neue Marktnischen zu besetzen. Klingt plausibel, nur ist damit der Kostenvorteil, den die Plattform-Strategie bringen sollte, wieder in Gefahr.
Die Kosten sind bei VW nach wie vor ein Problem. Daher ist die Gewinnmarge recht niedrig – sie lag zuletzt bei rund fünf Prozent. Dazu hängt als Belastung der hohe Einfluss des Landes Niedersachsen wie ein Klotz am VW-Kurs – so etwas mögen Investoren nicht, zumal die Möglichkeit einer Übernahme bislang durch das so genannte VW-Gesetz praktisch ausgeschlossen ist.
Weil es diese Probleme gibt, sind die Titel von VW – in grauer Vorzeit als „Volksaktien“ gestartet – extrem billig. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei sieben. Weil die Basis dafür eine dünne Gewinnmarge ist, kommt insgesamt eine sehr geringe Börsenkapitalisierung heraus – gemessen an der Größe und Marktposition des Konzerns.
Große Hebelwirkung
Aber genau darin liegt die Chance. Wenn es dem VW-Chef gelingen sollte, die Gewinnmarge zu verbessern, dann würden schon kleine Schritte mit einer großen Hebelwirkung auf den Börsenwert durchschlagen. Der Automarkt ist zurzeit zwar eher schwach. Mittelfristig hat Pischetsrieder, der vielleicht doch kaufmännischer denkt als der technikbesessene Piëch, aber durchaus die Chance, den Ertrag zu steigern.
Auch der starke Einfluss des Staates schlägt sich allzu negativ im Kurs nieder. Es könnte sein, dass bei einem Wechsel der Bundesregierung das VW-Gesetz gekippt wird. Außerdem ist möglich, dass die Anleger irgendwann ihre Bedenken wegen des staatlichen Einflusses zurückstellen. Henkel zum Beispiel ist Jahre lang wegen der starken Position der Gründerfamilie gemieden worden – doch irgendwann zählten die Erfolge des Unternehmens mehr als die Eigentumsverhältnisse.
Wer VW mit anderen Dax-Unternehmen vergleicht, stellt fest, dass es Probleme und fragwürdige Strategien fast überall gibt. Man denke nur an die sprunghaften Richtungswechsel der Deutschen Bank in den vergangenen Jahren. Oder an den Siemens-Konzern, der sich zwischenzeitlich ganz per Internet definieren wollte und dann froh war, doch noch genügend traditionelle Geschäftsbereiche zu besitzen. Oder an den Gewinneinbruch bei SAP, an die fragwürdige Fusion von Daimler und Chrysler.
Fazit: Wenn sich keine bösen Überraschungen ergeben – am 30. Juli veröffentlicht VW neue Zahlen – dann bietet die VW-Aktie für ihren Preis eine günstige Relation von Chance und Risiko. |