Die Nöte des Dr. Axolotl zu Guttenberg
Was ist falsch? Was ist echt? Seinen Doktortitel wird Hochglanz-Minister zu Guttenberg wohl behalten, aber sein Hochglanz-Image leidet. Peinlich, dass gerade ein Politiker Einschätzungen abschreibt.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: "Wie, Guttenberg hat die Bibel doch nicht selbst geschrieben", ätzt User "n303n" auf Twitter. "Wann entlässt Guttenberg seinen Doktorvater? Der hat ihn unzureichend informiert", schreibt "publictorsten". Und Nutzer Markus Trapp mutmaßt in einem Tweet: "Stephanie zu Guttenberg wird die Plagiatsvorwürfe in einer Sonderausgabe von "Tatort Internet' schonungslos aufklären."
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"Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus", verteidigte sich der Minister am Mittwoch. Er sei jedoch bereit zu prüfen, "ob bei über 1200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten". Schlampereien, soll das heißen, kann's ja gegeben haben, ärgerliche Fehler. Sorry. Aber, so die Botschaft, man möge doch die Kirche bitte im Dorf lassen: Drei Fehler, drei vergessene Quellenangaben, sagen nichts aus über die Qualität einer Arbeit. Er werde eventuelle Fehler in einer Neuauflage korrigieren lassen, beschied Guttenberg. Und tatsächlich: Es ist unwahrscheinlich, dass er die Plagiatsvorwürfe, selbst wenn im Einzelfall nachgewiesen, den Titel kosten werden.
Dennoch ist die Sache hochnotpeinlich - und sie kann sich für Guttenberg zu einem ernsthaften Problem ausweiten. Denn es ist mehr als ein akademischer Fauxpas, mehr als ein bloßes Kavaliersdelikt, abzuschreiben, ohne auf die Quelle zu verweisen. Es ist ein handfestes akademisches Vergehen, zumal Guttenberg nicht irgendein Fakt, irgendein Zitat abgekupfert hat, sondern eine "Bewertung". Es ist natürlich eine wunderbare Ironie, dass ausgerechnet ein Politiker aus einer ausdrücklich christlichen Partei, der CSU, seine Einschätzung über den Gottesbezug in einer europäischen Verfassung aus der Zeitung, der "NZZ am Sonntag" abpaust. Wenn der Mann schon solche grundsätzlichen Urteile "re-mixed": Wofür steht der dann eigentlich? Was ist Schein, was ist Sein?
Die Frage drängt sich umso mehr auf als Guttenberg einer ist, der sich als Polit-Star bewusst inszeniert hat. Er ist, im Duett mit Gattin Stephanie, ein Meister der Bilder, ein Meister der Wirkung. Er gibt den Politiker des klaren Wortes, des gesunden Menschenverstandes. Darauf beruht seine Popularität, im Volke aber auch in der Union, in der CSU genauso wie in der CDU. Adelige Herkunft und akademischer Titel sind da flankierendes Dekor, aber in ihrem gesellschaftlichen Wert nicht zu unterschätzen.
Dabei hat das Guttenberg-Image in der Vergangenheit schon erhebliche Risse bekommen.
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