Scoring verunsichert Verbraucher
Der gläserne Kunde - das ist zwar nichts Neues, doch das Vorgehen der Unternehmen wird immer komplexer. Sie sammeln alles, was sie finden können, um daraus den so genannten Score zu ermitteln. Datenschützer schlagen Alarm.
Der Kunde als Datensammelobjekt
Jürgen Überrück ist nur ein fiktives Rechenbeispiel. Er ist 33 Jahre alt und wohnt in Köln-Chorweiler. Er ist fest angestellt, finanziert ein Auto und zog innerhalb kürzester Zeit zweimal um. Dafür hat er sechs Kreditangebote verglichen. Was vernünftig erscheint, kann Probleme bereiten. Sollte er seinen Handyvertrag oder seine Bank wechseln, könnte er am Scoring scheitern, erläutert Rena Tangens vom Bielefelder Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e.V. (FoeBuD)."Wer zweimal umzieht, gilt als sozialer Absteiger", so die engagierte Bürgerrechtlerin. "Köln-Chorweiler bedeutet ein schlechtes Wohnumfeld. Auch die sechs Kreditanfragen sorgen für Punktabzüge beim Score. Denn so etwas wird als erhöhter Geldbedarf gewertet."
Punktabzug für schlechteres Wohngebiet
Ohne ein Scoring läuft bei Banken, Handel und Versicherungen nichts mehr. Von einer Auskunftei wie der Schufa oder CEG Creditreform erhalten sie in Sekundenschnelle personenbezogene Daten wie laufende Kredite, Kreditanfragen oder eidesstattliche Versicherungen. Zusätzlich errechnen die Auskunfteien einen Score. Dazu wird der Kunde mit Merkmalen einer anonymen statistischen Gruppe verglichen. Sprich: Zahlen in einem bestimmten Wohngebiet überproportional viele Menschen ihre Rechnungen nicht, gibt es dort für alle Punktabzug. Das gleiche ist bei Alter, Geschlecht oder Arbeitsbranche möglich. Michael Bretz von CEG Creditreform in Neuss bestätigt, dass das Wohnumfeld in das Scoring einfließt und den Wert nach unten ziehen kann.
50 Millionen Euro Schaden durch Warenkreditbetrug
Karstadt-Sprecher Martin Schleinhege dementiert.
Kaum ein Unternehmen spricht öffentlich über sein Scoring. Eine Ausnahme ist Karstadt. Dem Konzern wird vorgeworfen, in bestimmte Stadtviertel nur noch ungern oder gar nicht mehr gegen Rechnung zu liefern. "Das ist gelogen", so Karstadt-Sprecher Martin Schleinhege. "Kein Kunde steht bei uns unter Generalverdacht, nur weil er in einer bestimmten Straße wohnt. Jeder Fall wird individuell geprüft." Die Zusammensetzung des Scores ist genauso geheim wie die Summe, die Karstadt für diese Methodik ausgibt. Tatsache ist, der Schaden durch Kreditwarenbetrug steigt. Laut Landeskriminalamt wurden Händler in NRW alleine 2004 um knapp 50 Millionen Euro geprellt.
Vorbild USA
Was für die einen Schutz ist, interpretieren andere als Schikane. Für die Landesbeauftragte für Datenschutz ist Scoring eine Methode, vermeintlich unliebsame Kunden in eine Schublade zu stecken, in die sie nicht gehören. "Da wird zwischen arm und reich unterschieden. Allerdings nicht auf Basis harter Daten wie Zahlungs- und Kreditverhalten, sondern aufgrund von Indizien", so Roul Tiaden weiter. Er fordert mehr Transparenz. "Jeder sollte von den Firmen erfahren, welche Kriterien seinem Score zu Grunde liegen und welche vier Merkmale den Wert am stärksten negativ beeinflusst haben." So ist es in den USA üblich. Doch davon ist Deutschland noch weit entfernt.
Quelle: www.wdr.de von Nils Rode