Die Gründe für die schnelle militärische Niederlage Georgiens sind nicht so offensichtlich, wie es scheint. Es mit der zahlenmässigen Überlegenheit der Russen abzutun, ist falsch. Tatsächlich lag die zahlenmässige Überlegenheit bei den Georgiern: während von südossetischer Seite 3000 Soldaten beteiligt waren und von russischer 8000 - 10000, waren es von georgischer Seite mehr als doppelt so viele, nämlich 29000 (http://ru.wikipedia.org/wiki/...%D1%81%D0%B5%D1%82%D0%B8%D0%B8_(2008) , der russische Wiki-Artikel über den Krieg). Weiterhin hatte Georgien den Vorteil kürzerer Versorgungswege, das Überraschungsmoment und einen "Heimvorteil" auf seiner Seite. Bereits vor Ausbruch der Kriegshandlungen waren einige Teile Südossetiens von Georgien okkupiert, was einen Überfall gleichzeitig von mehreren Seiten ermöglichte. Dagegen hatte Russland im Voraus keine Truppen an der Grenze konzentriert (siehe auch Posting 27). Die Bewaffnung und Ausbildung der Georgier ist auch nicht zu verachten, Saakaschwili hat das Rüstungsetat von 30 Mio. $ bei Amtsantritt bis zu 1 Mrd $ (!) 2008 aufgebläht, Amerikaner und auch Israelis haben Jahre in die Ausbildung der Armee investiert. Die Russen dagegen haben noch vor 10 Jahren in Tschetschenien ein sehr schlechtes Bild abgegeben.
Vielleicht ist hier der Grund zu suchen, warum Saakaschwili sich überhaupt in dieses Abenteuer begeben hat. Er und seine US-Gönner haben sich reale Chancen auf einen Erfolg ausgemalt. Die Realität hat sie eines besseren belehrt. Die Ursachen für das Scheitern kann ich als Nicht-Experte nur schlecht beurteilen, selbst die US-Experten haben offenbar noch keinen Clue. Ich könnte hier drei Gründe vorbringen.
1. Ideologie. Söldner und Halsabschneider sind i.A. Feiglinge. Sie sind nur stark, wenn es gegen Schwache und Wehrlose geht. Ihre Motivation ist bestenfalls, Knete zu machen, die meisten wollten wohl nur ihren perversen Neigungen freien Lauf lassen. Gegen ossetische Frauen und Kinder waren sie die Helden, gegen eine professionelle Armee wollten sie aber nicht antreten. Als dies klar wurde, musste Saakaschwili auf seine Reservisten zurückgreifen. Diese waren aber nur Normalbürger, die ihr Brot mit friedlicher Arbeit verdienen. An Ossetien und Abchasien sind sie nicht genug interessiert, um dafür ihr Leben zu riskieren, und von einer eventuellen russischen Besetzung Georgiens haben sie auch wenig zu befürchten, im Gegensatz zur georgischen Führungsclique. Also zogen sie es vor, abzuhauen, die wohl einzige richtige Entscheidung. Die Russen und Osseten dagegen wussten genau, wofür sie hier kämpfen, und waren auch bereit, dies zu tun.
2. Vorbereitung. Ohne Zweifel haben alle grösseren Geheimdienste der Welt vom bevorstehenden Krieg gewusst. Beim Juli-Manöver der Georgier mit den Amerikanern hatten wohl beide Armeeführungen den bevorstehenden Krieg im Blick, ebenso wie die Russen bei ihrem Kaukasusmanöver. Aber während die georgische Führung eine schroffe russische Reaktion einfach nicht in ihren Plänen einkalkuliert hat, hatten die Russen einen detaillierten realitätsnahen Plan. So konzentrierten sie sich dann auch auf die Schlüsselpunkte der georgischen militärischen Infrastruktur und machten diese gezielt einsatzunfähig.
3. Kampfmoral. Es besteht ein grosser Unterschied in der Kampfmoral von, ich sage mal grob, Nord- und Südländern. Während Nordländer (dazu gehören auch die Fernost-Asiaten) fähig sind, auch in ausweglosen Situationen bis zum letzten Mann organisiert weiterzukämpfen, rennen die Südländer weg, sobald es wirklich brenzlig wird. Ein Paradebeispiel ist die erste deutsche Giftgasattacke an der Westfront 1915. Den Deutschen gegenüber sassen Algerier und Kanadier. Als die Algerier schnallten, dass in ihre Schützengräben Giftgas strömt, rannten sie weg, und retteten somit ihr Leben. Die Kanadier dagegen blieben da, viele von ihnen starben, aber sie schlugen den dem Chlorabblasen folgenden deutschen Infanterieangriff ab. Dieser Unterschied kommt auch beim Vergleich Russen/Georgier zum Tragen.
Die Amerikaner stehen aber dennoch nicht völlig auf der Verliererseite. Ich würde sogar sagen, sie befanden sich von Anfang an in einer win-win Situation. Es war eine Art perverser Lackmustest, sowohl der Stärke Russlands, als auch der Tauglichkeit/Nützlichkeit Georgiens in der Nato. Hätte die ethnische Säuberung und Einverleibung Südossetiens und dann später Abchasiens Erfolg gehabt, so wäre Russland geschwächt, der Westen könnte getrost den Druck auf Russland erhöhen, und ein starkes Grösser-Georgien, das sich bewiesen hat, wäre bereit für die Aufnahme in die Nato. Das nun eingetretene Ergebnis zeigt aber, dass Russland auch ohne Krieg stark und entschlossen genug gewesen wäre, eine Angliederung zu verhindern. Damit haben die Amerikaner also nichts verpasst. Georgien dagegen hat sich als Waschlappen-Kandidat erwiesen, solche wären der Nato nur ein Klotz am Bein, bestenfalls geeignet für eine weitere Radarstation. Die könnte aber auch ohne Nato-Mitgliedschaft gebaut werden. Die Aufwendungen für die Ausrüstung und Ausbildung der georgischen Armee sind auch nicht verloren. Ganz im Gegenteil, man muss sich nämlich vergegenwärtigen, dass die Dollars ja nicht von den USA Richtung Georgien flossen, sondern umgekehrt. Saakaschwili hat den georgischen Staatshaushalt in die Taschen der amerikanischen Rüstungsbosse umgeleitet, für Militärkrempel, der der Volkswirtschaft rein gar nichts nützt. Und die Staatsverschuldung ist in schwindelerregende Höhen geschossen. Die Rechnung bezahlen die einfachen Georgier, inklusive Zinsen und Zinseszinsen.
@NavigatorC Die Fotos vom Link aus #13 sind ja der Hammer. Die anderen Links waren auch informativ, danke. |