Alle hier schimpfen auf Politiker, Gewerkschaften und was-weiss-ich-auf-wen-sonst-noch.
Keiner redet über die Banken. Vor Monaten bereits habe ich geschrieben: das System hat versagt, eine Reform tut not. Die Finanzinfrastruktur stimmt einfach nicht.
Heutiger Artikel in der WAZ:
Dividende oft nur zum Schein
Reichlich seche Jahre, nachdem die Deutschen den Volkskapitalismus ausriefen, fällt manchem Kapitalisten kaum mehr etwas anderes ein als der Ruf nach dem Staat. Es geht um die Sicherung des Systems.
Mit schwersten Verlusten taumeln viele Banken und Versicherungen vom Katastrophenjahr 2002 ins Zitterjahr 2003. Die Pleitewelle beschert den Geldinstituten höchste Ausfälle und den Kunden verschärfte Sicherheitsanforderungen ihrer Geldgeber. Viele Forderungen bleiben unerfüllt. Firmen verschinden in der Insolvenzliste. Eine teuglische Spirale dreht sich weiter.
Die Börsenkurse stehen inzwischen tiefer als vor sechs Jahren beim Börsenstart der Telekom. In der Hoffnung darauf, dass der allgemeine Kurssturz bald vorüber sein wird, dürfen Versicherungen nun schon zum zweitenmal in ihren Bilanzen so tun, als stünden die Aktien noch höher, die sie zur Deckung späterer Zahlungen an Kunden gekauft haben. So sind milliardenschwere stille Lasten entstanden.
Keine zwei Jahre, nachdem Minister Riester die Individualisierung der Altersvorsorge ausrief, sind Millionen Investment- und Aktiensparer entsetzt. Sie sind eine Art Generationenvertrag eingegangen: Aktienkurse können nur halten, wenn verkaufswillige Aktionäre genug kaufwillige Anleger finden, die an die papiere und deren Dividende glauben.
Das sollte wegen der stark steigenden Zahl der über 40- und 50-jährigen bis 2015 und länger gut gehen. Dann erst drohen entsparende Rentner-Aktionäre Überhand über ansparende Aktive zu gewinnen, so die Statistik. Die Realität sagt das Gegenteil.
In der Krise wundert es, dass Finanzhäuser glauben, mit der Zahlung von Dividenden noch den Anschein von Normalität erwecken zu können. Dass die Commerzbank 10 Cent pro Aktie ausschüttet, tröstet nicht einen Aktionär über 15 Euro Kursverlust in zwölf Monaten hinweg. Es freut höchstens Vorstand, Auschtsrat und Leitende, wenn sich ihre Bezüge nach der Dividende richten.
Bei der Deutschen Bank stehen 1,30 Euro Dividende gegen 35 Euro Kursverlust. Ein Dividendenausfall zum Abschied von Allianz-Chef Schulte-Noelle wäre eine bittere Pille. Selbst 1,50 Euro Dividende machen jedoch 200 Euro Kursverlust in einem Jahr nicht vergessen. Vielleicht greift die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht ein, um Panik zu vermeiden. Einschließlich dessen, was die Münchener Rückversicherung vermutlich ausschüttet, geht es um eine Einsparung von 1,5 Mrd Euro.
Das war vor drei jahren nicht viel Geld, als Vodafone 150 Mrd Euro für den Mannesmann-Kauf bewilligte. Für das gleiche Geld könnte man heute alle Aktien der Commerzbank, der Deutschen bank, der Allianz und einiger anderer Unternehmen übernehmen. Allein mit der einzusparenden Dividende ließe sich jede zweite Aktie der Commerzbank kaufen. Den Aktionären und dem gesamten System wäre damit wohl mehr geholfen. Staatliche Notenbanker haben intern ein neues Ziel ausgegeben. Statt eine nicht mehr vorhandene Inflation zu bekämpfen, wollen sie sich die Sicherung des Finanzsystems vornehmen; zur Not mit Staatshilfen.
Mein Kommentar dazu: So schräg und teilweise halblogisch dieser Artikel auch sein mag: er zeigt dringenden Handlungsbedarf auf. Wir leben nicht mehr in der Zeit der großen Feten. Das haben einige aus der Finanzwelt immer noch nicht begriffen. Überhaupt erschrecken die Unfähigkeit und der scheinbar unstillbare Drang nach Selbstbereicherung der Glücksritter an der Spitze großer Firmen. Wenn überhaupt staatliche Hilfen erfolgen müssen, dann muss gleichzeitig das ganze System reformiert werden. Diese Bürokraten dürfen nicht länger in der Lage sein, die Entwicklung unserer Wirtschaft massgeblich steuern zu können. Sie haben sich nachhaltig als unfähig erwiesen. |