Die Bären werden lauter. Berechtigt?von Thomas Firley Da sich Herr Steffens einen Tag Urlaub gönnt, habe ich die Ehre ihn heute zu vertreten. Ab Mittwoch wird Sie wie gewohnt wieder Herr Steffens mit dem Investor´s Daily versorgen. Kommt es Ihnen auch so vor? Je näher der Dow Jones an sein All-Time-High rückt, umso lauter warnen die Bären vor einem möglichen Crash, im Minimum vor einer nahenden Baisse. Vergleiche zum Jahre 2000 werden gezogen, das Jahr in dem die "grausame" dreijährige Baisse ihren Anfang nahm. Ein Punkt aus der Bären-Begründung ist die Zinsentwicklung. Damals, im Jahre 2000, fand im Mai die vorerst letzte Zinserhöhung statt; heute im Jahr 2006 pausierte die Fed erstmalig im Juni den Zinserhöhungszyklus. Daraus aber auf eine nahende Baisse zu schließen, halte ich für übereilt. Auch die gezogenen Parallelen zwischen der damaligen Internet-Blase und der heutigen Immobilien-Blase halte ich für nicht stimmig. Denn was mir bei diesem Vergleich fehlt, ist schlicht und ergreifend die Paralleltität beim Anlagerverhalten. Damals, Ende der 90er sorgte die Aktien-Euphorie für einen steilen Anstieg im Dow Jones (noch extremer war es im deutschen Aktienindex). Aber heute? Spüren Sie eine übertriebene Aktien-Euphorie? Wenn dem so wäre, könnte auch ich mich mit einem Baisse-Szenario anfreunden. Wahrscheinlicher halte ich aber aus heutiger Sicht die moderate Fortführung des Aufwärtstrends. Wenn Sie jetzt denken: "Klasse, es geht weiter nach oben. Also rein in den Dow, was das Zeug hält", muss ich Sie leider enttäuschen. Denn eine "moderate Fortführung" des Aufwärtstrends kann auch einhergehen mit einem weiter anhaltenden Seitwärtstrend im Dow Jones - nur eben auf höherer Ebene. Sehen wir uns hierzu den Dow einmal aus der Ferne an, in einem Monats-Chart, beginnend Ende 1995. Gekennzeichnet durch die beiden aufsteigenden schwarzen Linien erkennen Sie zwei langfristige Aufwärtstrends (steigende Tiefs). Der linke kennzeichnet die Mega-Hausse von Ende 1995 bis Mitte 2000. Bitte wundern Sie sich nicht, dass Sie durch die Darstellung der Monatsschluskurse nicht das All-Time-High bei 11.750 Punkten erkennen. Dazu habe ich Ihnen unten einen weiteren Candle-Stick-Chart hinzugefügt. Der rechte Aufwärtstrend führt den Dow Jones von März 2003 bis heute. Sie erkennen, dass die Steigungswinkel der beiden Ausfwärtstrends fast identisch sind. In dieser Hinsicht würde ich den Bären beim Vergleich damals zu heute recht geben. Allerdings erkennen wir auch, dass der Abstand zu den jeweiligen, parallelen roten Linien ungleich ist. Die roten Linien stellen nichts anderes dar als eine Parallele zur schwarzen Aufwärtstrend-Linie. Diese Parallelen sind so gezogen, dass sie durch jeweilige markante Zwischenhochs verlaufen. Im ersteren Fall also durch das Rekordhoch, im zweiten Fall durch das Zwischenhoch im Jahre 2004. Wir erkennen, dass der Abstand im ersten Falle (von 1996 bis 2000) wesentlich weiter ist, als im aktuellen Trendkanal. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die beiden blauen Rechtecke, die die Seitwärtstrends im Dow Jones kennzeichnen. Kurz zur Erklärung: Betrachten wir die beiden Ausflüge über die 11.000er Marke im Jahr 2000 als "Ausbrecher", können wir von einer ersten langen Seitwärtsphase zwischen April 1999 und September 2001 sprechen, in einer Range von 1.000 Punkten (also etwa 10% zwischen 10.000 und 11.000 Punkten). Die zweite Seitwärtsphase - ebenfalls im Bereich zwischen den Marken von 10.000 und 11.000 Punkten - sehen wir von Ende 2003 bis Anfang 2006. Der gravierende Unterschied: Die jüngste Seitwärtsphase wurde nach oben aufgelöst, die damalige im Jahre 2001 bekanntermaßen nach unten (und zwar bereits vor dem 11.September...). Für ganz spitzfindige Charttechniker, die den September 2001-Einbruch als "politische Börse" (die bekanntermaßen kurze Beine hat) bezeichnen und damit nicht als Ausbruch gelten lassen, läuft die Seitwärtsphase sogar weiter bis Mitte 2002. Das Resultat ist dasselbe, die Seitwärtsphase wurde nach unten aufgelöst. Und nun kommt zumindest mein K.O.-Kriterium für eine jetzt längeranhaltende Baisse; am besten ersichtlich durch einen Candlestick-Chart (für denselben Zeitraum), der die einzelnen Monatsbewegungen verdeutlicht. Sie erkennen ab Ende 1998 lange weiße Kerzen, also heftige Kurssausschläge nach oben. Das war Euphorie. Auch in der ersten Seitwärtsphase erkennen Sie große rote und weiße Kerzen (oft auch im direkten Wechsel), die ebenso heftige Kursausschläge nach unten und nach oben widerspiegeln. Vergleichen Sie hierzu die verhältnismäßig kleinen Kerzen in der Aufwärtsbewegung seit 2003. Ich würde es einmal so bezeichnen: Die Ausschläge sind insgesamt moderater und für einen Aufwärtstrend "gesünder". Kaum eine Monatsbewegung in der laufenden Aufwärtsbewegung kann es mit den euphorischen Bewegungen Ende der 90er aufnehmen. Daher sehe ich zumindest in diesem Augenblick keinen Grund für eine einsetzende langanhaltende Baisse. Eine schnelle Korrektur ist nicht auszuschließen. Aber mit dem Gedanken einer Baisse, die uns innerhalb einiger Monate formal auf einen Indexstand von unter 10.000 Punkten zurückführen müßte, kann ich mich einfach nicht anfreunden. Hierfür sehe ich im Chart keine Indizien. Und da zumindest ich keine Baisse-Gefahr erkennen kann, bin ich logischerweise eher bullish und gehe für den Rest des Jahres von stagnierenden bis leicht steigenden Kursen aus. Da natürlich niemand blind im Bullenlager agieren sollte, gilt die Devise: Wachsam bleiben! Erste Indizien für eine mögliche Jahresend-Rallye (oder eben eine Korrektur...) erhalten wir in wenigen Wochen bei Veröffentlichung der Unternehmens-Quartalsberichten. Ihr Tom Firley |