Deutsche Telekom: Zu teuer, zu mutlos, zu spät Die Deutsche Telekom verunsicherte in den vergangenen Tagen Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre mit einer Vielzahl von alarmierenden Nachrichten und aktionistischen Plänen. Geht es nach der Reaktion der Börse, sehen die Zukunftsperspektive für den einst so stolzen rosa Riesen schlechter denn je aus. Schwarzer Humor unter Börsianern könnte in diesen Tagen wie folgt ausfallen: Wenn man denkt, es könnte kaum schlimmer kommen, kommt die Deutsche Telekom. Das zumindest legt das schier endlose PR-Debakel und das Kursmassaker nahe, das die Telekom ihren Aktionären in den vergangenen Monaten und Jahren bescherte: Zwei Gewinnwarnungen in einem halben Jahr, eine peinliche Blitzentlassung des Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke ausgerechnet am Vorabend des 10. Jahrestags des Börsengangs, Kundenverluste in Millionenhöhe – und eine unterirdische Performance der T-Aktie, die heute bei 12,44 Euro auf dem tiefsten Stand seit vergangenem Herbst schloss und weiterhin im zweistelligen Prozentbereich unter dem damaligen Erstausgabekurs dümpelt.
Warum die Aktionäre auch das kurzfristig bekundete Vorschussvertrauen in den Ricke-Nachfolger René Obermann schon wieder verloren zu haben scheinen, wurde in den vergangenen Tagen klar. Nach der Präsentation der Geschäftsbilanz für 2006 dürfte auch den letzten Optimisten klar geworden sein, in welcher prekären Lage sich der einstige Überflieger befindet. "In einigen Bereichen segeln wir nur noch knapp über Grund", musste Obermann in ungewohnt deutlichen Worten eingestehen.
>> Gewinnrückgang um 42 Prozent
In nackten Zahlen bedeutet das: Der Konzerngewinn brach im vergangenen Jahr von 5,6 auf nur 3,2 Milliarden Euro ein – das entspricht einem saftigen Minus von mehr als 42 Prozent. Im abgelaufenen vierten Quartal musste der ehemalige Staatsmonopolist gar einen kräftigen Verlust von 898 Millionen Euro verkraften, nachdem im Vorjahr noch knapp eine Milliarde Euro verdient worden war. Als Grund führte Obermann die Kosten für den Personalabbau von 32.000 Beschäftigten an, der mit erklecklichen Kosten für Abfindungen und Frühpensionierungen zu Buche schlug.
Ernüchternd fällt jedoch auch die Bilanz im Kerngeschäft aus. Nur dank der Auslandstöchter T-Mobile USA, Telering, Gedas und PTC konnte der Konzernumsatz um gerade mal 2,9 Prozent auf 61,3 Milliarden zulegen. Wachstum sieht anders aus. Auf dem heimischen Markt entwickelten sich die Erlöse aufgrund des drastischen Kundenschwunds in der Festnetzsparte T-Com und des zusehenden Preisverfalls gar rückläufig – ein Minus von fünf Prozent wurde verzeichnet.
>> 50.000 Mitarbeiter sollen verschoben werden
Die alarmierenden Zahlen lassen nun die Stunde der Aktivisten schlagen. Jedem ist klar: Es muss etwas getan werden. Nur was? René Obermann kündigte gestern und vorgestern gleich mehrere einschneidende Maßnahmen an – von Konzentration auf die Marken T-Home und T-Mobile bis zur Einführung einer neuen Billigmarke für Festnetz und Mobilfunk –, die vor allem einem Großteil der Belegschaft nicht gefallen dürften. So dürften sich künftig 50.000 Telekom-Mitarbeiter bei anderen konzerneigenen Gesellschaften wiederfinden, die die Arbeit jedoch zu weitaus weniger attraktiven Konditionen vergüten dürfte.
Im Klartext bedeutet das: Mehr Arbeit für weniger Geld. "Mein Ziel ist es in etwa, ein Kostenniveau für uns zu erreichen, das Beschäftigungsverhältnissen mit 40 Wochenarbeitsstunden entspricht", erklärte Obermann vorgestern in Bonn. Wie unvermeidlich dieser Schritt für den Dax-Konzern ist, hat der junge Telekomvorstand längst erkannt: "Wir haben längst keine Alternative mehr. Wir müssen jetzt reagieren, um das Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig zu machen", erklärte der 43-Jährige. Analysten begrüßten den Schritt: "Ein wesentliches Problem der Telekom besteht darin, dass Dienstleistungen viel zu teuer sind", erklärte etwa Analyst Frank Rothauge von Sal. Oppenheim gegenüber manager-magazin.de.
>> Obermann kündigt Kurswechsel an: Zukäufe wieder ein Thema
Doch mit kostensenkenden Maßnahmen, mit denen die Telekom jährlich bis zu 900 Millionen und bis Ende des laufenden Jahrzehnts gar 4,7 Milliarden Euro einsparen will, dürfte der Turnaround kaum zu schaffen sein. Nachdem sich der Heimatmarkt rückläufig entwickelt, bleibt der Telekom nur die Expansion ins Ausland. Eine späte Einsicht, die Obermann noch verhalten so formuliert: "Wir möchten unsere Expertise nutzen, um im Mobilfunk unter Berücksichtung strikter, wirtschaftlicher Kriterien gegebenenfalls auch durch Zukäufe zu wachsen".
Der angekündigte Kurswechsel ist längst überfällig, kommt aber vielleicht schon zu spät. Was nämlich durch die beherzte Expansion ins Ausland möglich ist, hat in den vergangenen Jahren die spanische Telefonica mit der Übernahme von O2 und dem Vorstoß in den boomenden lateinamerikanischen Markt vorgemacht. Das Risiko hat sich gelohnt: Dank des offensiven Wachstumskurses konnte der spanische Telekomkonzern seinen Gewinn zuletzt um mehr als 40 Prozent steigern und die lange Zeit weitaus höher bewertete Telekom längst nach der Marktkapitalisierung überflügeln.
>> Aufbruch in die Emerging Markets?
Auch der langjährige Rivale Vodafone, mit einem Börsenwert von 120 Milliarden Euro noch immer europäischer Champion, hat es der Deutschen Telekom längst vorgemacht und verkündete erst im vorigen Monat die Expansion in die Emerging Markets: Nach Übernahmen in Südafrika, Rumänien und der Türkei schloss der weltgrößte Mobilfunkbetreiber nun die Mehrheitsbeteiligung am indischen Anbieter Hutchinson Essar ab. Doch die war bereits alles andere als billig: Für einen 67-Prozentanteil an der indischen Nummer vier legten die Briten stolze 13 Milliarden Euro auf den Tisch.
Damit offenbart sich das ganze Dilemma des ehemaligen Staatsmonopolisten: Das einst mit 300 Milliarden Euro höchst bewertete Telekomunternehmen der Welt hat in der Konsolidierungswelle der vergangenen Jahre die Zukunft hoffnungslos verschlafen. René Obermann muss nun für den mutlosen Kurs seines Vorgängers Kai-Uwe Ricke büßen, der die Konzernstrategie an einem rigiden Sparprogramm orientierte, in dem für Zukäufe kein Platz war. Nun jedoch müsste Obermann für die kommenden Riesen in Osteuropa und Asien jedoch ein Vielfaches dessen bezahlen, was die Telekom noch vor Jahren hätte berappen müssen. Die genannten drei Milliarden Euro, die die Telekom mit Beteiligungsverkäufen – etwa den letzten Anteilen an der Immobilientochter Sireo oder dem Mediendienstleister Media & Broadcast sowie der Festnetztöchter in Spanien oder Frankreich – erlösen könnte, dürften für nicht mehr als einem Entree in die Wachstumsmärkte reichen.
>> Das unendliche Leiden der Aktionäre
Leidtragende der verfehlten Wachstumsstrategie sind wieder einmal die schon schier unendlich gebeutelten T-Aktionäre. Auch am heutigen Handelstag präsentierte sich die T-Aktie wieder einmal als schwächster Wert im Dax und notierte zwischenzeitlich um mehr als fünf Prozent im Minus. Der Blick zurück – ganz gleich, in welchem Zeitfenster – fällt erschütternd aus: Seit Jahresbeginn hat das Papier schon wieder knapp zehn Prozent an Wert verloren, seit dem ersten Börsengang 1996 15 Prozent, seit dem Allzeithoch sind es gar astronomische 88 Prozent. Zugewinne? Fehlanzeige!
Auch die viel zitierte Dividendenrendite von immerhin 5,5 Prozent erweist sich keinesfalls als Schutz vor weiteren Kursverlusten. Bedingt durch den drastischen Gewinnrückgang ist die Telekom nämlich teurer geworden: Auch bei 12,60 Euro weist der rosa Riese für das abgelaufene Jahr noch das alles andere als günstige KGV von 17 aus. Ob sich die steigenden Gewinnerwartungen im laufenden Jahr nach den zahlreichen Rückschlägen und den zweifachen Gewinnwarnungen tatsächlich erfüllen und das erwartete KGV von aktuell 15 rechtfertigen, erscheint in diesen trüben Märztagen ungewisser denn je. Quelle: http://www.yeald.de/Yeald/a/61891/..._teuer__zu_mutlos__zu_spaet.html Gruß Moya |