Deutliche Worte eine Norwegers

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neuester Beitrag: 11.08.06 20:16
eröffnet am: 09.08.06 18:49 von: nasgul Anzahl Beiträge: 5
neuester Beitrag: 11.08.06 20:16 von: Kicky Leser gesamt: 1889
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09.08.06 18:49
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441 Postings, 6505 Tage nasgulDeutliche Worte eine Norwegers

Der Konflikt im Nahen-Osten scheint ja zur Zeit eine Welle klarer und deutlicher Worte loszutreten. Ob dies wirklich gut ist und ob jeder richtig versteht?


Schriftsteller Jostein Gaarder kritisiert den Staat Israel  

OSLO (inn) - Der norwegische Schriftsteller und Populärphilosoph Jostein Gaarder hat in einem Essay in der Osloer Tageszeitung "Aftenposten" Israel angegriffen. Darin verweigert der Autor von "Sophies Welt" die Anerkennung des jüdischen Staates und nennt die Vorstellung eines von "Gottes auserwählten Volks" einen Akt gegen die Menschlichkeit.

In seinem Artikel beschreibt Gaarder, dass Israel gegen viele internationale Gesetze verstoßen und UN-Resolutionen missachtet habe. Somit dürfe es von der UNO keinen Schutz mehr zu erwarten haben. Ferner habe das Land die Anerkennung der Welt verloren und dürfe nicht in Frieden gelassen werden, bis es seine Waffen niedergelegt habe. Da der Staat nach dem Prinzip "Auge um Auge" lebe, so Gaarder, sei er nicht besser als die Hamas oder die Hisbollah.

"Wir erkennen den Staat Israel nicht mehr länger an. Wir konnten weder das südafrikanische Apartheid-Regime anerkennen, noch die Talibanregierung in Afghanistan...", so Gaarder wörtlich. Israel ist für ihn nicht besser, als es die oben genannnten Regierungen waren. Gaarder schreibt weiter, dass die Israelis glaubten, ein israelisches Leben sei mehr wert als 40 palästinensische oder libanesische.

"Wir lachen", so Gaarder, "mitterweile über die, die immer noch glauben, dass der Gott der Schöpfung und der Galaxie ein Volk als sein liebstes auserwählt hat und diesem lustige Steintafeln, einen brennenden Busch und die Erlaubnis zum Töten gab."

Gaarder nennt sich selbst einen Freund Israels. Er schreibt: "Wir anerkennen und beherzigen die große Verantwortung Europas für all die Notlagen, für die schändlichen Bedrohungen, die Pogrome und für den Holocaust. Es war geschichtlich und moralisch notwendig, dass die Juden ein Zuhause bekommen." Der Staat Israel habe sich dieses Recht aber wegen seiner skrupellosen Art und Weise, Kriege zu führen, verspielt, so Gaarder weiter.

Für ihn existiert der Staat Israel nicht mehr lange, denn zum jetzigen Zeitpunkt sei er ohne Abwehr und ohne Schutz. Die israelische Zivilbevölkerung müsse bei einer neuen möglichen Diaspora von der Welt beschützt werden. "Gebt den Israelis einen Zufluchtsort, gebt ihnen Milch und Honig! Lasst kein israelisches Kind im Leben sozial benachteiligt sein. Zuviele Kinder und Zivilisten sind schon umgebracht worden", schreibt Gaarder. Er wünsche daher der israelischen Nation eine einsichtige und barmherzige Umgebung.

In der norwegischen Öffentlichkeit stieß der Artikel auf unterschiedliche Reaktionen. Manche lobten den Artikel. Die dänisch-jüdische Journalistin Mona Levin hingegen verurteilte ihn als das Schlimmste seit Hitlers "Mein Kampf", so "Deutschlandradio".

Jostein Gaarder wolle sich fortan über das Thema Nahost-Konflikt nicht mehr äußern, meldete die "Deutsche Presseargentur" am Mittwochnachmittag. Die Veröffentlichung seines Artikels hat für Furore gesorgt. Viele Intelektuelle, Politiker und Angehörige der jüdischen Gemeinschaft beschuldigten ihn des Antisemitismus. (sh)

http://www.israelnetz.de/show.sxp/12042.html  

09.08.06 23:44

79561 Postings, 8940 Tage KickyFräulein Smilla und der Libanon

hervorragender Schriftsteller der Gaarder  

10.08.06 13:58
1

1309 Postings, 8043 Tage slimfastBravo Jostein Gaarder!

Ganz meine Meinung!  

11.08.06 14:17
1

441 Postings, 6505 Tage nasgulDas Kartengeheimnis

Von der Schöpfung, vom Sinn des Seins und der Legitimation andere (Andersdenkende) in jeder Form zu unterwerfen.


Josteins Welt
Nach einem Artikel über die Angriffe auf den Libanon wird dem norwegischen Bestsellerautor Jostein Gaarder Antisemitismus vorgeworfen
Gabriele Haefs

Wenn Jostein Gaarder, als Autor weltbekannt durch seinen philosophischen Bestseller "Sofies Welt", sich zu einem politischen Thema meldet, ist ihm Aufmerksamkeit gewiss. Zumal die meisten Artikel die Überschrift "Josteins Welt" tragen. Dass er kürzlich in der norwegischen Tageszeitung Aftenposten den Stil des alttestamentarischen Propheten Amos parodierte, ist für ihn sicher ganz natürlich. Doch wie des Amos' Worte vor drei Jahrtausenden stoßen auch Gaarders auf taube Ohren oder werden missverstanden. Dass er dieses literarische Stilmittel und kein anderes gewählt hat, sei sein gutes Recht als Autor, sagt er in Interviews. Dass seine Wortwahl - gelinde gesagt - Aufsehen erregt, ist nicht verwunderlich, ist doch die Kenntnis der Kleinen Propheten im Alten Testament weder in Norwegen noch hierzulande allgemein verbreitet. Antisemitische Hetze habe er betrieben, wird ihm von der einen Seite vorgeworfen; kluge, klare und humane Worte habe er gefunden, lautet das Lob von der anderen, dazwischen gibt es sämtliche Schattierungen von Ansichten in der Debatte, die seit Tagen in allen norwegischen Medien tobt.

Was Gaarder wirklich geäußert hat, geht zumeist unter, auch bei jenen, denen sein Artikel zugänglich ist. Hier ein Auszug, der Gaarders Aussagen zusammenfasst, wenn er sie auch in bildhafter (eben, biblischer) Sprache vielfach wiederholt und variiert: "Es gibt Grenzen für unsere Geduld und unsere Toleranz. Wir glauben nicht an göttliche Verheißungen als Begründung für Okkupation und Apartheid. Wir haben das Mittelalter hinter uns gelegt. Wir lachen betreten über die, die noch immer glauben, der Gott der Flora, der Fauna und der Galaxien habe sich ein bestimmtes Volk zu seinen Lieblingen erwählt und ihm lustige Steintafeln, brennende Büsche und die license to kill geschenkt. - Wir nennen Kindermörder Kindermörder und werden niemals akzeptieren, dass sie ein göttliches oder historisches Mandat haben, das ihre Schandtaten rechtfertigen könnte. Wir sagen nur: Schande über alle Apartheid, Schande über ethnische Säuberungen, Schande über alle Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung, ob die nun von Hamas, Hisbollah oder dem Staat Israel begangen werden!"

Dass der Ausdruck "lustige Steintafeln" nicht sonderlich diplomatisch gewählt war, hat Gaarder seither zugegeben, wenn er auch weiterhin darauf besteht, als Autor seine literarischen Ausdrucksformen selbst wählen zu dürfen. Er betont auch, er habe niemanden persönlich verletzen wollen, was aber alles nichts zu helfen scheint. Auch sein Bekenntnis zum Existenzrecht des Staates Israel in den Grenzen von 1948 geht unter in der Empörung darüber, dass er die Grenzziehung von 1967 eben nicht gutheißt. Die Wahl des Propheten Amos als literarisches Vorbild wirkt in sich prophetisch, denn auch jener bekam Ärger mit den eigenen Leuten und seufzte schließlich, "der Prophet gilt nichts in seinem Vaterland".

Die Kritik an Gaarder nimmt in Norwegen indes zusehends groteskere Züge an. Blanker Antisemitismus wird ihm vorgeworfen, zugleich fehlendes Verständnis für die Ziele von Hamas und Hisbollah. Dass Gaarder Christ ist und in einem anderen Absatz Jesus Christus zitiert, bringt ihm den Vorwurf ein, das Christentum allen anderen Religionen für überlegen zu halten. Von anderer Seite heißt es, er sei ja, als ein den griechischen Idealen verpflichteter Philosoph, gar kein echter Christ, und wenn sich seine griechischen Ideale durchgesetzt hätten statt der jüdisch-christlichen, dann dürfte man in Europa heutzutage nicht einmal Seife kochen. Unter den Tisch fällt, was er eigentlich geschrieben hat und welche Erkenntnisse wir (in Europa) möglicherweise daraus ziehen können.

Vom Ausland aus gesehen wirkt die Debatte absurd und sehr norwegisch: In Norwegen sind schon Freundschaften an der Frage zerbrochen, ob das Land nun in die EU eintreten sollte oder nicht. Damit soll nicht behauptet werden, die deutsche Streitkultur sei besser, doch Norwegen ist kleiner; bei den meisten Debatten treten immer dieselben Akteure gegeneinander an, um sich ohne Rücksichten auf die Argumente der Gegenseite jegliche Ehre abzusprechen. Dass nun der in politischen Fragen eher zurückhaltende Jostein Gaarder sich geäußert hat, lässt sie fröhlich die Messer wetzen. In Norwegen herrscht zudem die Vorstellung, die norwegische Presse sei viel fairer als die Boulevardpresse in anderen Ländern. Geschützt von dieser schönen Illusion hacken sie aufeinander los.

Dass Jostein Gaarder nun erklärt hat, sich nicht mehr äußern zu wollen, da ja doch keine Diskussion möglich sei, ist verständlich. Die heutigen Zeitungen zeigen, dass der Schlagabtausch auch ohne ihn wütend weitergeht. Wenn sich nun auch die deutsche Presse einschaltet, ist zu hoffen, dass wenigstens die hiesigen Debattanten erst einmal Gaarder und Amos lesen, ehe sie zur Feder greifen.

Gabriele Haefs hat Jostein Gaarders Bücher und die vieler weiter skandinavischer Autoren übersetzt.

Berliner Zeitung, 10.08.2006  

11.08.06 20:16

79561 Postings, 8940 Tage KickyGiordano zu Gaarder im Spiegelinterview

Giordano: Was mich immer wieder geradezu aufgeputscht, ist, mit welcher Selbstverständlichkeit Israel hier zu Lande grundsätzlich im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt von einem bestimmten Teil der öffentlichen und auch der veröffentlichten Meinung auf die Anklagebank gesetzt wird - wie jetzt bei der Eskalation im Libanon. Das stößt mich ab, weil jede einseitige Schuldzuweisung von Ignoranz über den komplexen Charakter des Nahostkonflikts zeugt. Was mich wirklich bestürzt, ist, dass diese Leute sich offenbar nicht in die Alltagssituation von Israel hineindenken können.

SPIEGEL ONLINE: Wie weit darf die Kritik an Israel gehen?

Giordano: Natürlich ist nicht jeder, der Israels Politik in diesem oder jenen Fall kritisiert - akut oder historisch- ein Antisemit. Israel steht nicht unter kritischem Naturschutz. Aber wir leben in einem Land, in dem 18 Prozent aller Menschen keinen jüdischen Nachbarn haben wollen und 30 Prozent sagen, sie hätten ein ambivalentes Verhältnis zum Antisemitismus. Aber es gibt auch Kritik an Israel, die aus einer tiefen Sorge um alle Opfer kommt. Immer wenn über den Krieg in Nahost gesprochen wird, muss am Anfang die Trauer um alle Opfer stehen. Humanitas ist unteilbar. Aber man muss auch die historischen und politischen Zusammenhänge sehen.Ich kenne Freunde Israels, die trotzdem sagen: Hört mal, ist das, was ihr macht, richtig? Ich selber will nicht besserwisserisch sagen, was israelische Regierung oder Militär machen müssen oder sollen, um ihre Bürger zu schützen. Ich kenne auch die islamische Welt und weiß: die Guerilla kann durch reguläre Armeen nicht besiegt werden - das hat das 20. Jahrhundert gezeigt. Es wird aber erst Frieden geben, wenn die arabische Welt erkennt, dass die Hisbollah und alles was sie symbolisiert, von innen her besiegt werden muss. Mit der Hisbollah wird es keinen Frieden geben. Das ist eine düstere Perspektive, weil sich zeigt, dass die inner-arabischen Kräfte bislang nicht stark genug waren, der Hisbollah den Garaus zu machen.,,Es ist fürchterlich, was da geschieht. Es bricht mir das Herz, wenn ich die täglichen Bilder aus dem Libanon sehe. Aber ich bin ein Zeitzeuge, der weiß, dass so etwas Ähnliches - zwar mit anderen Vorzeichen, aber doch vergleichbar - schon einmal stattgefunden hat - in einem weit größeren Maße. Mir kommt es darauf an zu sagen, wer die eigentlich Verantwortlichen für das Leid sind. ...Es ist fürchterlich was im Libanon geschieht, aber ich bin unfähig, die Hisbollah und deren Geldgeber aus Syrien und Iran von dieser Erstverantwortung freizusprechen.  
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,431138,00.html  

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