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Gleichgerichtet schlecht
Kurt Beck wird nach einem Jahr Parteivorsitz überwiegend kritisch beurteilt / Von Günter Bannas
BERLIN, 13. April
"Jubelarien" über Kurt Beck, weil dieser nun ein Jahr lang an der Spitze der SPD stehe, haben, so versichern sie, die Leute in den Stabstellen des sozialdemokratischen Partei- und Regierungsapparates nicht erwartet. Die äußeren Bedingungen wären auch nicht danach gewesen - vor allem also der Umstand, dass die SPD in den Umfragen weiterhin um die 30 Prozent pendelt, dass das Verhältnis zu den Gewerkschaften nicht besser geworden ist und auch die Beratungen über das neue Grundsatzprogramm bisher nicht den erwünschten Schwung in die Parteigliederungen gebracht haben. Doch in der Summe fielen die Würdigungen aus Anlass des nun zwölf Monate zurückliegenden Wechsels im Parteivorsitz von Matthias Platzeck auf den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten dermaßen gleichgerichtet schlecht aus, dass manche in der Partei nur soeben noch den Begriff einer "Kampagne" vermeiden.
Stets wurden die immer gleichen Tatbestände aufgezählt, dass Beck einmal die Leistungsträger fördern und sich danach um die Unterschichten habe kümmern wollen, dass er die Kernkraftwerke als maßgebliche Verursacher von CO2-Emissionen bezeichnet habe, dass er in der Außenpolitik unerfahren, stattdessen daheim bei Winzern und Weinköniginnen beliebt sei. Worte wurden zum Maßstab der Bewertungen gemacht. In diesen Tenor fügte sich nahtlos ein Umfrage-ergebnis (vom Institut Forsa für den "Stern" ermittelt) ein, wonach 49 Prozent der Befragten nicht wüssten, wer derzeit der Vorsitzende der SPD sei. Heftigen medialen Wirbel verursachte das. Dass tags darauf unter Berufung auf dasselbe Institut der Sender n-tv mitteilte, Beck liege nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Steinmeier (SPD) auf dem dritten Platz einer Zufriedenheitsskala von Politikern, ist unter Beratern in der SPD Beleg dafür, wie mit Umfragen Stimmung gemacht werde. "Der Beck zieht nicht", wurde der Forsa-Chef Güllner zitiert.
Mit einem "Kurt Scharping" war ein Text in der Zeitschrift "Der Spiegel" zu Beck und der SPD überschrieben. Der Vergleich ist falsch, sofern er auf die Gegenwart bezogen ist. Scharping hatte in Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder in der Partei zwei Gegner von machtpolitischem Gewicht. Scharping tat sich in der Kommunikation mit Parteifreunden schwer. Am Ende war er zudem unbeliebt. Beck ist derzeit unumstritten. Nach dem Rücktritten Franz Münteferings im Herbst 2005 und Platzecks ein halbes Jahr später halten es führende Leute in der Partei für ausgeschlossen, dass in absehbarer Zeit eine mehrheitsfähige Bewegung gegen Beck als Parteivorsitzenden zustande kommen könnte. Es heißt sogar: "Fehler werden ihm nachgesehen." Dass Beck derzeit "provinziell" wirke, fänden die Leute in der Partei nicht schlimm, zumal das durch Becks bisherige Tätigkeit als Ministerpräsident zu erklären sei. Und manche Kritik sei mithin bloß journalistischer Natur, die ohne politische Auswirkung sei. Beck sei "verlässlich" und habe "Ruhe" in die Partei gebracht.
Möglicherweise ist nun - wenigstens vorläufig - alles Schlechte über Beck geschrieben worden und die "Talsohle" erreicht. Doch bedeutet das nicht, dass Becks Amtsführung in der SPD außerhalb der Kritik und kritischer Beobachtungen stünde. Dazu gehört der Vorwurf, er betreibe ein "Themen-Hopping". Manche in der Partei leiten daraus den Schluss ab, sie wüssten nicht, was Beck wolle, und sie fragen, wie er "wirklich" sei. Bisher gebe es nur "Eindrücke" über ihn, zu denen der eines bodenständigen Ministerpräsidenten gehöre. Doch werde das nicht ausreichen. "Was ist sein Profil?", wird gefragt. Auf dem linken Flügel wird daran erinnert, Beck habe in der Programmdebatte keine besonderen Akzente gesetzt. Er setze in der Politik zu sehr "auf Harmonie".
Von Platzecks Interregnum abgesehen, ist Beck seit dem Umzug des politischen Betriebes von Parlament, Regierung und Parteizentralen 1999 nach Berlin der erste SPD-Vorsitzende, der nicht ständig am Regierungssitz tätig ist. Er sagt, er leide nicht unter der Belastung der Reisen zwischen Mainz und Berlin. Doch wird zunehmend deutlich, dass das Zusammenwirken der Stabsstellen nicht reibungslos verläuft. Zwar fehlt es nicht an Gesprächen zwischen Becks Staatskanzlei in Mainz, dem Willy-Brandt-Haus, der Führung der Bundestagsfraktion und dem "Vizekanzleramt", also der politischen Führung von Münteferings Ministerium. Doch mangelt es Beck nach Wahrnehmung im Binnenbetrieb der SPD an vertrauten Mitarbeitern in Berlin, die dort ständig präsent sind, zudem über internen Einfluss verfügen und mit den maßgeblichen Beratern Münteferings und anderer Minister strategische Absprachen treffen könnten.
SPD-Generalsekretär Heil gilt gegenüber Beck zwar als loyal. Doch kommt er nicht aus dessen altem Dunstkreis; Heil war von Platzeck vorgeschlagen und dann von Beck übernommen worden. Die Staatssekretäre Münteferings (Wasserhövel) und von Umweltminister Gabriel (Machnig) hingegen wirken dem Vernehmen nach seit einiger Zeit eng zusammen. Beide waren früher zu Münteferings Zeiten als SPD-Generalsekretär und Parteivorsitzender Bundesgeschäftsführer der SPD. Immer wieder gibt es deshalb Hinweise, "Münteferings Leute" suchten nach Möglichkeiten, auf die Arbeit der Parteizentrale Einfluss zu nehmen. Es gibt einen Konkurrenzkampf. Dieser ist für Beck so lange unerheblich, wie dies ein Wettbewerb um Einfluss zwischen unterschiedlichen Stabsstellen bleibt. Schwieriger würde es für ihn, wenn sich daraus Positionskämpfe zwischen den Politikern selbst entwickelten.
Manche Aktionen des Willy-Brandt-Hauses und auch von Beck selbst stoßen in anderen Führungskreisen auf Kritik. Die Unterschriftensammlung zugunsten eines Mindestlohnes gehört dazu, auch wenn der Aufruf selbst von Müntefering und vom Fraktionsvorsitzenden Struck unterzeichnet worden war. Manche nennen sie bloßen "Quatsch". Becks Reise nach Afghanistan gehört auch dazu - einerseits wegen der dort gefallenen Äußerung Becks über die "gemäßigten Taliban", andererseits wegen der Reise als solcher. Es helfe wenig, der Bundeskanzlerin - zumal in deren Zeit als Ratspräsidentin der Europäischen Union - auf dem Feld der Außenpolitik Konkurrenz machen zu wollen. Dazu kommen Vorwürfe aus den sozialdemokratischen Regierungsstellen, die Parteizentrale vermittele den Parteigliederungen nur unzureichend die Erfolge der SPD in der großen Koalition. Analysen dieser Art gibt es: "Frau Merkel betreibt sozialdemokratische Politik; die SPD aber hat Probleme; das kann nicht so bleiben."
Müntefering hat nun abermals - jetzt in der "Süddeutschen Zeitung" - vor oppositioneller Mentalität der SPD gewarnt. "Man muss das Land regieren wollen." Und: "Die SPD muss sagen: Wir machen das Ganze besser. Nicht nur: Wir machen Sozialpolitik besser." Der Aufruf richtet sich mindestens auch an das Willy-Brandt-Haus und an den Generalsekretär Heil, der in den vergangenen Monaten mit seiner Schelte am Koalitionspartner wie ein Oppositionspolitiker auftrat. Die SPD müsse, das fordert Müntefering, deutlicher machen: Das ist unsere Regierung. Müntefering steht darin inhaltlich und strategisch nicht im Widerspruch zu Beck. Doch kennzeichnen die Äußerungen des Vizekanzlers dessen Unzufriedenheit über die Verwirklichung dieser Absichten.
Schon wurde vermerkt, Müntefering habe zuletzt in langen Interviews wenig oder auch gar nichts über Kurt Beck gesagt. Wahrnehmungen gibt es, Müntefering, Gabriel und Steinmeier rückten machtpolitisch zusammen. Beck wird darauf zu reagieren haben. Es gilt als gewiss, dass er für das Jahr 2009 die Kanzlerkandidatur anstrebt. Doch hat er sie politisch und auch durch personelle Operationen vorzubereiten. In der Führung heißt es, er müsse das noch in diesem Jahr tun: "Sonst kriegt er Probleme."
Text: F.A.Z., 14.04.2007, Nr. 87 / Seite 10
MfG kiiwii
"Das hat so sein sollen, Freund und Kupferstecher; mitunter fällt Ostern und Pfingsten auf einen Tag" |