Showdown im Untersuchungsausschuss. Kohls Anwälte wollen die Vereidigung des Ex-Kanzlers am Donnerstag mit allen Tricks verhindern. Berlin - Wenn es um sein "Ehrenwort" geht, gerät Helmut Kohl schnell in Rage. Kaum war dem Altkanzler Ende November zu Ohren gekommen, dass ihn die rot-grüne Koalitionsmehrheit - für diesen Donnerstag - erneut als Zeugen vor den Untersuchungsausschuss "Parteispenden" laden wollte, ging er zum Gegenangriff über. Per Fax attackierte er zuerst den Ausschuss-Vorsitzenden Volker Neumann (SPD). Der habe zugelassen, dass die Ladung an ihn, den Zeugen Kohl, schon "auf der Homepage des 1. Untersuchungsausschusses angekündigt" war, bevor "eine entsprechende Einladung an mich ergangen ist". Dann erregte er sich über das "rüpelhafte Verhalten" der rot-grünen Ausschuss-Mehrheit. Schließlich drohte er, sprachlich ungelenk, mit "einer bald stattfindenden Dokumentation über Ihre Praxis als Ausschussvorsitzender und die Tätigkeit der rot-grünen Ausschussmehrheit". Patzig warf er ("Ich denke, zu diesem Brief passt auch keine Grußformel") zum Schluss nur noch seinen Namenszug aufs Papier.
Fakten ignorierte der Erzürnte offenbar sehr großzügig. Es gibt nämlich keine "Homepage" des Untersuchungsausschusses. Und die schriftliche Vorladung lag - als Kohl seinen Brief diktierte - längst bei seinem Anwalt, Stephan Holthoff-Pförtner.
Die rüde Attacke ist Teil der Verteidigungsstrategie, die Kohl und seine Anwälte von Anfang an verfolgten: Öffentlich gegen das Tribunal poltern, aber zur Sache schweigen - mit dieser Taktik ist der Ex-Kanzler bislang gut gefahren. Alle Appelle, endlich die Namen der angeblichen Spender zu nennen, die ihm in der Zeit von 1993 bis 1998 insgesamt 2,17 Millionen Mark zugesteckt haben sollen, prallten an ihm ab. Er habe sein "Ehrenwort" gegeben, das werde er nicht brechen. "Dafür geht der Kohl", sagt einer seiner Vertrauten, "sogar lächelnd in Beugehaft." Die Parlamentarier fühlten sich bislang machtlos. Wegen eines noch laufenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bonn konnte Kohl sich immer dann, wenn es für ihn brenzlig wurde, hinter dem Strafgesetzbuch verschanzen und die Aussage verweigern. Solange die Justiz recherchierte, stand ihm dieses Recht ausdrücklich zu.
Inzwischen ist das Ermittlungsverfahren eingestellt. Kohl hat ein Bußgeld von 300.000 Mark akzeptiert und auch schon gezahlt. Nach Meinung der Koalitions-Mehrheit gibt es damit keinen Grund mehr, die Aussage zu verweigern. Die rot-grünen Abgeordneten wollen Kohl an diesem Donnerstag deshalb sogar auf seine bisherigen Aussagen vereidigen.
Doch Kohls Anwälte planen bereits den nächsten Eklat. Der langjährige Bundeskanzler soll weiterhin das Privileg haben, die Aussage zu verweigern. Und vereidigt werden darf er nach Meinung seiner Juristen schon gar nicht. Die nächste Kraftprobe mit dem Parlamentsausschuss ist damit programmiert - und wie es aussieht, werden die Abgeordneten wieder den Kürzeren ziehen.
Denn Holthoff-Pförtners Argumentation klingt einleuchtend. Und sie wurde - im Verfahren gegen den Kohl-Helfer Hans Terlinden - bereits erfolgreich vor dem Landgericht in Berlin erprobt.
Kohl - so die daraus abgeleitete neue Verteidigungs-Linie - sei als Hauptakteur der Spendenaffäre zwar nicht mehr "Beschuldigter" im Sinne des Strafgesetzbuches. Nach den Regeln der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft (IPA), die für parlamentarische Untersuchungsausschüsse gelten, genieße er aber den Status des "Betroffenen" und habe als solcher auch das Recht, sich selbst belastende Aussagen zu verweigern. Außerdem bestreitet der Jurist dem Untersuchungsausschuss das Recht, Kohl zu vereidigen. Dies dürfe nur ein unabhängiges Gericht, nicht aber ein parteipolitisch besetzter Ausschuss. Zum Beleg führt der Advokat das gerade erst verabschiedete neue Gesetz zur Regelung der Arbeit von Untersuchungsausschüssen an. Dort sei das Instrument der Vereidigung von Zeugen nicht nur nicht vorgesehen, man habe bei den Gesetzesberatungen sogar ausdrücklich darauf verzichtet. Einziger Haken: Das Gesetz gilt ausdrücklich nicht für das laufende Untersuchungsverfahren.
Ob Kohl dem Rat seiner Anwälte tatsächlich folgen wird, ist noch nicht endgültig klar. Erst heute, einen Tag vor dem publicityträchtigen Auftritt, wollte sich der CDU-Politiker mit seinem Rechtsbeistand beraten. Ganz einfach ist die Entscheidung auch aus Sicht der Juristen nicht: Ein Ex-Kanzler, der sich weigert, einen Eid zu schwören, macht in der Öffentlichkeit kein gutes Bild.
Aber selbst wenn es zum Schwur käme, glaubt niemand, dass damit die Spendernamen bekannt würden. Holthoff-Pförtner hat auch für den Fall, dass Kohl seinem Rat nicht folgt und den Eid leistet, eine juristische Argumentation parat: "Er kann nur auf das vereidigt werden, was er gesagt hat, nicht auf das, was er verschweigt." |