SPD-Politiker zweifeln an Türkei-Aufnahme
Vor den morgen beginnenden Beitrittsverhandlungen haben sich mehrere SPD-Politiker skeptisch geäußert, ob eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU tatsächlich angestrebt werden soll. Zweifel an der Türkei-Aufnahme galten bisher als reine Unions-Domäne.
SPD-Politiker Klose: "Verhandlungen ergebnisoffen führen"
Hamburg/Istanbul - Vor dem geplanten Beginn der Beitrittsverhandlungen am morgigen 3. Oktober sagte der Vize-Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Hans-Ulrich Klose (SPD), der "Bild am Sonntag": "Mitglied kann die Türkei nur werden, wenn sie beitrittsfähig und die EU aufnahmefähig ist. In den nächsten zehn Jahren wird das nicht der Fall sein."
Klose sagte mit Blick auf ein mögliches Regierungsbündnis mit CDU/CSU: "Eine Große Koalition wird sich an die Vereinbarung halten, dass die Verhandlungen mit dem Ziel des Beitritts, aber ergebnisoffen geführt werden. Das heißt, die Verhandlungen können auch scheitern." Niemand wisse, "ob und wann die Türkei die Bedingungen für eine Aufnahme in die EU" erfülle, sagte auch der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz. "Derzeit ist Ankara noch weit davon entfernt, und ich bin skeptisch, ob sich daran zügig etwas ändert."
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sagte: "Der Beitritt ist das Ziel, doch der Ausgang der Verhandlungen ist völlig offen." Der SPD-Außenexperte und frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt, Christoph Zöpel, äußerte ebenfalls Zweifel. Wenn es nicht zur Mitgliedschaft komme, sei "vieles denkbar - auch eine privilegierte Partnerschaft".
Dieses Konzept wird bisher nur von CDU und CSU vertreten. Deren stellvertretender Fraktionschef und Außenexperte Wolfgang Schäuble lehnte eine EU-Aufnahme der Türkei erneut mit Nachdruck ab. "Eine Vollmitgliedschaft über die Köpfe der Menschen hinweg wird es nicht geben." Die Mehrheit der Europäer, auch der Deutschen, "spürt doch ganz genau, dass an den Grenzen des Iran und des Irak nicht mehr Europa ist. Und auch die Menschen in der Türkei werden bald erkennen, dass auch für sie eine andere Form der Partnerschaft besser ist als eine Vollmitgliedschaft", meinte Schäuble.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, warf Klose und anderen SPD-Politikern vor, sie wollten sich wegen der Verhandlungen um eine Große Koalition im Bund vom bisherigen Kurs in der Türkeipolitik absetzen. "Die Österreichisierung der deutschen Außenpolitik ist die erste Morgengabe mancher Sozialdemokraten an die Union", sagte Beck mit Blick darauf, dass die Wiener Regierung den Start der Beitrittsverhandlungen zu blockieren sucht.
Beck sagte: "Wenn die Türkei die Voraussetzungen für einen Beitritt in 10 oder 15 Jahren erfüllt, muss die Europäische Union ihre Zusage eines Beitritts einlösen." Der Weg der Türkei zur Beitrittsfähigkeit sei allerdings noch weit. Zahlreiche wirtschaftliche und rechtliche Voraussetzungen müssten geschaffen werden. Sollte sich eine Große Koalition von der Beitrittsperspektive verabschieden, treffe sie "eine strategische Fehlentscheidung für die Sicherheit Europas". (äähh... warum das ??)
Der Beitritt der Türkei zur EU sei der Lackmus-Test für die Glaubwürdigkeit des Westens und seiner Werte im islamischen Raum. Ein Wortbruch (??) verursache ein Auseinanderdriften des islamischen und des jüdisch-christlichen Kulturkreises hin zu einem Kampf der Kulturen.
Auch der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sieht die Europäische Union im Streit um die Beitrittsperspektive der Türkei am Scheideweg. Die EU entscheide nun, ob sie ein "weltweiter Akteur" oder ein "christlicher Club" werden wolle, sagte der Regierungschef heute in Istanbul vor Mitgliedern seiner AK-Partei.
Die EU-Außenminister wollen heute Abend zusammenkommen, um ihren Streit um die Vorgaben für die Beitrittsverhandlungen beizulegen. Die Gespräche mit der Türkei sollen bereits morgen beginnen. Umstritten ist dabei noch der Verhandlungsrahmen, in dem die Ziele der Gespräche mit Ankara festgelegt werden. Als einziges EU-Land fordert Österreich, die Vorgabe zu streichen, das Ziel der Verhandlungen sei der Beitritt der Türkei. So hatten es die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen im Dezember beschlossen. Nach den Vorstellungen der österreichischen Regierung soll für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen eine "alternative" Bindung zwischen Türkei und EU festgeschrieben werden.
Die Türkei droht im Falle der von Österreich geforderten Änderung erst gar nicht an dem Treffen teilzunehmen. Doch nach einem diplomatischen Desaster dieser Art sieht es zunächst nicht aus: Gestern hatte Erdogan mit dem österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel telefoniert. Der türkische Regierungschef sprach danach von einem "sehr positiven und angenehmen Gespräch".
MfG kiiwii |