Deutsche Telekom - Ricke räumt den Laden um (EurAmS) Es tut sich was bei der Telekom. Mit einem Umbau will Konzernchef Kai-Uwe Ricke näher an die Kunden ran. Und Finanzminister Eichel plant den Komplettausstieg des Bundes. von Hans Sedlmaier, Euro am Sonntag 26/04
Anfang vergangener Woche hatten Rudi Völler und Kai-Uwe Ricke noch eines gemeinsam: Sie tüftelten an der besten Strategie für ihre Mannschaft. Zusammen mit seinen 60 höchsten Führungskräften hatte sich der Telekom-Chef in ein geheimes Trainingslager zurückgezogen, Schwachstellen im Konzern analysiert, Reibungsverluste ausgemacht und den Plan für eine viel versprechende Vorwärtsstrategie entwickelt. Mit Erfolg. Im Gegensatz zum deutschen Teamchef, der nach dem Tschechien-Debakel frustriert zurücktrat, bekommt Ricke von allen Seiten Lob für sein Ergebnis.
"Der Konzernumbau ist sehr zu begrüßen, weil sich die Deutsche Telekom stärker an ihren Kunden ausrichtet", urteilt nicht nur Holger Bosse, Telekom-Analyst bei Helaba Trust. Sein Kollege Ralf Hallmann von der Bankgesellschaft Berlin schätzt an der Neuausrichtung der Telekom, dass sie "die Loyalität der Kunden erhöhen und so auf Dauer auch zu neuen Kunden führen könnte".
Vor allem bei den Geschäftskunden hatte die Telekom seit der Öffnung des Marktes Ende der 90er-Jahre gegenüber privaten Mitbewerbern überdurchschnittlich hohe Marktanteile verloren. Eine Ursache dafür waren Machtkämpfe und unklare Kompetenzzuweisungen innerhalb der vier Telekomsparten T-Systems, T-Com, T-Online und T-Mobile.
"Seit Jahren gibt es Klagen, dass die Geschäftskunden zwischen der Festnetzsparte T-Com und der Geschäftskundensparte T-Systems regelrecht in der Luft hingen", erklärt Hallmann. Auch Privatkunden haben das Hin und Her schon erlebt, wenn sie einen DSL-Anschluss bestellt haben oder drahtlosen Internetzugang wollten: Mal ist die Festnetzsparte T-Com zuständig, dann wieder Internettochter T-Online.
Dieser interne Kampf um die Kunden tat der Telekom nicht gut. Er schadete ihrem Image und wirkte sich wohl auch nicht positiv auf die Bilanz aus. Das soll ab Anfang kommenden Jahres anders werden. Fünf statt bisher vier Sparten wird es geben, die zu drei so genannten "strategischen Wachstumsfeldern" gehören. Als da wären: Geschäftskunden, Breitband/Festnetz und Mobilfunk.
Geschäftskunden werden künftig nur noch von T-Systems und dem neu gegründeten Konzernbereich "Flächenvertriebe" betreut. Dabei soll T-Systems die weltweit 60 größten Geschäftskunden mit IT- und Telekomdiensten versorgen, um alle übrigen Geschäftskunden kümmert sich künftig die Sparte Flächenvertriebe. Sie hat damit eine Art Querschnittsfunktion, weil sie auch für die Versorgung der Geschäftskunden mit den Produkten der übrigen Telekomsparten zuständig ist.
Zum zweiten Wachstumsfeld Breitband/Festnetz gehören das Internetunternehmen T-Online und das traditionelle Festnetzgeschäft von T-Com. Noch immer trägt die Festnetzsparte im Konzern den Löwenanteil zu Umsatz und Gewinn bei.
Spekulationen um die Eingliederung der Tochter T-Online: Viele vermuten, dass die Telekom die börsennotierte T-Online bald komplett zurückkaufen könnte. Ricke hatte diese Absicht bisher stets bestritten. Mittelfristig gilt die Möglichkeit vielen Experten aber nach wie vor als ein durchaus realistisches Szenario. Vorgemacht hat das die France Télécom, die ihre Online-Tochter Wanadoo bereits wieder vom Parkett geholt hat.
Finanziell gesehen würde sich das für die Deutsche Telekom durchaus lohnen. Schließlich hat sie für die 20 Prozent an T-Online, die sie im April 2000 an die Börse brachte, bei einem Ausgabepreis von 27 Euro rund 2,7 Milliarden Euro eingenommen. Jetzt kostet eine T-Online-Aktie 9,xx Euro - ein Angebot an die freien Aktionäre von T-Online würde Ricke also gerade mal gut ein Drittel der Summe kosten, die sein Vorvorgänger Ron Sommer vor vier Jahren dafür bekommen hat. Auch der Cash-Bestand von vier Milliarden Euro, auf dem T-Online-Chef Thomas Holtrop sitzt, könnte für Ricke ein weiteres Argument für einen solchen Deal sein.
Das dritte Wachstumsfeld, der Mobilfunk, wird künftig nur von T-Mobile beackert. Dieser Konzernbereich glänzt mit den stärksten Wachstumsraten.
Manchen gilt die Neuausrichtung als Zwischenschritt auf dem Weg zu einer reinen Zweiteilung des Konzerns in die Bereiche Privatkunden und Geschäftskunden. "Es kann gut sein, dass die Telekom später einmal ihre Geschäftsfelder rein aus Kundensicht aufteilt", meint Analyst Hallmann. Der Vorteil eines Zwischenschritts sei es, dass man nicht auf einen Schlag alles umreißen müsse, was viel Unruhe mit sich bringen würde.
Auch in der Besetzung des Vorstands wird sich die Neuausrichtung der Deutschen Telekom widerspiegeln. Dieser soll von sieben auf sechs Mitglieder verkleinert werden. Neben Ricke, Finanzchef Karl-Gerhard Eick und Personalvorstand Heinz Klinkhammer blieben dann noch drei Plätze für die drei Wachstumsfelder. Zwei davon sind durch T-Systems-Leiter Konrad Reiss und T-Mobile-Chef René Obermann schon in festen Händen. Daher könnte es für T-Online-Chef Thomas Holtrop eng werden. Ihm wird zwar von allen Seiten bescheinigt, einen guten Job zu machen. Doch verliert T-Online in der neuen Struktur neben der mächtigen T-Com kräftig an Gewicht. Seit T-Com-Chef Josef Brauner infolge des Maut-Debakels gehen musste, ist dieser Posten unbesetzt. Als Brauner-Nachfolger ist Holtrop zwar durchaus denkbar. Sollte er aber nicht Chef des Geldbringers T-Com werden, dann ist er auch seinen Sitz im Vorstand los. In diesem Fall gilt es als gut möglich, dass für T-Com ein neuer Mann von außen geholt wird. Hierfür sollen unter anderem Arcor-Vorstandsvorsitzender Harald Stöber und Frank Esser, der Chef der französischen Mobilfunkfirma Cegetel, im Gespräch sein.
Bundesfinanzminister Hans Eichel kann es nur recht sein, wenn eine mehr am Kunden orientierte Deutsche Telekom auch an der Börse besser ankommt. Schließlich will er all seine Aktien verkaufen - zu guten Kursen versteht sich. Die Analysten jedenfalls sind von der neuen Strategie angetan und setzen die Kursziele hoch. Holger Bosse von Helaba Trust, der schon bisher hinter Rickes Kurs stand: "Wir sehen uns in unserer positiven Einschätzung bestätigt." red / -red- Euro am Sonntag
Wenn Eichel erst einmal mit dem Verkauf der Aktien beginnt, sind alle positiven Kurstendenzen über den Haufen geworfen. |