30.01.2012 Porsche: "Das ist unsäglich, das ist kriminell" von Martin Seiwert Bei den Milliardenklagen gegen Porsche und den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen dessen Ex-Manager gerät Christian Wulff ins Zwielicht. Recherchen der WirtschaftsWoche legen den Verdacht nahe: Als Ministerpräsident von Niedersachsen und VW-Aufsichtsrat hat er die Börsenaufsicht falsch informiert und mögliche Straftaten gedeckt.
Der 28. Oktober 2008 ist ein Tag, der in die deutsche Wirtschaftsgeschichte eingeht. Innerhalb weniger Stunden schießt der Kurs der Volkswagen-Aktie von 520 auf 1005 Euro. Der Wolfsburger Autokonzern ist plötzlich 296 Milliarden Euro wert, mehr als alle Autobauer in Europa und den USA zusammen. Allein Großaktionär Porsche, dem zu diesem Zeitpunkt 42,6 Prozent von VW gehören, verbucht nach Schätzungen der Deutschen-Bank-Tochter DWS zwischen 10 und 40 Milliarden Euro Gewinn. Für Anleger, die auf sinkende Kurse gesetzt haben, ist die irrwitzige Rally an der Börse jedoch eine Katastrophe. Bis zu 30 Milliarden Euro Vermögen verdunsten aus ihren Büchern. Schnell keimt unter Börsianern ein schlimmer Verdacht: Porsche könnte illegal den VW-Kurs getrieben haben.
Wulffs Schlüsselrolle
Bundespräsident Christian Wulff ist zu dieser Zeit Regierungschef des Landes Niedersachsen, das damals rund 20 Prozent an dem Wolfsburger Autokonzern hielt und bis heute über eine Sperrminorität verfügt. Als Ministerpräsident gehört der Christdemokrat zugleich dem VW-Aufsichtsrat an und verfolgt die Kurskapriolen am 28. Oktober 2008 deshalb auch aus dieser Perspektive. Dass ihm dies jetzt, dreieinhalb Jahre später, eine Schlüsselrolle bei der juristischen Aufarbeitung des Börsengeschehens bescheren würde, kann Wulff zu dem Zeitpunkt nicht ahnen.
Doch die Situation hat sich inzwischen gravierend verändert. Porsche ist längst mit dem Versuch gescheitert, Volkswagen zu übernehmen. Nach einer der verbissensten Übernahmeschlachten des vergangenen Jahrzehnts steht der Sportwagenbauer davor, seinerseits in den VW-Konzern eingegliedert zu werden. Vor allem aber sind die Kursbewegungen von damals Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen geworden.
Verdacht auf Marktmanipulation
In Stuttgart ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Sommer 2009 gegen Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, den früheren Finanzchef Holger Härter sowie weitere Manager des Sportwagenbauers wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Mehr als 80 Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen haben Ende 2011 Porsche und VW auf Schadensersatz von über vier Milliarden Euro verklagt. Und seit rund vier Wochen verlangen deren Anwälte sogar von Wulff persönlich 1,8 Milliarden Euro Wiedergutmachung.
Dadurch gewinnen Äußerungen eine neue Bedeutung, die Wulff im Juli 2009 gegenüber der WirtschaftsWoche über die gescheiterten Porsche-Attacken auf VW sowie über mögliche Marktmanipulationen durch Wiedeking und Härter machte. Die Äußerungen lassen den Schluss zu, dass Wulff bereits während der Schlacht um VW tiefe Kenntnisse über die Übernahme-Absichten von Porsche hatte, die nun Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sowie der Schadensersatzklagen sind.
Vor allem aber drängt sich der Verdacht auf, dass er dieses Insiderwissen für sich behielt – also nichts unternahm, um das Kurschaos an der Börse zu verhindern. Nicht nur, dass Anleger vom Bundespräsidenten deswegen Milliarden wollen. Wulff könnte sogar mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt geraten. Der Bundespräsident lehnt mit Verweis auf die laufenden Ermittlungsverfahren und Schadensersatzprozesse sowie seine Schweigepflichten als Ex-VW-Aufsichtsrat jeglichen Kommentar ab.
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