MEINUNGTagesanbruch Was heute Morgen wichtig ist
Von Florian Harms 09.07.2018, 00:18 Uhr
Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,
hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages: WAS WAR?
Mitarbeiter der Hilfsinitiative SOS Mediterranee werfen Flüchtlingen vor der libyschen Küste Rettungswesten zu. (Quelle: dpa/Laurin Schmid/SOS Mediterranee)Mitarbeiter der Hilfsinitiative SOS Mediterranee werfen Flüchtlingen vor der libyschen Küste Rettungswesten zu. (Quelle: Laurin Schmid/SOS Mediterranee/dpa)
Eine Höhle in Thailand: Zwölf Jungen und ihr Fußballtrainer sind tief drunten im Erdreich gefangen, die Luft wird knapp, das Wasser steigt. Dramatische Stunden, Bangen um Leben und Tod. Hunderte von Helfern sind im Einsatz, Taucher retten einen Jugendlichen nach dem anderen. Fernsehteams und Newssites aus aller Welt berichten live.
Mittelmeer: Allein im Juni sind 629 Flüchtlinge ertrunken. In der ersten Juliwoche waren es 120, seit Jahresbeginn mindestens 1.412 Menschen. Experten sagen: Es sind so viele, weil die See in den Sommermonaten ruhiger ist und die Schlepper in Libyen mehr Leute losschicken – aber auch deshalb, weil die EU und vor allem Italien inzwischen Flüchtlingsboote zurückweisen und private Hilfsorganisationen daran hindern, den Menschen zu helfen. Live-Sendungen, pausenlose Berichterstattung? Nein. Immerhin die Kollegen des WDR-Magazins “Monitor“ haben die katastrophale Lage in einem Film dokumentiert.
Dreierlei fällt auf:
Erstens die seltsame Schieflage der Aufmerksamkeit und der medialen Berichterstattung. Hier die Höhle, dort das Mittelmeer. Zwei Dramen, aber nur eines steht im Fokus.
Zweitens der vielerorts in Europa verbreitete Irrglaube, es würden irgendwann keine Flüchtlinge mehr kommen, wenn man nur alle ihre Boote abweise. Sie werden selbstverständlich trotzdem kommen – aber sie ertrinken eben, statt gerettet zu werden. Um die Flüchtlingskrise zu lösen, muss Europa viel mehr tun, als nur seine Grenzen dicht zu machen.
Drittens: Sich kaum in den Herkunfts- und Transitländern der Flüchtlinge zu engagieren, aber Flüchtlingshelfer an den Pranger zu stellen – wie es Italien und andere EU-Staaten tun – ist kurzsichtig und makaber. “Wir können uns nicht auf Menschenrechte, Aufklärung und Humanismus berufen und gleichzeitig die Rettung Ertrinkender kriminalisieren“, schreibt Wolfgang Luef im “SZ Magazin“. “Wer gerade dabei ist, zu ertrinken, der ist weder Flüchtling noch Migrant, der ist weder Afrikaner noch Europäer, weder Muslim noch Christ, der ist ein Mensch, der gerade dabei ist, zu ertrinken, und man muss alles unternehmen, um ihn zu retten. Menschen aber sehenden Auges ertrinken zu lassen, als abschreckendes Beispiel für andere, das ist keine Meinung. Es ist der erste Schritt in die Barbarei. Prozesse gegen diejenigen zu führen, die tausende Menschen vor dem Tod gerettet haben, ist der zweite Schritt dorthin.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. https://www.t-online.de/nachrichten/id_84080870/...-neuer-verein.html
Doch: Ist der Tod durch Ertrinken auf dem Mittelmeer mitleiderregender als der Tod durch Verhungern aus dem Festland?
UN-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien hat den Weltsicherheitsrat vor einer dramatischen Hungernot in vier Staaten gewarnt. Nach seinen Worten könnten bis zu 20 Millionen Menschen verhungern, sollte sich die internationale Gemeinschaft nicht zu einer größeren Hilfsaktion entschließen. "Wir brauchen 4,4 Milliarden US-Dollar bis Juli, um es genau zu sagen", sagte er. https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/...dsudan-somalia-nigeria |