Der Chef im Krieg

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eröffnet am: 05.04.03 15:16 von: calexa Anzahl Beiträge: 1
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05.04.03 15:16

4691 Postings, 8724 Tage calexaDer Chef im Krieg

Klar, wenn jetzt restrukturiert wird, ist es einfach ein Held zu sein: Musste gehen, weil ich für den Frieden war, knurren frisch entlassene Angestellte amerikanischer Mutterhäuser in den letzten Tagen gern. War nicht mehr gelitten, weil ich völkerrechtliche Bedenken geäußert habe, murmeln Nicht-Beförderte internationaler Konzerne.

Habe Friedensdemonstration besucht und Peace-Zeichen auf den Parka genäht, stammeln Bewerber nach der kühlen Ablehnung. Kein Zweifel, der Graben zwischen Europa und den USA ist tief aufgerissen. Der Krieg in Irak stellt dem alten Europa neue Fragen: Wie ist er nur, der Amerikaner? Und warum ist er so, wie er ist? Kein Mittagessen, ohne dass der Amerikaner, seine Motivation, seine Art, seine Ziele im Zentrum der Debatte stünden. Kein europäisches Meeting ohne verstohlene Blicke auf die US-Zentrale: Werden Solidaritätsadressen erwartet? Sammelaktionen für die Opfer? Wenn ja, an wen gehen die - die amerikanischen oder die irakischen?

Nach der ausführlichen Erörterung dieser unlösbaren Fragen werden die Kollegen dann ganz leise und ganz ehrlich. So ganz unter uns: Der Amerikaner, sagen sie, ist eigentlich unbelehrbar. Er ist stur und nur auf seine Ziele bedacht. Er verfolgt seine Interessen rücksichtslos und lässt dabei seine Opfer rechts und links des Weges liegen. Wenn etwas zu Bruch geht, dabei, wird es eben später repariert. Oder weggeschmissen. Am Ziel ist er erst, wenn er in der "Red Zone" angekommen ist, wenn der Nahkampf beginnt.


Jeden Tag selbst Geschichte machen

Das kommt daher, dass er keine Tradition und keine Geschichte hat, sagen die Belesenen unter ihnen: Deshalb kann der Amerikaner an sich es nicht lassen, jeden Tag selbst Geschichte zu machen. Und: Wer nicht einmal weiß, dass es Gebäude gibt, die älter sind als 300 Jahre, der kann auch nicht wissen, dass man sie nicht kaputt machen sollte.

Dann lehnen sich die frisch ernannten Kantinen-Generäle zurück, lassen ihre Blicke schweifen und sehen den eigenen Chef schnellen Schritts hereinkommen, eine Cola kaufen. Hemdsärmelig. Er grinst knapp rüber, grüßt zackig, zieht die Augenbrauen hoch und geht wieder. Der Chef. Rücksichtslos, murmelt einer. Frisst sich durch die Vorlagen, als müsse er alles selbst und alleine wissen. Als könne er niemandem trauen hier im Laden.

Und wie der mit den Leuten umgeht, die er nicht mehr braucht, seufzt ein Zweiter. Grauenhaft. Fegt sie beiseite, als seien sie nichts. Nichts wert, zu nichts nütze, nicht mehr da - das sei der Dreisatz, nachdem er handele. Hat schon die dritte Kündigungswelle hinter sich gebracht und nicht ein einziges Mal den Betriebsrat gefragt, seufzt ein Dritter. Nicht ein einziges Mal. Und wie er sich wundert, dass wir hier einfach so sitzen. Und ihn angucken. Und nicht begeistert aufspringen, um ihm zu danken. Dass wir noch hier sitzen dürfen.


Wie der Amerikaner, der Chef.

So ist es. Das Geheimnis des Amerikaners ist, dass er der Chef ist. Und das Geheimnis aller Chefs ist, dass sie wie die Amerikaner sind. Widerstand? Zwecklos. Betriebsräte gründen? Da reicht ein einfacher Blick zur Uno. Den Helden im eigenen Land spielen? Zahlt sich weder auf kurze noch auf lange Sicht aus. Selber Karriere machen? Nur, wenn Sie es sich zutrauen, so zu werden wie der Amerikaner.

So long,
Calexa
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