Missbräuchliche VerwendungUnter dem Namen Miracle Mineral Supplement oder Master Mineral Solution (MMS) wird eine giftige[12] Lösung von 28 % Natriumchlorit und eine 10%ige „Aktivator“-Citronensäurelösung vertrieben.[13] Der Name wurde zuerst vom amerikanischen Ingenieur Jim Humble in seinem im Selbstverlag erschienenen Buch The Miracle Mineral Solution of the 21st Century geprägt. MMS wird fälschlicher- und gefährlicherweise als Wundermittel für verschiedene Anwendungen vertrieben: Etwa als Nahrungsergänzungsmittel und alternatives Antibiotikum mit vorbeugenden oder gar heilenden Wirkungen gegenüber Krankheitserregern (z. B. Malaria) bis hin zur Behandlung von Krebserkrankungen, AIDS, Autismus und Demenz.[14] Durch Einläufe von MMS sollen Betroffene von „Seilwürmern“ befreit werden können. Es gibt allerdings keinen ernstzunehmenden wissenschaftlichen Hinweis auf die Existenz von Seilwürmern.[15] Bei diesen umstrittenen Therapiemethoden wird Natriumchloritlösung verabreicht, in welcher durch Zumischen von Citronensäure das hochreaktive giftige Chlordioxid freigesetzt wird, das normalerweise zu Desinfektionszwecken oder zum Bleichen verwendet wird. Die Behandlung mit MMS wird als Quacksalberei eingestuft.[16] Mehrere Gesundheitsbehörden haben inzwischen vor MMS gewarnt und teilweise auch konkrete Maßnahmen zum Verbraucherschutz ergriffen. 2009 wurden im australischen Bundesstaat Queensland einer Laienheilerin vom Brisbane Supreme Court Heilungsversprechen sowie die Verabreichung nicht zugelassener Arzneimittel untersagt, nachdem sie in ihrer Garage Krebskranken MMS intravenös verabreicht hatte.[17] In Kanada wurde MMS im Mai 2010 von der Behörde Health Canada verboten und vor der Einnahme gewarnt.[18] Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) warnte im Juli 2010 vor der Einnahme von MMS mit der Begründung, dass das Mittel industrielle Bleichmittel enthalte und es zu erheblichen Gesundheitsschäden kommen könne, zahlreiche Meldungen über gesundheitliche Schäden bei MMS-Kunden hätten die Behörde bereits erreicht.[19] Im Oktober 2010 veröffentlichte das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic eine Mitteilung mit dem Titel „Warnung vor dem ‚Wundermittel‘ Miracle Mineral Supplements (MMS)“,[20] die sich wiederum auf eine Warnung des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und der französischen Behörden Institut de veille sanitaire (InVS) und Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé (Afssaps) bezog.[21] In Frankreich waren zu diesem Zeitpunkt nach Einnahme von MMS als Solution minérale miracle mehrfach Vergiftungen beobachtet worden.[22] In Deutschland ermittelte Ende 2010 in Oberbayern die Staatsanwaltschaft gegen einen Arzt, der MMS an seine Patienten verkauft hatte.[23] Er wurde 2012 verurteilt.[24] Außerdem hat das Landgericht Hildesheim 2017 einen von zwei Brüdern, die MMS und MMS2 (eine Variante mit 70 % Calciumhypochlorit in Kapseln)[13] von Dezember 2008 bis Juli 2014 mit einem Erlös von knapp 350.000 Euro vertrieben hatten, zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.[25][26] Eine Revision wurde 2019 vom Bundesgerichtshof abgewiesen.[26] Im Juli 2012 warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), indem es von der Einnahme und der Verwendung dringend abriet.[27] Aufgrund der weitverbreiteten Werbung sah sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Ende Mai 2014 veranlasst, auf die fehlende Zulassung als Arzneimittel und die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen.[28] Auch die Verbraucherzentrale warnt vor der Einnahme wegen einer erheblichen Gesundheitsgefahr.[12] Die Einnahme von MMS kann zu erheblichen Problemen führen, neben Übelkeit, Erbrechen und Durchfall in schwereren Fällen auch zu einer Schädigung der Erythrozyten, lebensbedrohliche Dehydratation und Nierenversagen.[29] Es wurde von einem Todesfall innerhalb 12 Stunden nach Einnahme von MMS berichtet,[12] es soll andere Todesfälle – auch von der FDA dokumentiert – gegeben haben.[30][31] Am 26. Februar 2015 stufte das BfArM die Präparate MMS und MMS2 der Firma Luxusline Ltd. als zulassungspflichtig ein.[13] Zulassungspflichtige Arzneimittel dürfen grundsätzlich nur auf den Markt gebracht werden, wenn das pharmazeutische Unternehmen der Behörde gegenüber Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit nachgewiesen hat. Ferner beurteilte das BfArM die beiden Mittel auch als bedenklich: Es bestehe der „begründete Verdacht“, dass sie „bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein vertretbares Maß hinausgehen“. Das BfArM bestätigte damit seine kritische Einstellung gegenüber „Miracle Mineral Supplement“-Produkten.[13] MMS2 ist noch gefährlicher als MMS, da durch die MagensäureChlorgas freigesetzt wird.[25] Dies führt dann häufig zu einer Verätzung der Speiseröhre. |