FTD: Vergangenheit holt die Banken ein14.03.2008 - 12:06 Die Kreditkrise greift immer weiter um sich. Die Banken sind für die Turbulenzen nur schlecht gerüstet. Mit Aktienrückkäufen, Dividenden und Übernahmen haben sie ihre Kapitaldecke aufgezehrt - jetzt geht es ans Eingemachte. Für US-Finanzminister Henry Paulson ist die Sache klar: "Wir wollen, dass Finanzinstitute aller Größen die Rolle spielen die sie für unsere Wirtschaft spielen sollten. Das bedeutet: Sie müssen ihre Kapitalbasis stärken. Das hat erste Priorität."
Im Zuge der Subprime-Krise haben die Banken inzwischen Wertberichtigungen in Höhe von rund 180 Mrd. $ vorgenommen. Schätzungen gehen davon aus, dass weitere Abschreibungen von 300 bis 400 Mrd. $ dazukommen könnten. Auf der Ertragsseite sieht es düster: Für das Jahr 2008 sind die Analysten skeptisch geworden. Sie revidieren ihre Ertragsprognosen nach unten. Die Analysten des Researchhauses Creditsights haben ihr Erwartungen für Bank of America, Citigroup, JP Morgan, Bear Stearns, Lehman Brothers, Merrill Lynch und Morgan Stanley deutlich zurückgefahren.
Für die bevorstehende Korrekturwelle sind die Finanzinstitute allerdings nur bedingt gerüstet: Sie haben in den vergangenen Jahren ihre Kapitaldecke bewusst dünn gehalten, um ihren Aktionären eine hohe Eigenkapitalrendite zu bieten. Nachdem Wall-Street-Häuser wie Merrill Lynch oder Citigroup, aber auch europäische Banken wie UBS ihr Kapital erhöht haben, geht es jetzt ans Eingemachte: Aktienrückkäufe werden gestoppt, Dividenden gekürzt.
Die Zeiten großzügiger Dividenden sind vorbei
"Bis zum Sommer 2007 haben sich die Banken darauf konzentriert, überschüssiges Kapital abzubauen. Das führte zu ehrgeizigen Aktienrückkaufprogrammen, höheren Dividenden und Übernahmen. Wir gehen davon aus, dass diese Zeiten vorbei sind", schreiben die Aktienstrategen der Credit Suisse. "Wir rechnen fest damit, dass sich die Banken der Rekapitalisierung widmen."
Für die Anleger dürfte die Abkehr von der Großzügigkeit schmerzhaft sein: Der Finanzsektor hat die höchsten Dividendenrenditen im S&P 500. Sie liegen momentan bei rund vier Prozent. Bei einer Marktkapitalisierung der gesamten Branche von 1940 Mrd. $ entspricht das einer Dividendensumme von knapp 78 Mrd. $ Zum Vergleich: Die durchschnittliche Dividendenrendite im S&P 500 liegt bei 2,3 Prozent. Die ersten Banken reagieren bereits. So hat die Citigroup ihre Dividende von 54 Cent auf 32 Cent je Aktie gekappt.
Ähnlich sieht es bei den Rückkaufprogrammen aus. Dem Datendienst Dealogic zufolge kündigten Finanzinstitute im vergangenen Jahr 118 Rückkäufe mit einem Volumen von 154 Mrd. $ an. Besonders freigiebig gaben sich der Versicherungskonzern AIG, Bank of America und die UBS. Die Schweizer Großbank beispielsweise kündigte im Februar 2007 an, zehn Prozent der Aktien zurückzukaufen. 2008 herrscht dagegen Bescheidenheit. Bisher haben nur fünf Unternehmen Rückkäufe angekündigt, der Wert dieser Programme liegt nur bei 6 Mrd $.
Europäische Banken geringer kapitalisiert als US-Rivalen
Kapitalnot ist keine Spezialität der US-Banken, wie eine Analyse der Citigroup zeigt: Zieht man eine bestimmte Kennzahl zu Rate - die Leverage Ratio, die Kernkapital zur Bilanzsumme in Beziehung setzt - schneiden die Europäer deutlich schlechter ab. Während die US-Banken hier auf einen Wert von sechs Prozent kommen, können die Banken in Europa nur drei Prozent vorweisen.
Die deutschen Institute liegen sogar noch darunter: Laut Citigroup kommt die Deutsche Bank auf 1,5 Prozent, die Commerzbank auf 2,7 Prozent und die Hypo Real Estate auf 1,6 Prozent. "Würde die Leverage Ratio in Europa auf 4,5 Prozent steigen, entweder durch frisches Kapital oder durch eine Verkürzung der Bilanz, würde das erheblich auf die Gewinne drücken. So würde der Gewinn je Aktie um rund 25 Prozent sinken", schreiben die Citigroup-Experten.
"Die Kapitalkennziffern der Europäer sind wirklich besorgniserregend", sagte ein Aktienmarktstratege, der nicht genannt werden will. "1996 lag die Eigenkapitalrendite der europäischen Banken bei durchschnittlich 13 Prozent. 2007 lag sie schon bei 21 Prozent. Das Problem ist, dass sich der Verschuldungsgrad über den gleichen Zeitraum deutlich erhöht hat", sagte der Stratege. "Die Banken haben ihre Erträge gesteigert, indem sie ihre Bilanz gestreckt haben."
Autor/Autoren: Tobias Bayer (Frankfurt)
(c) FTD
<!-- b1104 ý |