Turkish Stream seit zwei Wochen in Betrieb Alle streiten um Nord Stream im Süden liefert neue Putin-Pipeline bald bis Wien Teilen
Startseite Teilen E-Mail Kommentare Mehr Putin und Erdogan dpa/-/AP/dpaWladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei der Eröffnung der Erdgas-Pipeline Turkish Stream Mittwoch, 22.01.2020, 19:25 Während die USA in Nordeuropa mit aller Macht verhindern wollen, dass Russland günstiges Erdgas durch die Ostsee bis nach Deutschland liefert, schafft Putin weiter südlich Fakten und niemand hat etwas dagegen: Durch die russisch-türkische Pipeline Turkish Stream strömt seit diesem Jahr offiziell Gas.
Gemeinsam mit der Türkei hat Russland in kürzester Zeit ein Projekt umgesetzt, das für beide Staaten immense Bedeutung besitzt. Der Beschluss zum Bau von Turkish Stream war im Oktober 2016 ein wichtiger Teil der Wiederannäherung zwischen Russland und der Türkei. Vorher hatte Moskau die Beziehungen über Monate eingefroren, weil die türkische Luftwaffe Ende 2015 einen russischen Jet im Grenzgebiet zu Syrien abgeschossen hatte.
Anfang Januar 2020 nahmen der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Kremlchef Wladimir Putin in Istanbul die Leitungen in Betrieb. Dabei betonten sie auch die Bedeutung des Projekts für die Energiesicherheit Südeuropas. Tatsächlich könnten Moskaus Lieferungen über den südlichen Weg demnächst sogar bis vor die Grenzen Deutschlands strömen.
So fließt das Gas bis Europa Turkish Stream verläuft von Südrussland bis zur nordwesttürkischen Küste unweit von Istanbul über rund 930 Kilometer durch das Schwarze Meer. Durch die Pipeline können jährlich bis zu 31,5 Milliarden Kubikmeter Gas fließen. Baubeginn war 2017. Russland liefert bereits seit 2003 über die Pipeline Blue Stream bis zu 16 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr in die Türkei. Überflüssig wird sie mit Turkish Stream nach Ansicht des Energie-Experten Simon Schulte von der Uni Köln nicht. Blue Stream soll den Osten der Türkei versorgen. Die neue Pipeline ist demnach in erster Linie für Istanbul und dessen Umland bestimmt.
Der Verlauf von Turk Stream (grün) und Blue Stream (gelb) von Russland durch das Schwarze Meer in die Türkei GazpromDer Verlauf von Turk Stream (grün) und Blue Stream (gelb) von Russland durch das Schwarze Meer in die Türkei Die Pipeline besteht allerdings aus zwei Strängen: Die eine Röhre leitet Gas direkt in die Türkei, die andere verläuft bis zur bulgarischen Grenze und ist für Lieferungen nach Süd- und Südosteuropa bestimmt. Beide sollen gleich viel Gas transportieren nämlich je 15,75 Milliarden Kubikmeter. Ab der Grenze baut Bulgarien die Pipeline als Balkan Stream weiter bis an die serbische Grenze. Von da soll das Gas nach Ungarn geleitet werden. Lieferungen sollen aber auch in andere Staaten der Region wie in die Slowakei und Österreich ermöglicht werden. Die Arbeiten in Bulgarien sollen nach den Worten von Regierungschef Boiko Borissow bis Ende Mai dieses Jahres abgeschlossen sein.
Türkei hat als Transitland mehr Macht auf Energiemarkt Die Türkei ist einer der größten Abnehmer für russisches Erdgas. Sie ist angesichts eines Mangels an eigenen Energiereserven chronisch energiehungrig und muss einen Großteil des Bedarfs importieren. Von Vorteil ist auch die Abzweigung Richtung Europa: Sie gibt der Türkei als Transitland mehr Macht auf dem Energiemarkt. Energieminister Fatih Dönmez hat es im Dezember so ausgedrückt: Mit den Erdgasleitungen, die sowohl vom Osten als auch vom Norden kommen, werden wir auf den internationalen Märkten unverzichtbar sein.
Diese Karte zeigt das Netz geplanter und bereits gebauter Gas-Pipelines nach Europa Stand 2015 - während Nord Stream durch die Ostsee bereits vor vielen Jahren geplant war und noch immer auf die Fertigstellung wartet, wurde Turkish Stream in rekordverdächtiger Zeit beschlossen und fertiggestellt Bailey/WikipediaDiese Karte zeigt das Netz geplanter und bereits gebauter Gas-Pipelines nach und durch Europa Stand 2015 - während Nord Stream durch die Ostsee bereits vor vielen Jahren geplant war und noch immer auf die Fertigstellung wartet, wurde Turkish Stream in rekordverdächtiger Zeit beschlossen und fertiggestellt Erdogan will jetzt auch Gas im Mittelmeer abgreifen Turkish Stream ist für die Türkei auch ein politischer Erfolg, in einem Sektor, in dem sie sich jüngst ausgeschlossen gefühlt hat. Derzeit liegt sie wegen Erdgasprojekten im Mittelmeerraum schwer mit Anrainern wie Zypern oder Griechenland über Kreuz. Ein Resultat: In einem höchst umstrittenen Schritt hat die Türkei im November mit dem Bürgerkriegsland Libyen ein Abkommen zu Seegrenzen geschlossen, über das sie nun einige der umstrittenen Gebiete mit reichen Erdgasvorkommen für sich beansprucht. Zuletzt hat die Türkei sogar Soldaten nach Libyen entsandt, um im Bürgerkrieg den Allianzpartner, Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch, im Kampf gegen den einflussreichen General Chalifa Haftar zu unterstützen.
Warum die Pipeline für Putin so wichtig ist Moskau wiederum geht es in erster Linie um alternative Routen für den Transit russischen Gases durch die Ukraine nach Europa. Der Krieg im Osten des Landes und die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 durch Russland haben Moskau und Kiew entzweit. Die Ukrainer sind für die Russen damit zu einem schwer berechenbaren Geschäftspartner geworden. |