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„Das Elektroauto ist kein Beitrag zum Klimaschutz“
Ein Professor unter Strom: Der Wiener Motorenentwickler Fritz Indra hat sich in 60 Berufsjahren mit allen Antriebsarten von Automobilen beschäftigt. Den Ausstieg aus fossilen Energieträgern hält er für möglich – ohne Elektroauto. Herr Professor, sind Sie schon einmal ein Elektroauto gefahren?
Fritz Indra: Natürlich. Unter meiner Leitung nahm Opel am Rügen-Feldversuch teil, als man sehen wollte, ob Elektromobilität eine sinnvolle Alternative sein könnte. Es hat sich sehr klar herausgestellt, dass sie das nicht ist. Ich bin auch den EV1 von GM gefahren, das Elektroauto um das so viele Verschwörungstheorien kursieren. Dabei war es bloß ein schreckliches Fahrzeug, hochgradig gefährlich mit hauchdünnen Türen und dem massiven Mitteltunnel in dem die Akkus steckten. Es wurde zu Recht aus dem Verkehr gezogen.
Und Elektroautos jüngerer Bauart?
Den Tesla Roadster. Und Teslas Model S bei einer Testfahrt als Jurymitglied. Walter Röhrl war am Steuer. Er beschleunigte zweimal ordentlich, fuhr um eine Kurve, wollte nochmals beschleunigen, als er sagte: „Jetzt ist der Motor kaputt.“ Ich sagte: „Der Motor ist nicht kaputt. Du hast zweimal voll beschleunigt, daher schaltete der Temperatursensor der Batterie ins Notprogramm. Zum Glück funktioniert der Sensor, denn sonst brennen wir ab.“ Beim schnellen Be- und Entladen werden die Akkus heiß wie ein Handy, das am Ohr warm wird, wenn man lang telefoniert. Beste Freunde werden Sie und der Elektroantrieb wohl nicht mehr . . . Elektroantrieb ist wunderbar, wenn man ihn richtig einsetzt. Ich fahre elektrisch in die Stadt. Mit dem 38er. Aber eine Batterie ist eine chemische Fabrik, die als Energiespeicher für den Antrieb in einem Auto nichts verloren hat. Auch nicht in neuester und vielleicht kommender Generation? Die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie war eine physikalisch-chemische Spitzenleistung, für die drei Physiker 2019 den Nobelpreis erhielten. Aber es ist weit und breit nichts in Sicht – obwohl Zeitungen dauernd über Feststoff- und Zink-Luft-Batterien schreiben –, was die jetzige Batterietechnik ablösen könnte. Die Hoffnung, eines Tages eine Batterie zu haben, die alles kann, liegt bei null. Was wir jetzt erleben, ist das reine Desaster: Dass man unter dem Schutzmantel der Elektromobilität alles, wirklich alles machen kann, und für alles Fördergelder bekommt. Elektrische Passagierflugzeuge will man in England bauen. Oder rein elektrische Lkw und Busse: Schwere Autos, die von möglichst hoher Transportleistung leben – da will man Tonnen an Batterien hineintun, die dann fehlen für die Nutzlast. Promotet wird Elektromobilität mit der Formel E, dem „emissionsfreien“ Motorsport. Nur sagt niemand, dass der Strom für die Rennautobatterien von riesigen Dieselaggregaten stammt, in drei Hochseecontainern abseits der Boxen untergebracht. Die werden zu jedem Rennen um die ganze Welt geschleppt. Macht Ihnen der Klimawandel Sorgen? Man denkt darüber nach, wie man ihm am wirkungsvollsten begegnen kann. Elektromobilität ist der falsche Weg. Die Leute glauben, die Autos seien sauber, weil hinten nix rauskommt. Aber als Ingenieur lernt man, die Dinge global und übergreifend zu sehen. Und da stellt man schnell fest, wo die Bottlenecks sind. Der Umweg über Strom und die Batterie als Energiespeicher für den Antrieb ist mit so viel Verlust verbunden, dass der Gesamtwirkungsgrad schlechter ist als bei einem g'scheiten Verbrenner. Gut, das E-Auto macht keinen Dreck. Aber wir müssen die ganze Kette sehen, von der Herstellung bis zum Recycling. Ein Riesenproblem, weil sich nach und nach herausstellt, dass man eigentlich nicht recyceln kann. Heute werden diese Batterien geschreddert und im Hochofen verbrannt. Eine Umweltsünde nach der anderen. Die Weichen scheinen aber politisch in Richtung Elektroauto gestellt . . . Die Politik hat beschlossen, das Elektroauto ist sauber, und das will sie sich auch nicht ausreden lassen. Grund dafür ist der Dieselskandal, mit dem die Autoindustrie ihre Glaubwürdigkeit verspielt hat. Man hört ihr Wort nicht mehr. „Ihr habt uns belogen, deshalb macht ihr jetzt, was wir sagen.“ Wenn die Autoindustrie so gegen das E-Auto ist, dann überspielt sie es gut . . . Zwangsweise. Sie ist schon in die Falle getappt, als China vor fünf Jahren ausrief: „Elektromobilität ist die Zukunft.“ Doch mittlerweile hat ein Umdenken eingesetzt, man hat die Subventionen zurückgefahren – der Markt brach augenblicklich ein – und ist wieder technologie-offen und entwickelt in eine ganz andere Richtung, zum Glück mit österreichischer Beteiligung. Dennoch müssen ausländische Anbieter E-Auto-Quoten erfüllen, wenn sie in China verkaufen wollen, und die Batteriezellen müssen nachweislich aus China stammen. Das ist aber kein Klimaschutz, das ist Business. Wie profitiert China vom Elektroauto? Die Chinesen bauen alle zwei Wochen ein neues Kohlekraftwerk. Mit diesem Strom werden auch die Zellen hergestellt. China dominiert diesen Markt, die Abhängigkeit ist erschreckend. China hat Zugang zu billigen Rohstoffen, zu Hause und in Entwicklungsländern, in denen man Schürfrechte hält. Es gibt Lithium auch anderswo auf der Welt, das weiß man ja, nur ist die Gewinnung anderswo sehr viel teurer als in Chile. Dabei brauchst du wahnsinnig viel Wasser, um das auszuspülen. Die Bevölkerung hat nun das Problem, dass der Grundwasserspiegel sinkt, weil die Regierung Wasser nimmt, um Lithium zu gewinnen. Im Kongo lagern 70 Prozent aller Kobaltvorkommen. Wie es dort zugeht, ist bekannt. Die Schürfrechte hat China. Nun sollen in Europa Zellwerke entstehen. Kann man gern machen, das zahlt wieder der Staat, das sind unsere Steuergelder, die verbraten werden, als ob man damit nicht etwas Vernünftigeres machen könnte. Sowohl fürs Klima als auch für andere soziale Dinge. Europas derzeit größtes Batteriezellenwerk steht in Polen. Dort gibt es billigen Strom aus Kohlekraftwerken. Oft ist von „sauberem“ Strom die Rede. Jedes Elektroauto braucht zusätzlichen Strom, egal ob in der Produktion oder im Betrieb. Wir haben aber keine zusätzliche saubere Energie. Wie viel Kohlendioxid jedes Land pro Kilowattstunde erzeugt, ist kein Geheimnis. Da liegt Frankreich gut, wegen der Atomkraft, und Polen schlecht, wegen der Kohlekraftwerke. In Österreich, dank Wasserkraft, haben wir 30, 35 Prozent sauberen Strom. Aber die zusätzliche Energie ist dreckig, sie kann nur kalorisch sein. „Das Elektroauto machen wir mit sauberem Strom“, hört man. Aber du kannst Strom nicht teilen, das ist ein Mischmasch. Da ist Kohle dabei und Atomkraft. Strom ist nicht teilbar in sauberen oder nicht sauberen. Die Chinesen machen sowieso keine Angaben dazu. Was machen wir? Wir haben Pumpspeicher. Wir pumpen in der Nacht Wasser mit dreckigem Kohlestrom hoch, am nächsten Tag rinnt es runter und wird als sauberer Strom gezählt. So einfach ist das. Dennoch scheinen die Tage des Verbrennungsmotors gezählt. Es war das E-Auto, das den Entwicklungsvorsprung hatte. Der Siegeszug des Verbrennungsmotors begann erst 1911, mit dem elektrischen Starter, und ich wage die Prognose, dass er noch lang anhalten wird. Weil es aus Kundensicht keine echte Alternative zu dem gibt, was er heute hat. Er wird nichts kaufen, was schlechter ist. Entweder ist es billiger oder besser als das, was er schon hat. Heute tankt er in zwei Minuten auf und kann dann 1000 Kilometer fahren. Es gibt ja auch Bereiche, in denen Elektro sinnvoll ist, bei der Post oder Zulieferfirmen, bei kleinen Autos. Aber je größer die Autos werden, desto unsinniger ist es. Um künftig die CO2-Ziele einzuhalten, geht es aber gar nicht ohne Elektro. Am Ende entscheidet der Kunde. Der wird zur Not mit seinem Auto weiterfahren. Das ist ja ein riesiger Vorteil des Verbrennerautos: Es hält 20, 30 Jahre. Beim Elektroauto kostet die Batterie die Hälfte des Neupreises, es ist deshalb nichts mehr wert, wenn die Batterie nachlässt. Sie kriegen auch gar keine Batterie, weil niemand eine auf Lager legt. Das ist, wie gesagt, eine chemische Fabrik, temperaturempfindlich; je höher die Temperatur, desto schneller geht sie kaputt. Ist sie kalt, kann sie nicht geladen werden. Sie muss gekühlt und geheizt werden. Das wird nicht eingerechnet, wenn man vom hohen Wirkungsgrad des Elektromotors spricht. Und wie man beim Fall Tesla in Tirol gesehen hat: Keiner nimmt ein havariertes Batterieauto zurück. Das Thema ist nicht zu Ende gedacht. Streitbarer Professor: Friedrich Indra im Gespräch mit "Presse"-Redakteur Völker. Clemens Fabry/Die Presse Wie sollen die Klimaziele erreicht werden? Ich gehe davon aus, dass die Ziele aufgrund der Wirtschaftskrise, in die wir fahren, verschoben werden. Weil diese Elektroautos nicht verkaufbar sind. Sie konnten nur dadurch entstehen, dass die Firmen mit dem Verbrennungsmotor ordentlich Geld verdient haben, und wegen Fördergelder. Aber die Produktionskosten eines E-Autos sind 50, 60 Prozent höher als bei Verbrennern, das kann kein Business-Case sein. Die Industrie läuft in fürchterliche finanzielle Probleme. Wir verschieben diese immer strengeren Grenzwerte also nach hinten, unweigerlich. Kein tröstlicher Ausblick. Also Wasserstoff? Wasserstoff ist gut für den stationären Betrieb, aber es ist sinnlos, ihn hin und her zu schippern. Das verschlechtert den Gesamtwirkungsgrad, sodass wieder nichts gewonnen ist. In China forscht man an neuartigen Verbrennungsmotoren, ultrahoch verdichtend, mit einem Wirkungsgrad von 50 Prozent. Die Grazer AVL ist daran beteiligt. Diese neuen Motoren werden dann mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen betrieben. Die kann man überall hineinschütten oder hinzufügen. Im Labor gibt es sie schon, sie kosten das Zwei- bis Dreifache heutiger Kraftstoffe. Es braucht allen Forschungsaufwand für ihre Herstellung im großen Maßstab. Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist absolut möglich. Ohne Elektroauto. Findet das Gehör außerhalb von Forscherkreisen? Dem Regierungsprogramm entnehme ich, dass man sich zwei Jahre Zeit nehmen will: Kanzler Kurz will Variabilität, die verschiedenen Techniken sehen und beurteilen. Das ist eine Riesenchance, um im Klimaschutz wirklich etwas weiterzubringen. |