Es ist ein Armutszeugnis, wie Grass behandelt wird

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eröffnet am: 16.08.06 00:01 von: Happy End Anzahl Beiträge: 124
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16.08.06 00:01
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95441 Postings, 8700 Tage Happy EndEs ist ein Armutszeugnis, wie Grass behandelt wird

SPIEGEL ONLINE - 15. August 2006, 21:08
URL: 
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,431855,00.html

Interview mit Robert Schindel
 
"Es ist ein Armutszeugnis, wie Grass behandelt wird"

Robert Schindel war einer der ersten, die von Günter Grass' SS-Vergangenheit wussten. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE spricht der österreichische Autor, Lyriker und Regisseur über das Bekenntnis des deutschen Schrifstellers - und die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden.

SPIEGEL ONLINE: Günter Grass hat Ihnen und anderen Schriftstellern vor mehr als 20 Jahren in einer kleinen Runde von seiner SS-Zeit erzählt. Erinnern Sie sich noch, wie er damals über seine Vergangenheit gesprochen hat?

Schindel: Er hat erzählt, dass er zur Waffen-SS rekrutiert wurde. Er hatte sich damals zuvor freiwillig zur U-Boot-Truppe gemeldet, dort haben sie ihn nicht genommen. Aber weil es schon seine freiwillige Meldung gab, haben sie diese Meldung genommen, um ihn zur Waffen-SS zu rekrutieren - das war damals offensichtlich Usus. Das hat er erzählt.

SPIEGEL ONLINE: Wirkte es für Sie damals wie ein Geständnis?

Schindel: Nein, warum? Das war vollkommen normal. Wir haben eine Viertelstunde oder eine halbe Stunde darüber gesprochen, er hat auch ein bisschen von seiner Verwundung erzählt, dann sind wir zu anderen Themen übergegangen - das hat niemanden von uns erstaunt. Ich wusste schon damals, und die anderen Schriftstellerkollegen wohl auch, dass die Leute im letzten Kriegsjahr massiv zur Waffen-SS rekrutiert wurden. Mein Stiefvater etwa sollte damals in Dachau rekrutiert werden, im Januar 1945 wurden Häftlinge zusammengerufen und konnten sich zur Waffen-SS melden. Auch Grass wurde rekrutiert, aber ich habe da niemals irgendeine Sympathie bei ihm für die SS gesehen. Er wurde eben rekrutiert, Schluss, aus, basta.

SPIEGEL ONLINE: Wer waren denn die Teilnehmer der Gesprächsrunde?

ZUR PERSON
REUTERS

Der österreichische Lyriker, Autor und Regisseur Robert Schindel wurde am 4. April 1944 als Sohn jüdischer Eltern geboren. Seine Eltern wurden vier Monate nach seiner Geburt von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Schindels Vater starb im KZ Dachau.

Von Schindel erschienen bei Suhrkamp zuletzt die Gedichtbände "Wundwurzel" und "Fremd bei mir selbst".

Schindel: Das kann ich nicht genau sagen, weil ich nicht mehr weiß, wo das Gespräch stattgefunden hat. Entweder war es in Hamburg oder im Schloss Dobris bei Prag beim letzten Treffen der "Gruppe 47". Sollte es in Prag gewesen sein, dann waren damals auch Helga Novak und Hans Joachim Schädlich dabei.

SPIEGEL ONLINE: Hat sich Ihr Urteil über den Menschen Grass damals verändert? Ihr Vater wurde 1945 in Dachau hingerichtet.

Schindel: Nein, da hat sich überhaupt nichts geändert. Was so sehr für Grass spricht, ist, dass dieses SS-Kapitel für ihn selber wie eine Schmach ist - obwohl er nichts dafür kann. Wir hatten damals keine Ahnung davon, dass es ihn so beschäftigt hat. Das ist bei dem Gespräch nicht herausgekommen. Aber in ihm scheint es ein Leben lang eine Wunde gewesen zu sein. Deswegen habe ich auch Hochachtung vor ihm.

SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie, dass noch andere von Grass' SS-Zeit wussten?

Schindel: Ich habe inzwischen erfahren, dass auch Peter Turrini seit 20 Jahren davon weiß. Grass hat wahrscheinlich öfter in privaten Kreisen davon erzählt.

SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie ist der Grund für das späte öffentliche Geständnis?

Schindel: Ich glaube, dass jeder Mensch, wenn er unter einer Scham leidet - ob berechtigt oder nicht - einen gewissen Reifeprozess braucht. Irgendwann ist die Eiterbeule reif, dann geht sie auf. Es hat eben so lange gedauert. Es muss doch jeder in seiner Biografie selber bestimmen dürfen, wann ganz bestimmte Dinge preisgegeben werden. Das kann ihm doch keiner vorschreiben, das ist doch eine Anmaßung. Jetzt ist es reif, und ich finde es höchst respektabel und ziehe wirklich den Hut vor ihm, dass er jetzt etwas preisgibt, was ihn offensichtlich ein Leben lang beschäftigt hat. In meinen Augen ist es eine deutsche Krankheit, ihn dafür jetzt zu prügeln.

SPIEGEL ONLINE: Der Zentralrat der Juden in Deutschland wirft Grass vor, sein Geständnis als PR-Maßnahme für sein neues Buch zu nutzen.

Schindel: Wenn ich das so offen sagen darf: Der Zentralrat ist in den letzten 20 Jahren nicht durch besondere Intelligenz aufgefallen. Der Vorwurf gegen Grass ist eine böswillige Unterstellung. Wenn man so etwas nicht beweisen kann, darf man es nicht sagen.

SPIEGEL ONLINE: Und die Vorwürfe, er habe sich seinen Nobelpreis erschlichen?

Schindel: Es ist doch für ihn selber eine Schmach und eine Wunde. In Wirklichkeit ist dieses SS-Kapitel doch ein Klacks: Es ist doch gar nichts, dass er als 17-Jähriger im letzten Dreivierteljahr des Krieges eingezogen wurde. Was anderes ist es, wenn jemand 1938 zur SS geht. Das ist der Punkt. Es werden Sachen durcheinander geworfen. Das Wort SS wird als Reizwort genommen. Grass hat recht, wenn er sagt, dass er als Person jetzt wirklich schlecht behandelt wird. Er ist einer der großen Dichter der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, er hat sich große Verdienste erworben, nicht nur durch sein literarisches Werk, sondern auch durch seine Art und sein Leben. Er war immer ein Beispiel für Zivilcourage, für Nichtopportunismus. Natürlich hat er sich auch geirrt, wie wir alle. Ihn so zu behandeln, ist ein Armutszeugnis.

SPIEGEL ONLINE: Warum ist die Empörung Ihrer Meinung nach so groß?

Schindel: Weil er sozusagen eine moralische Instanz war - und eine moralische Instanz darf in Deutschland, diesem Tugendland, keine Fehler haben. Wir anderen dürfen Fehler haben und können die unangenehmen Dinge unseres Lebens verschweigen. Macht doch jeder von uns. Aber ein Vorbild muss makellos sein, ein richtiger Tugendbold. Das ist er natürlich nicht, er ist ein Schriftsteller mit allen Widersprüchen.

SPIEGEL ONLINE: Ist denn die Frage nicht gerechtfertigt, warum Grass so lange nichts gesagt hat?

Schindel: Wenn das nicht so gehässig ablaufen würde, hätte ich auch gern gewusst, warum er sich so lange Zeit gelassen hat. Aber nicht als Vorwurf, sondern: Was waren deine Gründe? Dann hätte er vielleicht sagen können: Ich habe ohnehin genug Gegner, ich wollte ihnen nicht in die Hände spielen, sondern wollte warten, bis ich mir das leisten kann. Das ist doch menschlich.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie das nächste Mal Grass treffen - was werden Sie ihm sagen?

Schindel: Respekt.

Das Interview führte Björn Hengst

 

16.08.06 00:08

30831 Postings, 7138 Tage ScontovalutaDas habe ich auch mit Brig. besprochen:

Wir sind fast in Streit geraten, aber es ist dennoch doch so gekommen!

Ein Leben lang hat er Abbitte geleistet, aber einen Fehler gemacht: Niemals was zugeben!
*zürn*.
Übrigens: Ich musste auch zur Bundeswehr! Und damals gab es die unbarmherzige Gewissensprüfung.



...  

16.08.06 00:10
4

33505 Postings, 7142 Tage PantaniEs ist ein Armutszeugnis

dass er es 50 Jahre verschwiegen hat.  

16.08.06 00:12
4

12570 Postings, 7632 Tage EichiAm Ende des

Krieges wurden viele Kinder zur Waffen-SS zwangseingezogen.

Diese Allgemeintruppe hatte nichts mit den Spezialabteilungen der eigentlichen "SS" gemeinsam.  

16.08.06 00:12
1

95441 Postings, 8700 Tage Happy EndEr hat´s doch gar nicht verschwiegen

SPIEGEL ONLINE - 15. August 2006, 15:05
URL: 
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,431823,00.html

SPIEGEL exklusiv
 
Grass räumte als Kriegsgefangener Waffen-SS-Mitgliedschaft ein

Von Klaus Wiegrefe

Nach mehr als 60 Jahren hat sich Günter Grass jetzt zu seiner SS-Vergangenheit bekannt. Es war das zweite Geständnis: Der Dichter gab seine Mitgliedschaft in Hitlers Elitetruppe schon einmal zu - 1945, als amerikanischer Kriegsgefangener.

US-Army Formular: Fingerabdrücke des Kriegsgefangenen
MARCO-URBAN.DEUS-Army Formular: Fingerabdrücke des Kriegsgefangenen
Hamburg/Berlin - Mehrere bislang unbekannte Dokumente der amerikanischen Militärbehörden belegen, dass der spätere Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass sich unmittelbar nach Kriegsende gegenüber den Amerikanern zu seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannt hat. Grass war in die Kritik geraten, weil er am vergangenen Freitag in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" berichtet hatte, einst Mitglied in der berüchtigten Truppe gewesen zu sein.

Grass-Dokument: Lohn für Abwasch?
MARCO-URBAN.DEGrass-Dokument: Lohn für Abwasch?
Unter den Papieren findet sich das Formular der US-Army mit dem Titel "Vorläufige Erklärung des Kriegsgefangenen". Grass war am 8. Mai 1945 im heute tschechischen Marienbad in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten. Er hat das Papier unterschrieben, das seine Fingerabdrücke zeigt und auch Angaben zu seiner gesundheitlichen Verfassung enthält. Der Danziger wird darin als Lade-Schütze der 10. SS-Panzer-Division "Frundsberg" bezeichnet, die Angabe zum Zivilberuf lautet "Schüler-pupil". Den Papieren zufolge wurde Grass - Gefangenennummer 31G6078785 - am 24. April 1946 mit einem Arbeitslohn von 107 Dollar und 20 Cents entlassen.

Grass war unter anderem auch in einem süddeutschen Kriegsgefangenenlager untergebracht, das die Amerikaner auf dem damaligen Militärflughafen Bad Aibling errichtet hatten. Er war dort nach eigenen Angaben Mitglied in einem Arbeitskommando, das für den Abwasch in einer Kompanieküche der US Air Force zu sorgen hatte. Möglicherweise resultiert daher sein Lohn.

US-Army-Formular: Wehrsold akribisch festgehalten
MARCO-URBAN.DEUS-Army-Formular: Wehrsold akribisch festgehalten
Auf dem Dokument ist das Datum 10. November 1944 vermerkt, mit dem Zusatz "W.(affen)-SS". Möglicherweise ist damit der Einberufungstermin gemeint, der bislang nicht bekannt war. Die neu aufgetauchten Dokumente liegen in der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin.

Zu Grass' Rolle in der Waffen-SS sind vermutlich keine Dokumente mehr vorhanden. Die Waffen-SS hat einen Großteil ihrer Akten zu den Personalbeständen bei Kriegsende vernichtet.


 

16.08.06 00:14

33505 Postings, 7142 Tage PantaniJa Jetzt, "Mega LOL"

 

Gruss Pantani.

 

16.08.06 00:36

10041 Postings, 8172 Tage BeMiGrass

Kann man das rauchen?
Ist das wichtig?
                        <img  

16.08.06 00:51
3

14011 Postings, 9010 Tage TimchenGrass ist schon wichtig

Jeder Mensch ist wichtig und zu was nutze.
Und wenn er nur als abschreckendes Beispiel dient.

So kann Grass zumindest die SS etwas rehabilitieren und nebenbei noch ein paar € für ein gelungenes Marketing zu seinem neuen Buch mitnehmen.  

16.08.06 00:52
1

129861 Postings, 7655 Tage kiiwii Stimmt:"Er hat´s doch gar nicht verschwiegen"

...ich muß das irgendwie überlesen haben, damals, im Mai 1945...;-)


Ich sag Euch, was er hat:  
Er hatte keine Blutgruppentätowierung am Oberarm, wie es bei der SS üblich war, und dachte sich: Was solls, das mit der SS kann nicht rauskommen, und wenn, dann verweise ich darauf, daß es nicht stimmt, denn ich müßte ja sonst diese Tätowierung haben...und sage nichts.

Aber er hat vergessen, daß es Akten gibt.
Und nachdem jetzt die Aufdeckung drohte, ging er in die Offensive..




MfG
kiiwii  

16.08.06 00:59
4

10041 Postings, 8172 Tage BeMiIch finde das Ganze

nur lustig:

Wie so ein linker Obermoralist
seine dreckige Unterhose verliert und nun
nackt da steht.
Erinnert mich stark an Friedmann.

So wichtig ist das Thema nicht.
Oder?  

16.08.06 01:02
3

33505 Postings, 7142 Tage PantaniWichtig nicht,aber zum Kotzen

ein absoluter Schauspieler.

 

Gruss Pantani.

 

16.08.06 01:22
2

33505 Postings, 7142 Tage PantaniDer hat sich auch nur wichtig gemacht


 

Gruss Pantani.

 
Angehängte Grafik:
Heulsuse_2005.jpg
Heulsuse_2005.jpg

16.08.06 01:30
1

33505 Postings, 7142 Tage PantaniIst übrigens ein Bild

das ich dem 54reab gestohlen hab,
er weilt nicht mehr unter uns,
kann Ihn verstehen.

 

Gruss Pantani.

 

16.08.06 01:32
2

10041 Postings, 8172 Tage BeMiHehe, Pantani,

das ist doch dieser Strafverteidiger
aus Hannover, ehemals Metallwarenverkäufer?
Oder?

Ächt, nen tüchtiger Mann
in .... Hannover.

Der hat doch den Horst Mahler vertreten,
den Rechtsradikalen.

<img  

16.08.06 01:34

33505 Postings, 7142 Tage PantaniJa BeMi,für Geld hat der älles gemacht.

 

Gruss Pantani.

 

16.08.06 01:38
1

33505 Postings, 7142 Tage PantaniUnd immer noch...............

 

Gruss Pantani.

 

16.08.06 07:03
1

95441 Postings, 8700 Tage Happy EndSchön, dass Ihr #1 so anschaulich bestätigt

16.08.06 08:07

129861 Postings, 7655 Tage kiiwiikann man ihn wenigstens als Schriftsteller rühmen?

16.08.06 08:59
5

95441 Postings, 8700 Tage Happy EndGrass, ein würdiger Nobelpreisträger

Keine Debatte ohne Ausreißer, die sich einen Wettstreit eigener Art liefern. Gegenwärtig lautet das Ziel offenbar: Wer schafft es, sich am schärfsten und frappierendsten zu Grass zu äußern, wem gelingt es gar, mit seinem Einwurf so zu verblüffen, daß er seinerseits eine Debatte entfacht? Dieses unschöne Rennen der Rechtsüberholer wurde am Montag vom CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Börnsen, assistiert vom Vorsitzenden der Jungen Union, Philipp Mißfelder, konkurrenzlos gewonnen mit der Forderung, Grass solle all seine Ehrungen und Auszeichnungen, vor allem aber den Nobelpreis, zurückgeben.


Die Vermutung, daß dieser Ruf, wäre der fragliche Schriftsteller Mitglied nicht der SPD, sondern der CDU, mit Sicherheit aus dem anderen Lager erschollen wäre, schmälert nicht dessen affektgeleitete Absurdität.


Ein Antidiskiminierungsgesetz für die Künste


Dahinter steckt natürlich der Gedanke, im Licht des neuen biographischen Details habe Grass den Nobelpreis gar nicht erst bekommen dürfen – eine müßige Überlegung. Als ihm diese höchste literarische Auszeichnung 1999 zuerkannt wurde, hieß es zur Begründung, Grass habe der deutschen Literatur „nach Jahrzehnten sprachlicher und moralischer Zerstörung einen Neuanfang“ beschert.


Der Kritiker Hellmuth Karasek, der sich jetzt sogar zu der Anschuldigung hinreißen ließ, Grass habe sich den Nobelpreis „erschlichen“, pries damals noch den „unbequemen Mahner“ und den „Autor eines vereinten Deutschlands“. Kunstwerke, so es denn welche sind, transzendieren ihre Schöpfer zwangsläufig: gerade das macht sie aus und ermöglicht ihren universalen Reiz. Gäbe es ein Antidiskriminierungsgesetz der Künste, so stünde dort das Selbstverständliche: daß Kunst so wenig für Geschlecht, Hautfarbe oder sexuelle Vorlieben ihrer Urheber wie für deren politische Überzeugungen haftbar gemacht werden kann.


Nicht ohne Bosheit, aber deutlich


In Stockholm reagierte man auf den deutschen Proteststurm mit dem pointierten Hinweis, selbst im Fall des Norwegers Knut Hamsun, der die Auszeichnung 1920 erhielt und später aufgrund seiner Unterstützung der deutschen Besatzung wegen Landesverrats verurteilt wurde, habe es keine Aberkennung gegeben; die Entscheidungen seien endgültig, und noch nie sei ein Preis wieder entzogen worden. Zwar ist der Vergleich ausgerechnet mit dem Hitlerfreund Hamsun nicht ohne Bosheit, doch die Botschaft ist deutlich.


Den Literaturnobelpreis erhält man nicht für persönliche Integrität und Geradlinigkeit. Eher schon enthält die Auszeichnung, die aus bedeutenden Schriftstellern Autoren von Weltrang macht, eine unausgesprochene Verpflichtung, sich ihrer auch würdig zu erweisen. Diesem Anspruch ist Grass nachgekommen, indem er sich seiner Vergangenheit gestellt hat. In der Begründung des Nobelpreiskomitees hieß es weiter: „Der Spatenstich des Günter Grass in die Vergangenheit gräbt tiefer als der der meisten, und er findet, wie die Wurzeln des Guten und Bösen miteinander verschlungen liegen.“ Dem ist Grass nun gerecht geworden.  

16.08.06 09:12
5

8584 Postings, 8605 Tage RheumaxWie wahr..

Wenn jetzt ausgerechnet aus den Reihen der CDU die Forderung ertönt, Grass möge seinen Literaturnobelpreis zurückgeben, ist dies nicht nur überzogen, sondern Heuchelei. Ausgerechnet aus jener Partei kommt dieses Ansinnen, die der Bundesrepublik einen Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger zumutete, der NSDAP-Mitglied war und einen Bundespräsidenten Karl Carstens, der im Dritten Reich den Sturmabteilungen SA der Nationalsozialisten angehörte.

 

Wetzlarer Neue Zeitung vom Dienstag
 

16.08.06 09:22

129861 Postings, 7655 Tage kiiwiiwie wär's mal mit 'ner eigenen Meinung ?

16.08.06 09:27

8584 Postings, 8605 Tage RheumaxWenn meine Meinung in #21 nicht klar genug

zum Ausdruck kommt, kann ich Dir leider auch nicht helfen..  

16.08.06 09:28
1

23328 Postings, 6682 Tage Malko07Das Geständnis-Event

©  ZEIT online  16.8.2006 - 07:50 Uhr
Das Geständnis-Event
Nicht die SS-Mitgliedschaft von Günter Grass ist der Skandal, auch nicht, dass er so lange geschwiegen hat, sondern sein Interview in der FAZ: eine Beichte, die keine ist  Von Evelyn Finger

Die Heuchelei fängt schon bei der Überschrift an. »Warum ich mein Schweigen breche« betitelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihr Sensationsinterview mit dem groß angekündigten Mitglied der Waffen-SS Günter Grass – als hätte es nach den Grundregeln eines kritischen Journalismus nicht heißen müssen: »Warum ich geschwiegen habe.« Als seien die Abgründe des deutschen Geschichtsdiskurses von weit geringerem Interesse als die Anlässe eines späten Enthüllungsromans. Als sei ausgerechnet von Grass selbst eine ehrliche Auskunft darüber zu erwarten, warum er gerade jetzt mit der Wahrheit herausrückt: weil er plötzlich ein dringendes Offenbarungsbedürfnis verspürte? Oder weil ihm beim Gedanken an die Elogen zu seinem bevorstehenden 80. Geburtstag doch ein bisschen mulmig wurde, denn seit 1999 sind ja die gut 22.000 Akten der Waffen-SS im Moskauer Militärarchiv zugänglich?

Es ist bezeichnend für den windelweichen Verhüllungsstil der Interviewer, dass sie die Frage »Warum erst jetzt?« erst nach 120 Zeilen stellen und dass sie dem Interviewten seine wahrhaft dadaistische Antwort durchgehen lassen: »Mein Schweigen über all die Jahre zählt zu den Gründen, warum ich dieses Buch geschrieben habe.« Günter Grass bricht also jetzt sein Schweigen, weil er so lange geschwiegen hat. Und die FAZ macht daraus ein bombastisches Geständnisevent, mit vierspaltigem Inszenierungsfoto aus dem deutschen Wald, mit einem demütig zusammengesunkener Grass im Profil. Im Bühnenvordergrund viel Schatten, im Hintergrund goldenes Licht. Das ist die von der FAZ verheißene Aufklärung, die auf zwei ganzen anzeigenfreien Seiten leider nicht stattgefunden hat.

Das Skandalöse am Grass-Skandal ist nämlich nicht die Nachricht, dass ein 17-Jähriger kurzzeitig bei der Waffen-SS war und dass ein prominenter Schriftsteller zu feige war, diese fatale Zugehörigkeit einzugestehen. Skandalös ist die übertriebene Mea-culpa-Geste, mit der Grass jede wirkliche Auseinandersetzung verweigert. Unter dem pathetischen Vorwand einer Generalbeichte hat er allein seine Verteidigung organisiert. Was genau faszinierte den jugendlichen Grass am Faschismus, dass er partout in den Krieg ziehen wollte? Wie verlief denn die Nachkriegsdebatte, dass man es über Jahrzehnte nicht wagen konnte, sich als Waffen-SSler zu outen? Darüber schweigt Grass auf wortreiche Weise. An einer einzigen Stelle fragt er sich, wie es zu erklären sei, »dass wir bis zum Schluss noch an Endsieg und Wunderwaffen glaubten?«. Ja wie nur zum Teufel? Man sollte meinen, der Paradeintellektuelle Grass habe in den vergangenen 60 Jahren ein paar Vermutungen darüber angestellt. Aber weit gefehlt! »Das ist doch aus heutiger Sicht überhaupt nicht zu verstehen.« Natürlich ist es zu verstehen! Es ist ja von Historikern wie Götz Aly oder Joachim Fest, von Schriftstellern wie Franz Fühmann oder bereits dem jungen Hermann Kant gründlich durchdacht worden. Nur Grass pflegt neuerdings eine demonstrative Unbedarftheit, die in merkwürdigem Kontrast zu seiner sonstigen politischen Bescheidwisserei steht.

Das ganze Interview folgt einer Rechtfertigungsdramaturgie, deren Peinlichkeit durch die schwammigen Fragen der Journalisten noch vergrößert wird. Grass verweilt kaum einen halben Satz bei seiner SS-Vergangenheit, ohne sie durch den Hinweis zu relativieren, dass er sich nur zur U-Boot-Flotte gemeldet habe und dass die SS am Ende sowieso alles zwangsrekrutiert habe, »was sie kriegen konnte«. Grass kann auch das Wort Schuld nicht aussprechen, ohne sich sofort Schuldunfähigkeit zu attestieren. »Hättest du zu dem Zeitpunkt erkennen können, was da mit dir vor sich geht?«, fragt er rhetorisch. Und damit auch der letzte Leser kapiert, dass die insinuierte Antwort Nein lautet, erzählt er von einem einzelnen Mitschüler aus sozialdemokratischem Elternhaus, »der mehr wusste als wir anderen in der Klasse«.

Grass hingegen war halt so unwissend wie alle. Sich selbst als Schaf unter Schafen zu stilisieren, ist der eigentliche Zweck der Übung. Deshalb muss auch der antifaschistische Widerstand kleingeredet werden. »Wirklichen Widerstand« habe er, Grass, nur in einem Fall erlebt, bei einem Zeugen Jehovas. Das Fürchterliche an dem Interview ist nicht Grass‘ fortgesetzte Feigheit vor der eigenen Biografie, sondern dass er die Lebenslügen seiner Generation und auch der Generation seiner Eltern nachträglich beglaubigt. Wenn schon der junge Grass, das angehende Genie, der spätere Nobelpreisträger »verführt« wurde, wie hätten da erst alle anderen das Dritte Reich in seiner Grausamkeit durchschauen sollen? Sich gar verweigern?

Der Gipfel dieser Entschuldungstaktik ist die Anekdote über den Kriegsgefangenen Joseph, mit dem Grass sich anfreundete und von dem er uns glauben machen will, es sei Ratzinger gewesen. Die FAZ entblödet sich nicht, ein Uniformporträt des Luftwaffenhelfers und späteren Papstes zu drucken, dessen frohe Botschaft lautet: Auch du, Ratzinger! Nicht nur Grass, nicht nur alle Deutschen, sogar der Stellvertreter Gottes, also im Grunde Gott selbst war, wie man so sagt, verstrickt.

Statt Kollektivschuldthese nun also wieder die altbekannte Lüge von der Kollektivunschuld. Grass liefert Pointen, über die die Rechte sich diebisch freuen wird, das ganze Interview zielt bei genauerer Betrachtung auf revisionistisch-relativistische Volten. Die Spießigkeit der Adenauerzeit beispielsweise habe es bei den Nazis nicht gegeben. Die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer Vergangenheit sei eine »Leistung«, die wir anderen europäischen Ländern, insbesondere den einstigen Kolonialmächten, voraushaben. Und übrigens – auch dies eine alte revisionistische Legende – sei die Weimarer Republik ja daran zugrunde gegangen, dass Nazis und Kommunisten gemeinsame Sache gemacht hätten. Grass‘ Rechtfertigungslogik erscheint deshalb so perfide, weil sie mit jenen berühmten Wahrheiten operiert, die »auch endlich mal gesagt werden müssen«, und zwar immer dann, wenn das Dritte Reich zu einem Ereignis unter vielen verkleinert werden soll.

Der Günter Grass des FAZ-Interviews, der dem prominenten Schriftsteller mitunter seltsam unähnlich scheint, schreckt nicht davor zurück, die deutschen Konzentrationslager mit dem amerikanischen Alltagsrassismus in einen kruden moralischen Zusammenhang zu bringen. In der Kriegsgefangenschaft, erzählt Grass, sei er erstmals mit »diesen Verbrechen«, gemeint sind die Morde in den Konzentrationslagern, konfrontiert gewesen und habe gleichzeitig sehen müssen, »wie in den amerikanischen Kasernen die Weißen die in getrennten Baracken untergebrachten Schwarzen als Nigger beschimpften«. Auf Grass scheint alles gleich schockierend gewirkt zu haben: die Konzentrationslager und die Kasernen. Der deutsche Faschismus und der amerikanische Rassismus. Wenn ein Großschriftsteller sich zu einem Großouting anschickt, aber doch den Mut gleich wieder verliert, dann verschmilzt alles Unrecht, alle Niedertracht dieser Welt zu einem undurchdringlichen Schuldzusammenhang, in dem der Einzelne keine Rolle mehr spielt.

Grass‘ vermeintliche Offensive ist in Wahrheit ein Versteckspiel, ein schlecht geführtes Rückzugsgefecht, gewürzt mit kleinen Abgeschmacktheiten. So spricht Grass ausgerechnet hier von Paul Celans »übersteigerten Ängsten«. Paul Celan, der Dichter der Todesfuge, des bedeutendsten Requiems auf die ermordeten Juden, der im Holocaust seine Familie verlor und 1967 Selbstmord beging, habe ihn, Grass, übrigens um sein Erzähltalent beneidet. Das ist alles, was dem alten Grass zum Themenkreis Juden in Deutschland einfällt.

Die Liste der Absurditäten ließe sich fortsetzen. Grass jedenfalls hat es geschafft, dass nun eine Diskussion über die Erpressungsmethoden der Waffen-SS geführt wird, über die unfreiwillig Rekrutierten, und so, wie die Debatte läuft, kommt es einem vor, als sei außer Himmler eigentlich niemand freiwillig dabei gewesen. Gelitten haben an Nazideutschland mal wieder in erster Linie die Deutschen, nicht nur an dem selbstangezettelten Krieg, nicht nur an ihrer SS-Mitgliedschaft, sondern, wie das Beispiel Grass zeigt, vor allem an ihrem selbstauferlegten Nachkriegsschweigen. Nur die ostdeutschen Schriftsteller, die hatten es leicht, denn sie wurden nach 1945 mit einer »neuen glaubhaften Ideologie versorgt«. Grass nennt Christa Wolf und Erich Loest, gerade Loest, der sich während seiner jahrelangen Haft in Bautzen besonders gut versorgt gefühlt haben muss. Am Ende spricht Grass von seiner eigenen »unvermeidbaren« Egozentrik, aber dieses »unvermeidbar« wirkt auf das gesamte Interview zurück. Was war denn überhaupt vermeidbar? Die Waffen-SS? Hitler? Der deutsche Faschismus scheint etwas Naturwüchsiges gewesen zu sein, worüber eine Diskussion im Grunde wenig lohnt. »Das kann man nicht bereuen«, sagt Grass mit Bezug auf seinen egozentrischen Charakter, und man hat den merkwürdigen Eindruck, dass er
noch viel mehr nicht bereut.

Frank Schirrmacher behauptet in einer gloriosen Leitartikelthese, »dass die große Nachkriegserzählung der Deutschen« mit Grass und seinem Eingeständnis, also mit der FAZ vom vergangenen Samstag, ende. Dieses angebliche Ende ist aber so wenig ein Ende, wie Grass‘ Eingeständnis ein Eingeständnis ist.

http://www.zeit.de/online/2006/33/Grass-Kommentar  

16.08.06 09:32

129861 Postings, 7655 Tage kiiwiischreibfaul auch noch ?

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