Sie schreiben: "Warum? Weil die Gläubiger in dieser Angelegenheit nicht am Fortbestehen der Gesellschaft interessiert waren. Hätten die Gläubiger ein anderes Interesse gehabt, hätte man sich innerhalb des WHOAs zugunsten der größeren Gläubiger und dem Fortbestehen der Gesellschaft (damit auch i.S.d Aktionäre) geeinigt. Insgesamt war es sicher nicht vorgesehen, derartige Wege gehen zu müssen. Den großen Unterschied zu dem, was der Gesetzgeber sich vielleicht vorgestellt hat ist, dass die Gläubiger hier keinen Bock mehr auf Steinhoff hatten."
Tatsache ist doch, dass der Vorstand von Steinhoff ab einem bestimmten Zeitpunkt 2022, an dem feststand, dass die G7-Hedgefonds zu keinerlei Zugeständnissen bei der Restrukturierung der Schulden (bzw. der von ihnen erworbenen distressed debts) bereit waren, nicht mehr im Unternehmensinteresse gehandelt hat, wie es den Sorgfaltspflichten eines Vorstands obliegt.
Vielmehr hat der Vorstand mit der Ausarbeitung des Restrukturierungsplans begonnen, der 1:1 die Interessen der G7-Hedgefonds (und damit auch nicht aller sogenannten "Gläubiger") abbildet. Dabei hat der Vorstand ganz offensichtlich kollusiv mit den G7-Hedgefonds zusammengearbeitet, wie man den später veröffentlichten Unterlagen zum WHOA-Verfahren entnehmen kann. Die Pflichtverletzung des Vorstands, den Kapitalmarkt darüber zu informieren, dass die Verhandlungen mit den G7-Hedgefonds gescheitert sind, ist nur eines der vielen "Versäumnisse", die m.E. aufgearbeitet werden müssen. Auch die Tatsache, dass der Vorstand persönlich davon profitiert, weil er den im Zuge der Restrukturierung geschaffenen Stiftungen vorsitzen wird, hat einen üblen Beigeschmack. Ist das Vorteilsnahme? Ein schwerer Interessenkonflikt? Oder hat es nur ein G'schmäckle? Wir werden es vermutlich nie erfahren.
Nach dem Scheitern des Restrukturierungsplans auf der Hauptversammlung, bei der (spätestens) klar wurde, dass der Vorstand nicht im Interesse der Eigentümer der Gesellschaft agiert, hätte statt des WHOA-Verfahrens die Insolvenz beantragt werden müssen. Dann wäre im Interesse des Unternehmens und seiner Eigentümer von einem unabhängigen Insolvenzverwalter genau geprüft worden, wie es um die finanzielle Situation bestellt ist, welche Möglichkeiten eines Fortbestands es gibt, und ob von den G7-Hedgefonds Zugeständnisse erzwungen werden können. Ob dabei am Ende mehr für die Aktionäre herausgesprungen wäre, ist Kaffeesatzleserei. Aber es gibt genügend Hinweise darauf, dass dem so gewesen sein könnte - siehe das Gutachten von B. Riley Farber.
Stattdessen wurde der Weg des WHOA-Verfahrens gegangen, mit dem die G7-Hedgefonds ihre Forderungen zu 100 Prozent gegen das Unternehmen und seine - damit enteigneten - Eigentümer durchsetzen und rechtlich sanktionieren lassen konnte.
Hätte Steinhoff Insolvenz beantragt und die G7-Hedgefonds ein WHOA-Verfahren, wäre es interessant gewesen, wer sich durchgesetzt hätte.
Jedenfalls ist die Enteignung der Aktionäre von Steinhoff, von denen viele nach dem Absturz in Folge des Bilanzskandals 2017 ein zweites Mal sehr viel Geld verloren haben, zugunsten der Interessen der G7-Hedgefonds, die den Fortbestand des Unternehmens durch einen Schuldenschnitt und die Senkung der Zinsen in der Hand hatten, ungeheuerlich. Dass die Niederlande mit dem WHOA-Verfahren einen rechtlichen Rahmen für eine solche Enteignung bieten, in dem die Eigentümer eines Unternehmens praktisch keine Chance haben, wenn der Vorstand mit dem Gegner zusammenarbeitet, ist aus Aktionärssicht nicht begreiflich. Aber das ist eine politische Frage, die wir hier nicht werden lösen können. Dass in der entsprechenden EU-Richtlinie keine verpflichtenden Ausgleichszahlungen für Aktionäre bei einer Enteignung vorgesehen sind, ist eine Lücke, die aus meiner Sicht geschlossen werden muss, wenn dem Missbrauch von WHOA, StaRuG etc. Einhalt geboten werden soll.
Jetzt hängt am Ende alles davon ab, ob die CVRs in ein paar Jahren etwas wert sind. Das wäre im Interesse der G7-Hedgefonds, die 80 % der CVRs halten. Und deren Interessen alleine haben sich bei Steinhoff seit 2018 durchgesetzt. |