erst gestern ein Zeitschrifteninterview gegeben (ich sage natürlich nicht bei welcher Zeitschrift). Was unsere Regierung plant, das ist mal wieder nur ein Reförmchen. Na ja - die Schwarzen hätten noch nicht mal das gemacht.
Hier das Interview:
1. Ist es in der freien Marktwirtschaft vertretbar, dass Handwerksbetriebe in einer Art Sonderwirtschaftszone agieren können?
Handwerksbetriebe produzieren unter der Bedingung eingeschränkten Wettbewerbs. Barrieren beim Zugang zum Markt haben zur Folge, dass ein geringerer gesamtwirtschaftlicher Wohlstand erzielt wird als wenn es diese Barrieren für Neugründer nicht geben wird. Marktwirtschaftliche Prinzipien werden dadurch verletzt und die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land gebremst. Wie man weiß, hat im Mittelalter außerhalb der Stadtmauern die Produktion besonders stark zugenommen, weil dort die Zunftordnungen nicht galten. Und wenn um 1870 herum nicht die Gewerbefreiheit eingeführt worden wäre, dann wäre die Industrialisierung gewiss nicht so rasch vorangekommen.
2. Laut ZDH-Präsident Dieter Philipp ist der Meisterbrief ein "Befähigungsnachweis für die Selbstständigkeit". Besitzt eine eher marktferne Organisation die Legitimität, die kaufmännische Qualifikation von Firmengründern zu beurteilen?
Wenn man dieses Argument des Interessensvertreters ernst nehmen würde, dann müsste jeder, der etwa ein Softwareunternehmen, ein Versandhaus, ein Restaurant oder eine Pommesbude vorher seine kaufmännischen Kenntnisse prüfen lassen. Dann würde es wahrscheinlich weniger solche wirtschaftlichen Aktivitäten geben. Manch ein inzwischen weltweit operierendes Unternehmen wie SAP gäbe es dann vielleicht gar nicht. Unser Land wäre gegenüber der internationalen Konkurrenz zurückgefallen. Ich kann die Forderung des Handwerksverbandes nur so verstehen, dass die Organisation einen Nachweis für ihre eigene Existenzberechtigung vorweisen und an ihm festhalten will. Das ist eine typische Verhaltensweise von bürokratischen Apparaten. Jeder, der es sich zutraut, sollte in einer Marktwirtschaft einen Betrieb eröffnen will. In welchem Maße und auf welche Weise ein Gründer (oder eine Gründerin) sich kaufmännisch qualifizieren will, soll ihm selbst überlassen bleiben. Man sollte in diesem Lande mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen haben und sie viel weniger bevormunden.
3. Inwiefern hemmt der Meisterzwang die Binnenkonjunktur?
Einschränkung der Konkurrenz bedeutet, dass die Preise für Güter höher sind als bei freiem Wettbewerb. Produktivitätssteigerungen fallen geringer aus als sie sein könnten. Wenn es das Handwerksrecht nicht gäbe, entstünde deshalb ein Druck auf die Preise - auch deshalb, weil es nun Betriebsinhaber geben würde, bei denen keine Kosten für die lange Meisterausbildung angefallen sind, die über höhere Preise ausgeglichen werden sollen. Auch Kammerbeiträge und ähnliches sind verzichtbar. Wenn die Preise fallen oder weniger stark steigen als bisher, dann verbessert sich die Kaufkraft der Kunden. Diese können dann mehr Güter nachfragen als bisher. Das schafft zusätzliche Arbeitsplätze – sei es im Handwerk oder sei es in anderen Teilen der Wirtschaft.
4. Welche Prognosen stellen Sie für den Bereich Handwerk, wenn der Meisterzwang grundsätzlich fallen würde?
Ich rechne damit, dass es dann zu eine Welle von Betriebsgründungen kommen wird. Und dabei werden natürlich auch Betriebe auf der Strecke bleiben – und zwar sowohl neugegründete Betriebe wie auch alteingesessene Meisterbetriebe. So konnte man etwa nach dem 2. Weltkrieg in der amerikanischen Zone eine starke Gründungsdynamik beobachten, denn dort war der Meisterzwang aufgehoben. Es gab damals auch zahlreiche Pleiten. Aber die sind sogar wünschenswert, denn freier Wettbewerb ist das Erfolgsrezept der Marktwirtschaft und diejenigen Betriebe, die nicht mithalten können, müssen eben aufgeben – egal ob es Meisterbetriebe sind oder andere.
5. Sind die altbekannten Begründungen für den Erhalt des Meisterzwangs nur vorgeschobene Argumente, um die Meisterbetriebe vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen?
Natürlich. Und es sind Argumente, um die bürokratischen Apparate des Handwerks zu erhalten. Damit einher geht eine Bevormundung von potentiellen Gründern und der Konsumenten. Mir ist es beispielsweise egal, ob in dem Betrieb, bei dem ich mir die Haare schneiden lasse, ein Handwerksbrief an der Wand hängt. Wenn Preis und Leistung stimmen, dann würde ich auch zu einem Friseur gehen, der keine Meisterprüfung abgelegt hat. Und oft ist es doch so, dass die Leistungen des Handwerksbetriebes gar nicht vom Meister erbracht werden. Beispielsweise hat mein Bezirksschornsteinfegermeister noch nie bei mir den Kamin gekehrt. Zudem kann man sich an anderen Ländern mit vollständiger Gewerbefreiheit orientieren. Etwa in Portugal oder in Großbritannien erhalten die Kunden doch wohl keine minderwertigen Leistungen. Und wenn die bei uns „schwarz“ erbrachten Leistungen schlecht wären, dann gäbe es in unserem Land gewiss nicht so viel Schwarzarbeit wie wir sie haben.
6. Hat das Ansinnen der Handwerkskammer Aussicht auf Erfolg, den Meisterzwang auch auf in Deutschland tätige EU-Handwerker anzuwenden - nicht zuletzt um den drohenden Druck durch die Osterweiterung zu mindern?
Zum Glück greift das Recht der EU, denn nach den geschlossenen Verträgen darf der Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten, wozu auch grenzüberschreitende Handwerksleitungen zählen, nicht behindert werden. Wenn nach einer Übergangszeit auch Handwerker etwa aus Polen oder der Tschechischen Republik bei uns frei tätig sein werden, dann wird der Druck auf unsere Meisterbetriebe wachsen. Gerade deshalb ist es nötig, schon jetzt bei uns für freien Wettbewerb zu sorgen, damit sie dazu angetrieben werden, rasch ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Weiter abzuwarten wäre volkswirtschaftlich schädlich, denn nach Ende der Übergangsfrist könnte rasch das böse erwachen kommen. Man weiß aus der Geschichte nur allzu gut, was mit denjenigen passiert, die zu lange vor Konkurrenz geschützt waren, wenn die protektionistischen Schranken wegfallen. Im übrigen diskriminiert das Handwerksrecht die Inländer: Deutsche Gesellen dürfen bei uns ihre Leistungen generell nicht auf dem Markt anbieten – ausländische aber schon. Das ist absurd.
7. Ist die Krise im Handwerk weitgehend hausgemacht?
Wie schon gesagt – zum Teil ja. Allerdings leidet das Handwerk natürlich auch unter der zur Zeit schwachen Konjunktur. Und das Handwerk ist davon noch mehr getroffen als andere Wirtschaftszweige. Weil ein erheblicher Teil des Handwerks von der Nachfrage der privaten Haushalte abhängt, leiden nicht wenige Betriebe darunter, dass der private Konsum sich in den letzten Jahren nur sehr schwach entwickelt hat. Einschneidend ist zudem die anhaltende Krise der Bauwirtschaft. Nach dem Bauboom bis Mitte der Neunziger Jahre insbesondere in Ostdeutschland ist es zu einer rasanten Talfahrt bei den Bauinvestitionen gekommen. Dämpfend wirkt sich auch aus, dass die Kassen der öffentlichen Haushalte alles andere als gefüllt sind, und insbesondere wird – im Osten wie im Westen - bei den Investitionen gespart. Und in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten lässt die Zahlungsmoral nach, was manch einen Betrieb zum Konkursrichter treiben kann. |