Stand: 13:49 Uhr Lesedauer: 7 Minuten Von Jans Dams und Anne Kunz Die beiden größten deutschen Privatbanken loten eine mögliche Fusion aus. Einem Insider zufolge hat der Vorstand der Deutschen Bank dazu informelle Gespräche mit der Commerzbank genehmigt. Börsenstratege Ulrich W. Hanke schätzt die Situation ein.
Quelle: WELT/Katja Losch
Deutschland soll einen globalen Finanzchampion bekommen. Deshalb drängt die Bundesregierung die Chefs von Deutscher Bank und Commerzbank zu Fusionsgesprächen. Doch der Zusammenschluss ist heikel – sogar von Gesetzesänderungen ist schon die Rede.
Anzahl der Kommentare 195 Olaf Scholz (SPD) traut sich etwas, das sein Vorgänger viele Jahre gemieden hat: Der Bundesfinanzminister geht auf Tuchfühlung zu den deutschen Banken. Genauer gesagt: zu Deutscher Bank und Commerzbank. „Er ist mit uns in Kontakt“, heißt es in Frankfurter Finanzkreisen. „Endlich reden wir wieder miteinander.“ Wolfgang Schäuble (CDU) – gebrannt durch schlechte Erfahrungen in der Finanzkrise – waren solche Gespräche immer zuwider.
Scholz will sich die Funkstille nicht leisten. Er und sein für Banken zuständiger Staatssekretär Jörg Kukies (SPD) sollen dem Vernehmen nach die Bankchefs Christian Sewing von der Deutschen und Martin Zielke von der Commerzbank gedrängt haben, ein Zusammengehen zu prüfen.
Innerhalb der nächsten Wochen, am besten vor der Europawahl Ende Mai, erwarte man in Berlin eine Reaktion der beiden. „Es ist richtig, sich einen Termin zu geben“, heißt es in Frankfurt. „Sonst schiebt man die Antwort auf diese Frage, noch die nächsten zwei Jahre vor sich her.“ Die Banken seien nicht allein Herr des Zeitplans.
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Der liegt nicht zuletzt in den Händen der Politik. Sie treibt eine Frage um: Reicht der deutschen Wirtschaft ein Finanzmarkt, der von regionalen Sparkassen- und Genossenschaftsbanken dominiert wird und auf dem es allenfalls noch internationale Großbanken in ausländischen Händen gibt?
Nein. Berlin will eine große deutsche Bank mit internationalem Geschäft. Das gilt für den Bundesfinanzminister, und auch sein Kollege Peter Altmaier (CDU) sieht es so: „Size matters – Größe zählt“, schreibt der Wirtschaftsminister in seinem Papier „Nationale Industriestrategie 2030“. Das internationale Finanz- und Bankenwesen verlange „große und starke Akteure, die mit Wettbewerbern aus den USA oder China auf Augenhöhe sind“, heißt es da.
Bestehende Champions wie die Deutsche Bank gebe es zum Teil seit 100 Jahren und länger. „Der langfristige Erfolg und das Überleben solcher Unternehmen liegt im nationalen politischen und wirtschaftlichen Interesse, da sie erheblich zur Wertschöpfung beitragen“, steht im Text des Bundeswirtschaftsministers.
Die nächste Rezession zeichnet sich bereits ab
Wer so formuliert, will nicht nur verhindern oder fördern. Er will handeln. Und der Bedarf ist groß: Die Deutsche Bank steckt seit Jahren in Schwierigkeiten und hat für 2018 zum ersten Mal seit vier Jahr-en einen schmalen Gewinn einfah-ren können. Viel Hoffnung haben die Investoren dennoch nicht. Die Aktie ist im vergangenen Jahr um mehr als 40 Prozent eingebrochen und fiel zwischenzeitlich auf ein Allzeittief von 6,70 Euro. Die Commerzbank hat mittlerweile so stark an Börsengewicht eingebüßt, dass sie sogar aus dem deutschen Leitindex Dax flog.
„Die Politik wird sich zwar nicht einmischen“, sagt einer ihrer Vertreter vorsichtig. „Aber sie wird das Ganze positiv begleiten.“ Deshalb bietet sie der Deutschen Bank die Commerzbank wie eine Braut zur Ehe an. „Das Ganze ist verbunden mit dem Hinweis: Nehmt sie, sonst nimmt sie ein anderer“, heißt es in Finanzkreisen.
LESEN SIE AUCH Der Geldwäsche-Beauftragte der Deutschen Bank musste sich in einem EU-Ausschuss den Fragen der Abgeordneten stellen ENTNERVTE ABGEORDNETE „Es ist unfassbar“ – Deutsche Bank blamiert sich in EU-Verhör Die Deutsche Bank aber kann es sich gar nicht leisten, die letzte verbliebene inländische Partnerin für eine Bankenehe unbesehen wegzuschicken. Die Zeit drängt. Die nächste Rezession zeichnet sich bereits ab, und ein Zusammenschluss mitten in der Krise soll um jeden Preis vermieden werden. „Das, was im deutschen Bankenmarkt derzeit geschieht, ist historisch“, sagt einer der Beteiligten. „Selbst wenn es am Ende nicht zu der Fusion kommt.“
Vor etwa drei Wochen hat der Vorstand der Deutschen Bank nach Informationen von WELT AM SONNTAG daher beschlossen, Gespräche mit der Commerzbank aufzunehmen. Erste inoffizielle Kontakte habe es gegeben. Natürlich werde miteinander gesprochen, allerdings in sehr kleiner Runde. Kenner der Materie weisen darauf hin, dass diese Gespräche bislang nicht sonderlich weit gediehen seien. Um fast jeden Preis will man den Eindruck vermitteln, man sei schon an einem Punkt, an dem man juristisch gezwungen ist, über eine Ad-hoc-Mitteilung die Öffentlichkeit über den Stand zu unterrichten.
Optionen offenhalten Man will sich Optionen offen halten, sie nicht vorschnell abräumen. Wenn erst die offizielle Mitteilung über die Aufnahme echter Verhandlungen draußen ist, gibt es kein Zurück mehr, ohne die beiden Chefs und ihre Banken ernsthaft zu beschädigen.
Ein bisschen wirkt diese Art der Anbahnung wie der letzte Flirtversuch zweier schwer zu vermittelnder Senioren. Die Heimleitung – in diesem Fall die Bundesregierung – hält das Händchen, damit die beiden Alten doch noch zusammen kommen. Politisch uneigennützig ist diese Hilfe nicht. Aus Sicht mancher Beteiligter in Berlin ist sie sogar nahezu alternativlos ist.
Der Grund: US-Präsident Donald Trump demonstriere seit seinem Amtsantritt, wie man in einer Zeit neuer nationaler Egoismen Wirtschaftspolitik betreibe. Banken sind in diesem Spiel ein entscheidender Faktor. Der Zugang zu den Märkten, Exportentscheidungen, Finanzierungsabwicklungen – alles hängt an ihnen. Soll sich Deutschland in die Hände ausländischer Finanziers begeben, weil es seine beiden letzten großen Banken nicht halten kann? Und was wäre, wenn die Währungsunion und möglicherweise gar die EU scheitern würden, die Bundesrepublik aber keine eigenen Großbanken mit Zugang zum internationalen Kapitalmarkt mehr hätte?
LESEN SIE AUCH Der Euro: Wieviel Wohlstand hat er der Währungsunion wirklich gebracht? WOHLSTANDSGEWINN Deutschland als großer Euro-Profiteur – ist das wirklich so? Vorstellbar ist inzwischen vieles. Nicht nur die Banken brauchen Alternativen zum Status quo, die Politik braucht sie auch. Deshalb hätten sich Vertreter der Bundesregierung auch mächtig erschrocken, als Ende November vergangenen Jahres die Staatsanwaltschaft bei der Deutschen Bank wegen des Verdachts der Geldwäsche einrückte. Die Aktie fiel damals auf ein neues Tief.
Der Preis für Kreditausfallversicherungen für Anleihen der Deutschen Bank – sogenannte Credit Default Swaps – sprang innerhalb kurzer Zeit in gewaltige Höhen. Gleiches galt für die Zinsen, zu denen sich die Bank am Markt Geld besorgt. „Damals hat Berlin verstanden, wie schlecht es um die Bank bestellt ist“, heißt es in Frankfurt.
Von Angst ist die Rede
Noch könne man handeln, beschreibt ein mit den Vorgängen Vertrauter die Gemütslage in Berlin. Denn noch ist keines der beiden Häuser an ausländische Konkurrenten verkauft worden. Es dürfte der letzte Versuch sein, noch einmal eine private Großbank in Deutschland zu bilden, die eine Chance am Weltmarkt haben könnte.
Ganz gleich, wie angeschlagenen beide Partner schon sind. Wenn erst irgendeine europäische Großbank ein ernst gemeintes Angebot für eines der beiden Institute vorlegen würde, wäre es schwer, die Häuser in Deutschland zu halten, geben auch Politiker zu.
Anfragen gab es angeblich schon. Unicredit und BNP Paribas sollen Interesse an der Commerzbank angedeutet haben. Wäre die Commerzbank erst ins Ausland verkauft, gäbe es auch für die Deutsche Bank nur noch eine sehr geringe Chance auf Eigenständigkeit, argumentieren Beteiligte.
LESEN SIE AUCH Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt KRISELNDES GELDINSTITUT Für die Deutsche Bank könnte es tatsächlich noch schlimmer kommen „Sie wäre dann wohl auch weg“, heißt es. Ohne einen Verkauf an die Konkurrenz müsste sich Sewings Haus mit der Rolle einer großen Regionalbank begnügen. Das aber ist weder in Wirtschaftsminister Altmaiers industriepolitischem Konzept vorgesehen noch im Interesse des Bundesfinanzministers.
Aus Sicht einiger Entscheider in Berlin drängt die Zeit auch aus politischen Gründen. Ende Mai wird ein neues Europaparlament gewählt. Die Bundesregierung fürchtet neue Mehrheiten in Brüssel, die manches Vorhaben blockieren könnten. So droht ein beihilferechtliches Problem, wenn die beiden Banken bei ihrem Zusammengehen irgendeine Form staatlicher Stütze bräuchten.
Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Sollten Union und SPD bei dieser Wahl merklich Stimmen einbüßen, könnte der Fortbestand der großen Koalition gefährdet sein. Eine instabile politische Lage und dann eine neuerliche Krise einer großen deutschen Bank? Von Angst ist die Rede. Davon, dass man das Thema endlich vom Hof haben wolle, bevor es überhaupt zum Problem werde.
Es ist eine heikle Lage, in der keiner offen über die Probleme reden will. Die Banker verweisen darauf, dass sie sich in eine rechtlich gefährliche Lage begäben, würden sie etwas erzählen. Im Bundesfinanzministerium wiegelt man ab. Dennoch hört man sowohl in Berlin als auch in Frankfurt, dass man sich der Probleme bei einem Zusammenschluss durchaus bewusst sei.
LESEN SIE AUCH Der deutsche Bankenmarkt ist durch einen starken Wettbewerb gekennzeichnet: Das drückt die Margen nach unten DEUTSCHE GELDHÄUSER Nur Griechenlands Banken sind noch ineffizienter Da ist zum Ersten die Komplexität der Integration zweier so großer Banken. Sie ließe sich allerdings erheblich leichter in den Griff bekommen, wenn man Deutsche und Commerzbank unter einer Holding zusammenbringen würde, erzählen Banker und Politiker gleichermaßen. Separate Geschäftseinheiten mit rechtlicher Eigenständigkeit seien einfacher zusammenzulegen. Im Fall einer Krise wären sie auch einfacher abzuwickeln oder zu verkaufen. Was diese Lösung für die Politik attraktiver machen dürfte.
Nur birgt das aktuelle Holding-Recht genau für diese Art der Firmenkonstruktion gewisse Tücken: Die unter dem Dach einer Holding eingebrachten Einheiten der Banken müssten zum Beispiel ihre stillen Reserven neu bewerten und die Gewinne daraus versteuern. Für zwei Häuser, die als notorisch klamm gelten, ist das unattraktiv.
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Quelle: Infografik WELT
Sowohl in Berlin als auch in Frankfurt ist zu hören, dass an diesem Problem gearbeitet werde. Von Ausnahmegenehmigungen und Gesetzesänderungen ist die Rede. Wenn es drauf ankomme, gehe das auch schnell.
Alles geht, alles sei möglich, bekunden die Gesprächspartner. Dieser Beschreibung kann man eines ganz sicher entnehmen: wie dringend nach einem gemeinsamen Weg in die Zukunft für beide Banken gesucht wird. Denn gute andere Optionen für Deutschlands Finanzbranche gibt es kaum noch.
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