Kippt der Landtag das Lotto-Monopol?
Von Jens Schmidt
Nur 0,3 Prozent der Spieler, die ausschließlich beim Lotto Geld einsetzen, gelten als süchtig.Nach der Sommerpause wird der Landtag über die Zukunft des Lottos entscheiden. Zur Abstimmung steht ein neuer Vertrag aller Bundesländer, der das Staatsmonopol festigt, die Angebote einschränkt, das Internetspiel verbietet und private Vermittler schwächt oder verdrängt. Angeblich geht es um die Bekämpfung der Spielsucht, vor allem aber geht es ums Geld. Der Vertrag ist in den Fraktionen umstritten.
Magdeburg. Sachsen-Anhalter spielten im ersten Halbjahr weniger Lotto. Verglichen mit 2006 ging der Umsatz um 7, 5 Prozent zurück. Eindeutige Ursachen sind schwer auszumachen, aber eines ist Fakt : Die Lotto Toto GmbH musste – wie die anderen Landesgesellschaften auch – ihre Werbung drastisch zurückfahren. Obgleich der neue Staatsvertrag erst 2008 in Kraft treten soll, passten sich die Länder schon jetzt den strengeren Regeln an. Reklame wie " Auf einmal bist du reich " oder spielermunternde Plakate mit den aktuellen Jackpot-Millionen gibt es nicht mehr. Internet-Tipps sind auch gestorben. Kritiker des Vertrags, vor allem FDP und Teile der CDU, befürchten zudem das Aus etlicher der 670 Vermittlungsstellen im Land. Lotto-Chef Wolfgang Angenendt räumt ein, dass dies zwar möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich sei. " Wir haben ja schon ein relativ dünnes Netz. "
Die politischen Aktivitäten ausgelöst hatte das Bundesverfassungsgericht. Die obersten Richter urteilten 2006, dass der Wettspielmarkt grundsätzlich auch für Private zu öffnen sei. Ein staatliches Monopol sei nur dann verfassungsgemäß, wenn es der " Vermeidung und Abwehr von Spielsucht " dient.
Nun – als Therapeuten waren die Lottogesellschaften bis dahin nicht aufgefallen. Es ging vor allem darum, viel Geld zu verdienen. 2006 setzte Lotto Sachsen-Anhalt 179 Millionen Euro um. 40 Prozent der Einnahmen fließen in die Kassen von Land und Vereinen, vor allem der Landessportbund profitiert davon. Wenn die staatlichen Lottounternehmen aber wie Firmen agieren, müsste der Staat – den Verfassungsrichtern gehochend – den Markt auch Privaten öffnen. Um das zu verhindern, setzten die Landesregierungen einen neuen Staatsvertrag auf, der nun die Bekämpfung der Spielsucht zum obersten Ziel erklärt und privaten Vermittlern wie Faber oder dem Online-Anbieter tipp 24 das Leben schwer macht oder sie gar ganz aus dem Markt drängt. Die Privaten laufen dagegen Sturm, klagen, schalten Anzeigen, argumentieren mit 35 000 Jobs, die bundesweit vor dem Aus stünden.
Kritische Töne kamen auch von den Wettbewerbshütern der Europäischen Union. Ein vollständiges Internetverbot könnte als diskriminierend und unverhältnismäßig eingestuft werden, schrieb EU-Vizekommissionspräsident Günter Verheugen der Bundesregierung.
Umstritten ist auch das Spielsucht-Argument. Eine aktuelle Studie des Bremer Instituts für Drogenforschung ergab : Dem Zahlenlotto ist nur ein relativ geringes Suchtpotenzial zuzuschreiben. Die Aussage basiert auf einer repräsentative Umfrage unter 8000 deutschen Spielern ( siehe Grafi k ).
Kritiker des Lottomonopols halten das Argument denn auch für vorgeschoben und das Verhalten des Staates für einigermaßen bigott : " Beim Lotto werden die Zügel angezogen, zugleich toleriert der Staat Spielautomaten und betreibt selbst Casinos mit weit höherem Suchtpotenzial ", sagt CDU-Finanzpolitiker Marco Tullner. " Wir brauchen eine vernünftige Lösung. " So könnte etwa der Staat das Spielmonopol zwar halten, zugleich aber Private Betreiber zulassen und den Markt durch klare Konzessionsregeln steuern. So denkt auch die FDP. Ihr Rechtspolitiker Guido Kosmehl meint : " Das Argument Spielsucht wird missbraucht, um das Monopol zu retten. " Selbst Monopolbefürworter sehen das ähnlich. " Das Spielsucht-Argument ist nicht das überzeugendste ", sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Norbert Bischoff. " Es geht vor allem ums Geld, das weiß doch jeder ", meint sein Kollege von der Linksfraktion, Frank Thiel.
Das sieht Sachsen-Anhalts Lotto-Chef Angenendt anders. Zwar seien nur 0, 3 Prozent der Tipper Problemspieler – " bei bundesweit 20 Millionen Spielern sind das aber immerhin 70 000 Betroffene ". Bei einer Marktöffnung würden das deutlich mehr, glaubt Angenendt. Private würden von Steueroasen wie Gibraltar aus agieren und könnten ohne karitative Verpfl ichtungen bis zu 90 Prozent der Einnahmen als Gewinne ausschütten. " Dann sähe das Suchtpotenzial schon ganz anders aus. " Fazit der Staatsvertragsbefürworter : Nur ein staatliches, betuliches Lotto mit schaumgebremster Reklame sorgt für die Wahrung der Sitten.
Bis auf Schleswig-Holstein und Baden-W ürttemberg unterzeichneten bislang alle Landesregierungen den Vertragsentwurf. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer ( CDU ) unterschrieb am 8. Mai. 13 der 16 Landtage müssen nun zustimmen, damit der Vertrag am 1. Januar 2008 in Kraft tritt. SPD und Linke wollen den Vertrag durchwinken, die CDU ist gespalten, die FDP lehnt die vorliegende Fassung ab.
Eine Münchnerin wehrte sich gegen das Verbot, Pferdewetten zu verkaufen. Sie klagte sich durch alle Instanzen und gewann. In seinem Urteil griff das Bundesverfassungsgericht 2006 zugleich das Glücksspielmonopol des Staates an. Das Monopol sei nur gerechtfertigt, wenn der Staat vorrangig die Spielsucht bekämpft. Die Vormachtstellung ist nicht verfassungsgemäß, wenn es vorrangig um höhere Einnahmen geht.
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[ document info ] Copyright © Volksstimme.de 2007 Dokument erstellt am 28.06.2007 um 05:55:30 Uhr Erscheinungsdatum 28.06.2007 | Ausgabe: mdx |