Sind Börsen-Tops nicht immer dadurch gekennzeichnet, dass alles "immer noch ziemlich gut" aussieht?
Das Problem dabei ist das "immer noch". Erste Vorzeichen (Inflation, Zinsen) deuten auf eine Abkühlung hin: Immer weniger Leute kaufen Aktien, die Amerikaner haben in den letzten zwei Wochen sogar massiv Gelder von den europäischen Märkten abgezogen. Der Dax erreichte - in Dollar gerechnet - vor zwei Wochen ein hyperbolisches 6-Jahres-Hoch; siehe Chart unten.
Klar ist der DAX mit einem KGV von 13 "billig" - gemessen an den Bewertungen um 2000. Doch Anfang der 1990-er hatte der DAX ein KGV von 8. Bewertungen fallen bekanntlich in den Bereich "Psychologie", und die kann drehen - wie die "neu entdeckten Inflationsängste" zeigen.
Und wer anführt, "wir sind jetzt ja 15 Jahre weiter", werfe mal einen Blick auf Japan. Der Nikkei-225 erreichte im März 2003 ein 28-Jahres-Tief. Wer wie Nick Leeson in den 1990-ern glaubte, der Boden sei erreicht (er ruinierte mit Nikkei-Futures die britische Baring-Bank), war schief gewickelt.
Vergleichen wir dies mal mit Börsen-Tiefs wie im März 2003. Der DAX - damals bei 2200 - hatte ein HOHES KGV, weil viele Firmen, besonders Finanzwerte wie Commerzbank, Allianz und Hypovereinsbank, rote Zahlen schrieben ("negatives KGV"). Das hohe KGV führten "Analysten" als Grund an, dass der DAX immer noch überbewertet sei. Charttechniker jonglierten mit Kurszielen um 1500. Das Put/Call-Verhältnis erreichte Rekordwerte. Die Volatilität war weltweit auf 40.
Die Münchener Rück verlor ihren AAA-Status. Commerzbank und/oder Hypovereinsbank drohte die Pleite, weil die Bafin monierte, die Eigenkapitalquote (Tier-1) drohe unter das Limit von 6,5 % zu fallen. Also verkauften die allesamt über kreuz miteinander beteiligten Institute wechselseitig die Aktien der jeweils anderen, um ihre Eigenkapitalquote zu erhöhen. Der Irakkrieg hatte begonnen, die Stimmung war restlos am Boden. Im Handelsblatt stand ein Artikel "Frankfurter Händler verzweifelt: Niemand will mehr Aktien kaufen". Es gab schon seit Jahren keine Neuemission mehr usw.
Das ist die Ausgangsbasis für nachhaltig steigende Börsen: Mega-Pessimismus, Pleiten, Krieg.
UND JETZT? Wenn ich mir dagegen allein den gegenwärtigen IPO-Wahn ansehe und die vielen selbstwichtigen, selbstgefälligen, schwatzhaft-wichtigtuerischen Börsen-Guru-Sendungen im Fernsehen, fühle ich mich eher an den März 2000 erinnert.
Wenn Börsen wie seit 2003 vier Jahre nonstop ohne größere (10 %-)Korrektur gestiegen sind, wird diese überfällig. Ob 10 % dann schon als Crash bezeichnet werden kann, ist Geschmackssache. Jedenfalls greift dann wieder die Charttechnik. Die Baisse nährt die Baisse: IFO-Umfragen zeigen verschlechterte Stimmung, die Investionsneigung sinkt, Firmen entlassen, Umsätze sinken, Arbeitslosenzahl steigt, Steueraufkommen sinkt. Kurzum: Es droht eine neue NEGATIVSPIRALE, deren erste Anzeichen sich im "immer noch ziemlich gut" von oben widerspiegeln.
Der Chart der Index-Aktie EWG (iShare Tracking Stock auf den DAX, in Dollar) zeigte vor zwei Wochen ein hyperbolisches 6-Jahres-Hoch. Seitdem verkaufen die Amerikaner massiv - auch auf Gewinnmitnahme-Empfehlungen in US-Börsenbriefen hin
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