Marktkommentar Besorgniserregende Sorglosigkeit [12:17, 02.02.10]
Am Markt könne schon wegen der großen Skepsis der Anleger nicht viel anbrennen, heißt es oft. Aber sind Anleger, die für den MSCI Deutschland das 22fache des 2009er Gewinns bezahlen und keinen blassen Schimmer von der Wirtschaftslage in zwölf Monaten haben, wirklich so skeptisch?
DAX ® WKN 846900 Stand 5.692,33 Veränd. z. Vortag 0,67 %
Seit Ende der 90er-Jahre ist der DAX von rund 5 600 Zählern zunächst auf über 8 000 Punkte gestiegen, dann auf 2 200 gefallen, danach wieder auf gut 8 000 gestiegen und anschließend nochmals auf 3700 gesunken, um jetzt wieder das Ausgangsniveau zu erklimmen. Da sollte man meinen, dass die Anleger Respekt vor dem Risiko gewonnen haben, das mit einer Aktienanlage einhergeht. Doch scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Für den MSCI Deutschland wird für 2010 ein Gewinnzuwachs von 70 Prozent vorhergesagt, für 2011 von 24,5 Prozent. So ergibt sich ein KGV von 10,5 auf Grundlage der erhofften Ergebnisse von 2011.
Nun ist es bestimmt nicht unmöglich, dass die Firmen diesen Umschwung schaffen, der für kommendes Jahr eine Gewinnspanne nach Steuern von 5,1 Prozent impliziert. Ob das drin ist, soll uns ausnahmsweise auch gar nicht interessieren. Die Frage ist allerdings, ob ein KGV von 10,5 auf Basis eines Gewinnjahrs, das erst in rund elf Monaten beginnt, noch zeitgemäß ist. Trotz der niedrigen Zinsen, die auch dem seit Langem siechenden japanischen Aktienmarkt unterm Strich wenig gebracht haben, ist das zu bezweifeln.
Warum? Nun ja, bis vor wenigen Jahren konnten wir uns ziemlich sicher sein, dass auf Sicht von zwölf Monaten eins von zwei Szenarien eintreffen würde: Entweder würde die Weltwirtschaft wie geschmiert laufen - ordentliches Wachstum bei akzeptabler Inflation -, oder es würde eine Rezession stattfinden, die aber innerhalb weniger Quartale überwunden wäre. Das ökonomische Risiko schien also überschaubar, denn im schlimmsten Fall würde man einen vorübergehenden Gewinn- und Kurseinbruch einfach aussitzen können.
Davon kann keine Rede mehr sein, denn niemand weiß, wie die ungleichgewichtige Weltwirtschaft in zwölf Monaten dastehen wird, geschweige denn in fünf Jahren. Dabei sind die Risiken längst nicht auf Europas Peripherie, China, Bankbilanzen oder regulatorisches Umfeld beschränkt. Die Anleger mögen sich daran gewöhnt haben, doch wenn der US-Präsident allein im Bund eine Etatlücke von fast 1 600 Milliarden Dollar im laufenden Haushaltsjahr wähnt, dann scheint beispielsweise ein Unglück am US-Rentenmarkt jederzeit denkbar. Immerhin entspricht dieses Defizit dem gut Dreifachen der annualisierten Nettoersparnis der US-Verbraucher im vierten Quartal. Derweil kann die Fed das Etatloch nicht ewig stopfen, sofern Amerika einen Rest von Glaubwürdigkeit bewahren will. Am Markt könne schon wegen der Skepsis der Anleger nichts anbrennen, heißt es dennoch immer wieder.
Da lachen ja die Hühner.
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