Kredite Der Schuldenmarkt zeigt wieder Lebenszeichen Von Peter Coy und Mara Der Hovanesian 21. September 2007 Um die Börse einmal ordentlich in Wallung zu bringen, bedienen sich die Zentralbanker eines billigen Zaubertricks. Sie müssen lediglich die Zinssätze stärker senken, als es die Leute erwarten - und ab geht die Post! Tatsächlich schoss der Dow Jones Industrial Average am 18. September um 336 Punkte in die Höhe, nachdem die amerikanische Notenbank Federal Reserve den Tagesgeldsatz und den Diskontsatz jeweils um einen halben Prozentpunkt gesenkt hatten. Dies war der größte prozentuale Zuwachs, den der Dow seit 2003 an einem einzigen Tag verzeichnen konnte. Diese Rally dürfte die Zinssenker der Fed jedoch nicht sonderlich beeindruckt haben. Totgesagte erwachen zu neuem Leben Was für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten viel wichtiger ist, hat sich an anderer Stelle, weitgehend außerhalb der Öffentlichkeit, abgespielt. Und das ist ebenfalls eine gute Nachricht, auch wenn sie etwas weniger für Wirbel sorgt: Die Hinweise mehren sich, dass Teile der im August so gut wie totgesagten Märkte allmählich wieder zu neuem Leben erwachen. Der Aufschwung setzte ein, noch bevor die Fed die Zinssätze senkte, da die Kreditgeber allmählich anfingen, das zur Gewährung von Krediten erforderliche Vertrauen wiederzuerlangen. Die Marktsegmente, die Schaden genommen haben, sind noch immer nicht ganz über den Berg, und eine nachhaltige Erschütterung in den kommenden Monaten könnte dem Aufschwung doch noch ein jähes Ende bereiten. Setzt sich die Rally fort, so könnte der erneute Geldfluss ausreichen, um die Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren. „Es ist zu früh, zu behaupten, dass das Schlimmste vorbei wäre, doch ich bin optimistisch“, meint Edward E. Yardeni, Präsident des Marktforschungsunternehmens Yardeni Research. „Der Markt ist in Feierlaune“ Messen lässt sich der Fortschritt anhand einer vermehrten Ausgabe der in Ungnade gefallenen Wertpapiere sowie an den für einige Kreditnehmer sinkenden Zinssätzen. Während einige Märkte recht undurchsichtig sind, könnte sich ihre Genesung unmittelbar in einem höheren Angebot an Finanzprodukten wie Hypotheken zur Eigenheimfinanzierung niederschlagen. An allen Kreditmärkten war am 19. September - einem Tag, nachdem die Fed erstmals seit 2003 die Zinssätze gesenkt hatte - eine spürbare Begeisterung zu beobachten. „Der Markt ist in Feierlaune“, meint Lena Komileva, Volkswirtin bei der Tullett Prebon Group, einem führenden Brokerhaus. Es ist beeindruckend, wie rasch sich einige der stark gebeutelten Sektoren erholt haben, so zum Beispiel durch Vermögenswerte gesicherte Papiere, die Hypothekengeldgeber und ähnliche Unternehmen ausgeben, um kurzfristige Geldmittel zu beschaffen. Im August wäre der Markt beinahe zusammengebrochen, als die Käufer anfingen, sich um die Qualität der Vermögenswerte zu sorgen, die zur Absicherung der Schulden dienen und unter denen auch Subprime-Hypotheken zu finden sein können. Die Zinssätze fallen Die Käufer weigerten sich, Papiere mit einer Laufzeit von mehr als einem Tag zu kaufen. Nun sind die Unternehmen in der Lage, Papiere mit Laufzeiten von bis zu sechs Monaten auszugeben. Und die zu zahlenden Zinssätze fallen. Ausgehend von einem Höchststand von 6,20 Prozent am 4. September, sank die Rendite des bestbewerteten Papiers mit einer Laufzeit von einem Tag am 19. September auf 5,27 Prozent - ein Rückgang, der viel stärker ausfiel, als die Senkung des Tagesgeldsatzes. Die Erholung auf dem Markt für Interbank-Kredite nahm einen weniger dramatischen, aber dennoch bedeutsamen Verlauf. Auf dem Höhepunkt der Liquiditätskrise Mitte August mussten sogar die größten Banken mehr für die Kredite zahlen, die sie einander vergaben, da die Kreditgeber das Ausfallrisiko nicht einschätzen konnten. Die Anleger hatten sich indes in den sicheren Hafen amerikanischer Schatzwechsel zurückgezogen. Damit eröffnete sich eine Kluft von satten 2,4 Prozentpunkten zwischen dem dreimonatigen Zinssatz, der als „London Interbank Offered Rate“ oder LIBOR bekannt ist, und der niedrigeren Rendite der dreimonatigen Schatzwechsel. Diese Kluft, die deutlich größer als der typische halbe Prozentpunkt ausfiel, stellte einen expliziten Hinweis auf Ängste und Zweifel dar. Am 19. September jedoch hatte sich die Renditedifferenz auf 1,3 Prozentpunkte verringert. „Etwas mehr Klarheit“ Allmählich tauchen auch auf dem undurchsichtigen Markt für erstklassig bewertete Wertpapiere, die durch Kreditkartenforderungen gesichert sind, Interessenten auf. Hierbei verringern sich die Renditedifferenzen gegenüber LIBOR auf etwa 37 Basispunkte. Auf dem Höhepunkt der Krise lag die Differenz dagegen bei 50 und in guten Zeiten sank sie nahezu auf Null, meint Jane L. Caron, ökonomische Chefstrategin von Dwight Asset Management in Burlington, Vermont. Die Anleger schrecken noch immer vor den geringer bewerteten Marktsegmenten zurück. Ein deutlicher Hinweis auf eine Rally ist darin zu sehen, dass die Anleger derzeit stärker zwischen riskanten und weniger riskanten Wertpapieren unterscheiden, statt alle in einen Topf zu werfen. „Allmählich stellt sich etwas mehr Klarheit ein, und die Leute verhalten sich nicht mehr so sehr wie Rehe, die ins Scheinwerferlicht eines Autos geraten“, sagt Frank Pallotta, Geschäftsführer im Bereich Fixed Income bei Morgan Stanley. Unternehmensanleihen wieder gefragt Und während bei den angeschlagenen Marktsegmenten die Zeichen auf Erholung stehen, sind andere Sektoren nie ins Wanken geraten. Die von Thomson Financial gesammelten Daten besagen, dass im August und in der ersten Septemberhälfte ebenso viele Unternehmensanleihen guter Bonität ausgegeben wurden wie vor Beginn der Krise - im Bereich von 80 Milliarden Dollar pro Monat. Sind die Probleme nun behoben? Wohl kaum. Es steht so gut wie fest, dass die Zahl der nicht zurückgezahlten Hypothekendarlehen, die Haupttriebfeder der Kreditmarktkrise waren, weiter steigen wird, da die Häuserpreise fallen und die Hypotheken mit flexibler Verzinsung neu verhandelt werden. „Der Markt für Hypothekenfinanzierungen…ist nach wie vor stark beeinträchtigt“, meint Larry Goldstone, Präsident und leitender Geschäftsführer von Thornburg Mortgage. Der Unterschied liegt nun darin begründet, so Joshua Feinman, Chefökonom bei Deutsche Asset Management, dass die Fed im August gegen eine Baissetendenz auf dem Schuldenmarkt ankämpfte, während sie den Markt jetzt nur ein wenig stärker in die Richtung treibt, in die er sich bereits bewegt. Text: Business Week Online - Quelle www.faz.net |