Ja, ich bin noch investiert. Allerdings habe ich kurz nach den Zahlen meine Position signifikant reduziert.
Ein paar Punkte zum Investmentcase aus meiner Sicht:
1. Langfristperspektive
Mittel- und langfristig finde ich die Aktie definitiv weiterhin sehr interessant. Nur mal als kleines Rechenspielchen: AT&S hat nach wie vor das Ziel, mittelfristig einen ROCE von 12% zu erreichen (siehe S. 14 der Unternehmespräsentation Mai 2017).
Spielen wir das spaßeshalber mal mit den 2017er Zahlen durch. Das EK liegt derzeit bei 540 Mio. EUR (S. 26). ROCE wird normalerweise definiert als EBIT / Captital Employed. Capital Employed wiederum ist definiert als Total Assets minus Current Liabilities. Total Assets liegen derzeit bei 1.437 Mio. EUR, während Current Liabilities bei 327 Mio. EUR liegen (S. 26). Somit ergibt sich ein Capital Employed von 1.110 Mio. EUR.
12% ROCE würden daher implizieren, dass folgende Gleichung gilt:
EBIT / 1.110 Mio. EUR = 12%
Somit folgt ein normalisiertes EBIT von 133,2 Mio. EUR. Finanzierungskosten liegen derzeit bei 17,5 Mio. EUR. Somit ergibt sich ein normalisiertes EBT von 115,7 Mio. EUR. Bei 25% Steuern ergäbe das Net Earnings von 87 Mio. EUR oder ein EPS von 2,23. Mit einem KGV von 12 hätte man dann einen perspektivischen Wert von 26,77 EUR pro Aktie.
Natürlich schleppt man auch ein Net-Debt von fast 10 EUR mit sich rum. Aber wie Du richtig schreibst, wird sich das in den Folgejahren aufgrund der guten Cashflows dann zügig abbauen. Die Finanzmathematik scheint daher nach wie vor sehr vorteilhaft zu sein für den Wert, daher bleibe ich investiert.
(Man kann zur Langfristperspektive aber übrigens auch anmerken, dass es mittlerweile unwahrscheinlich erscheint, dass AT&S' ursprünglichen Renditeprognosen des Chonqingprojekts aufgehen. Es würde mich wundern, wenn in der Rückschau rauskommt, dass hier ein IRR > WACC erzielt wurde. Aber gut, dafür kann man die Aktie jetzt auch günstiger kaufen als früher, so dass die Rendite für den Investor zumindest ausgehend vom momentanen Aktienkurs dennoch befriedigend sein dürfte.)
2. Kurzfristige Perspektive
Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass die kurzfristige Perspektive für die Aktie wohl eher mau ist. Wie in meinem Post weiter oben aufgeführt, dürften wir auch 2017/18 wieder von Quartal zu Quartal mit deutlich negativen Ergebnissen bedacht werden. Zudem wird der Free Cashflow negativ sein und die Schulden werden noch weiter steigen hin zu 3,5 Net Debt/EBITDA. Der Newsflow dürfte also durchgehend negativ aussehen.
Im Sommer könnte zwar eine positive Entscheidung für Chongqing Phase II erfolgen, was den Unternehmenswert prinzipiell erhöhen dürfte. Das Sentiment dazu wird aber garantiert auch eher negativ sein. Denn dann werden die nötigen Investitionen nochmal deutlich weiter steigen, Abschreibungen werden steigen, Net-Debt wird nochmal steigen und positive Ergebnisse werden noch weiter hinausgezögert. Zudem erscheint nicht unwahrscheinlich, dass es dann zu einer Kapitalerhöhung oder Wandelschuldverschreibung bei Kurs unter Buchwert kommen könnte. Es ist in meinen Augen daher unwahrscheinlich, dass die eigentlich positive Nachricht zu Chongqing II vom Kapitalmarkt positiv aufgenommen wird.
Hinzu kommt die gewohnt lethargische Art der Geschäftsführung, das eigene Unternehmen zu unterstützen ("Thank you, Mr. Gerstenmayer, now Mr. Asamer will lead us through the financials"). Da ist dank der Kombination schlechte Außendarstellung plus optisch schlechte Kennziffern einfach nicht abzusehen, wie die Aktie in den nächsten 9 Monaten positiv aus der 9-10 EUR Range ausbrechen sollte.
Ich setze einen guten Teil meiner früheren AT&S Position also momentan lieber anderweitig ein, wo eine positive Rendite auf das Kapital zu erwarten ist. Die AT&S Aktie dürfte mir nicht weglaufen und dann kann man auch im Winter wieder investieren. Bis dahin sollten auch die operativen Probleme mit der Serienproduktion in Chongqing behoben sein und möglicherweise hat Intel dann auch seine 10nm Probleme ausgeräumt. Zu diesem Zeitpunkt könnte ich mir ein Wiederaufstocken also gut vorstellen. Momentan bin ich aber lieber mit moderater Gewichtung investiert. |