News - 17.05.07 16:51 "Das wäre ein Mega-Deal"
Alexander Gontscharuk, Chef des russischen Mischkonzerns Sistema, im Handelsblatt-Gespräch über Fusionspläne mit der Deutschen Telekom und den politischen Einfluss auf sein Unternehmen.
MOSKAU. Hat Sistema immer noch Interesse an einem Zusammenschluss mit der Deutschen Telekom?
Alexander Gontscharuk: Deutsche Telekom und Siemens sind unsere ältesten Partner in Deutschland. Wir hatten mit der Telekom die Partnerschaft bei unserer Mobilfunktochter MTS. Lange Zeit war dies das Beispiel in Russland für eine dynamische Kooperation...
Diese Kooperation ließe sich doch wieder aufnehmen...
Ja, nur leider hat sich die Telekom entschieden, ihre Anteile an MTS verkaufen. Wir haben dennoch enge persönliche Kontakte zu Herrn Obermann und anderen führenden Managern. Werden wir mit der Telekom fusionieren? Ich als Unternehmer weiß eines: sag niemals nie. Wir glauben, dass die Vereinigung zweier so großer Unternehmen einen Mega-Konzern schafft, der Standbeine vom amerikanischen über den europäischen bis zum asiatischen Markt hätte. Viele Analysten sehen dies positiv. Abstrakt gesprochen - das wäre ein Mega-Deal. Aber die Probleme liegen im Detail. Kennen sie Aktionäre der Telekom, die heute ihre Aktien verkaufen wollen? Angeblich kommt nur ein kleines Aktienpaket in Frage. Das wäre so klein, dass wir keine Möglichkeit hätten, das operative Geschäft zu beeinflussen. Dass überhaupt ein solches Paket auf den Markt kommt, ist auch nur ein Gerücht. Wir reden also rein theoretisch. Und dafür ist MTS für uns ein viel zu wertvolles Unternehmen, als dass wir auf solche Spekulationen bauen würden. Dann gibt es natürlich noch Blackstone als Investor, der die Entwicklung auch sehr aufmerksam verfolgt, und die Bundesregierung.
Die politischen Probleme stehen im Zentrum?
Natürlich. Aber wie schon gesagt, das sind alles rein theoretische Fragen.
Versuchen sie denn, sie praktisch zu lösen?
Derzeit nicht. Wie können wir auf einer so theoretischen Ebene arbeiten? Selbstverständlich versuchen wir nicht nur unser Geschäft zu erweitern, wir schauen auch auf Fusionen mit einem großen Partner. Im Augenblick arbeiten wir aber nicht daran. Wir freuen uns aber darüber, dass wir in Deutschland als ein ausgezeichneter potenzieller Partner gesehen werden.
Dennoch - bei einem möglichen Geschäft mit der Telekom geht es darum, einen neuen gemeinsamen Telekommunikationskonzern zu schaffen?
Das wäre für beide Seiten am Besten. Aber natürlich gibt es die Frage der Kosten und der Bewertung: Die Telekom hat heute einen Marktwert von 60 Mrd. Dollar, MTS liegt bei 22 Mrd. Dollar. Wir wachsen aber schnell. Die Telekom steckt derzeit zudem leider in einer schwierigen Lage. Das sehen wir und beobachten es sehr genau. In der aktuellen Situation passt es einfach nicht.
Wie steht es denn mit anderen europäischen Telekomkonzernen?
Wissen sie, Westeuropa ist eine so kleine Region. Natürlich gibt es da interessante Firmen. Wir sind immer auf der Suche, aber wir sind strategische Investoren, die deshalb immer auch die operative Kontrolle wolle.
Steht denn der europäische Markt bei ihnen an erster Stelle bei der Expansion?
Europäische Firmen haben eine hervorragende Unternehmenskultur, sind finanziell transparent. Aber der Markt ist schon sehr gesättigt. Natürlich liegen die Perspektiven in den Wachstumsmärkten wie zum Beispiel Indien. Die sind aber schon so überheizt, dass Übernahmen dort heute sehr teuer sind. Da machen wir nicht mit. Unser Hauptmarkt ist Russland und die GUS-Länder, wir sehen da nach wie vor ein großes Potenzial. Das übrige Ausland haben wir im Blick. Wir peilen da aber nicht viele kleine Übernahmen an, wenn wir dort aktiv werden, dann mit großen Deals.
Welches sind für sei weitere Wachstumsmotoren in ihrem Konzernportfolio neben der Telekommunikation?
Für uns ist die Entwicklung der bisher noch nicht gelisteten Konzernteile wichtig. Dazu zählen Tourismus, der Banksektor, Einzelhandel, Medien, Pharma und Medizin - also den Betrieb und die Ausrüstung von Kliniken.
Steht denn nicht auch die Notierung der Hightech-Tochter Sitronics an der Nasdaq an?
Nein, es bleibt bei London.
Welche Chancen sehen sie denn, dass eine Hightech-Marke aus Russland in den nächsten Jahren Weltgeltung bekommt?
Unser Hauptmarkt ist - wie schon gesagt Russland. Aber natürlich exportieren wir auch. Mit einer deutschen Firma haben wir in Russland ein Joint-Venture für die Produktion von Smart-Cards. Wir planen auch uns gemeinsam mit der französischen Firma STM an der Herstellung biometrischer Reisepässe zu beteiligen.
Wird es denn in Zukunft auch Flachbildschirme aus ihrem Haus oder andere elektronische Massenprodukte auf internationalen Märkten geben?
Diese Märkte werden von asiatischen Herstellern dominiert - ein harter Wettbewerb. Wir sollten daher eher versuchen, mit asiatischen Partnern in der Produktion zu kooperieren. Im Geschäftskundenbereich - und das ist unser Kerngeschäft - exportieren wir bereits Produkte, die wir in Russland herstellen, in 18 verschiedene Länder. In Russland selbst wollen wir auch in dem Markt für Haushaltsgeräte und consumer electronics vorstoßen, da es hier bisher keine einheimischen Marken gibt. Da sehen wir Chancen.
Sistema spielt bei der Entwicklung des russischen Satellitennavigationssytems Glonas eine zentrale Rolle. Wird das russische System zum ernsthaften Konkurrenten für das europäische Galileo? Wir haben eine wichtige Rolle im kommerziellen Bereich - rund 40 verschiedene kleinere Projekte. Es gibt zwischen den beiden Systemen eine Reihe von technologischen Unterschieden, Galileo ist da sicherlich weiter. Wir schließen aber nicht aus, dass sich die Systeme synchronisieren lassen.
Wird Sistema ein Mischkonzern bleiben?
Wir denken darüber sehr intensiv nach. Unser Planungsziel ist das Jahr 2011. Bis dahin wird es sicherlich Veränderungen geben: Wir werden transparenter sein, es wird weitere Börsengänge von Sparten geben. Aber grundsätzlich wird sich an der Struktur nicht viel ändern.
Viele russische Unternehmen klagen darüber, dass ihnen der Zugang speziell zum europäischen Markt beschränkt wird. Sie auch?
Es gibt russische Firmen, die sich mit Minderheitsbeteiligungen im Ausland begnügen - wie zum Beispiel die VTB Bank bei EADS. Die haben nun ein kleines Aktienpaket und warten auf ihre Dividende. Wie schon gesagt, dies ist kein Weg, den wir einschlagen würden. Kontrollmehrheiten an großen Unternehmen zu erhalten ist natürlich viel schwerer
Weil sie ein russisches Unternehmen sind?
Nein, ich denke nicht. Wir sind schon seit Jahren international mit verschiedenen Partnern tätig, man kennt uns. Das zeichnet uns gegenüber anderen russischen Firmen aus. Wenn man im Ausland Erfolg will, muss man vor allem eines sein: transparent.
Es stehen nun die Wahlen zur Duma und die Präsidentenwahlen an. Wie trifft sie das?
Wir haben unser Unternehmen während zwei Präsidentschaften entwickelt. Sicherlich hat es bisweilen Schwierigkeiten gegeben, aber sie haben das Unternehmen nicht gefährdet. Die Veränderungen, die wir auf dem wirtschaftlichen Sektor in Russland in den vergangenen zehn Jahren gesehen haben, sind glaube ich nicht mehr als die in den USA oder Italien nach dem Wechsel zu George Bush oder Silvio Berlusconi. Gott sei Dank, haben wir seit sieben Jahren eine stabile Entwicklung. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich, dass der Staat sich um die Bürger kümmert
Aber er hat auch eine immer größere Rolle in der Wirtschaft
Ich glaube, dies ist eine ganz logische Entwicklung. Als Präsident von Sistema beunruhigt mich das nicht.
Und wenn der Kreml sagt, dass alle russischen Hightechfirmen unter das Dach eine staatlichen Holding müssen?
Der Staat ist doch nicht verrückt, solche großen Probleme zu übernehmen.
Quelle: Handelsblatt.com
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