MISSVERSTÄNDLICHER TEXT
US-Marine entschuldigt sich für zynischen Irak-Song
Eine Frau wird erschossen, ein Marine lacht dabei: Das war der vermeintlich skandalöse Inhalt eines Songs, den ein US-Soldat über seinen Irak-Einsatz geschrieben hat. Doch ganz so einfach lag die Geschichte nicht.
< script type=text/javascript><!--OAS_RICH('Middle2'); // -->< /script>"Das war total phantastisch, ein großartiges Beispiel dafür, wie Marines Dampf ablassen": So lautete einer der zahlreichen Kommentare in der Blogosphäre. "Es ist der Galgenhumor eines Mannes, der in einer schwierigen Situation ist: Zu wissen, welche Iraker er beschützen und wen er töten soll", hieß es in einem anderen. Der Gegenstand der Debatte: ein Musik-Video von gut 4 Minuten Länge, das vor kurzem auf YouTube erschienen war und seitdem für weltweiten Wirbel und eine Untersuchung der US-Armee gesorgt hat. Denn darauf singt ein US-Marine ein selbst produziertes Lied über seinen Einsatz im Irak - derart zynisch, dass man nur bei genauem Hinhören versteht, worum es eigentlich geht. "Als die Kugeln zu fliegen begannen, sprühte das Blut aus der Wunde zwischen ihren Augen, und ich lachte wie ein Verrückter" heißt etwa eine Zeile. Auch SPIEGEL ONLINE hatte zunächst den Tenor übernommen, mit dem einige Agenturen und Blogger über das Video berichteten: dass der Sänger sich in dem Song nämlich über die Tötung von irakischen Zivilisten lustig macht. Auch die Organisation CAIR, die gegen die Diskriminierung von Muslimen antritt und in Washington sitzt, hatte sich beschwert und damit zur Welle der Empörung beigetragen. Die ging so weit, dass die US-Armee sich die Sache genau ansah, den Song für "unangemessen" erklärte und der Verfasser sich entschuldigte. <!-- Vignette StoryServer 5.0 Thu Jun 15 17:18:18 2006 --> |
Das Lied mit dem Titel "Hadji Girl" beschreibt die Geschichte einer Begegnung zwischen einer Irakerin und einem US-Marine. Es sei zwar "Liebe auf den ersten Blick" gewesen, aber verstehen habe man sich nicht können, singt der Sänger. Die Sprachbarriere ist auch das zentrale Motiv, so etwa im Refrain: "Dirka dirka Muhammed jihad / shurpa shurpa bakala / Hadji girl I can't understand what you say." Später, so in dem Lied, von dem der Sänger mittlerweile sagt, es sei lustig gemeint gewesen, begleitet der Marine das Mädchen nach Hause. Dort jedoch wird die junge Frau von ihrem Vater und ihrem Bruder kaltblütig erschossen: "And she threw open the door / And I hit the floor... / Cuz her brother and her father shot her." ("Und sie öffnete die Tür / und ich landete auf dem Boden / Weil ihr Bruder und ihr Vater erschossen sie"). In Reaktion darauf nimmt der Marine in dem Lied die Schwester der Getöteten "vor sich", wohl als menschliches Schutzschild - jedenfalls wird auch sie von ihrer Familie erschossen. Es ist an dieser Stelle, wo die aus dem Zusammenhang gerissen tatsächlich schockierend klingenden Zeilen stehen: "So I grabbed her little sister and put her in front of me. / As the bullets began to fly / the blood sprayed from between her eyes / and then I laughed maniacally / Then I hid behind the TV / and I locked and loaded my M16 / I blew those little fuckers to eternity". ("Und so nahm ich ihre kleine Schwester, und nahm sie vor mich / Als die Kugeln zu fliegen begannen / sprühte das Blut aus der Wunde zwischen ihren Augen / dann lachte ich wie ein Verrückter / versteckte mich hinter dem Fernseher / ich lud mein M16-Gewehr / und pustete diese Arschlöcher in die Ewigkeit"). Das ist immer noch drastisch, und auch nach Ansicht der US-Armee nicht "angemessen". Aber der Texter macht sich nicht, wie SPIEGEL ONLINE irrtümlich berichtet hatte, über die Tötung von Zivilisten lustig - schließlich handelt es sich bei den "Opfern" des Marines um Mörder an ihrer eigenen Familie, die bewaffnet sind. Mittlerweile ist die Aufregung um das Video schon abgeebbt; auf YouTube ist es nicht mehr zu finden, es wurde längst zurückgezogen. Der vermeintliche Skandal erfüllt alle Merkmale einer Art moderner "urban legend", die über das Internet verbreitet wird und noch nach Wochen oder Monaten wieder an die Oberfläche drängt. In diesem Fall lagen drei Monate zwischen der Veröffentlichung des umstrittenen Songs und der SPIEGEL ONLINE-Geschichte von heute Mittag. yas/Reuters/AP Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,421649,00.html . |