Peak Oil - das Ende des billigen Öls 27.07.2007

Könnte der steigende Ölpreis ein erster Vorbote eienr weltweiten Verknappung von Rohöl sein? Die Verfechter der Peak-Oil-Theorie warnen vor einem drastischen Rückgang der Ölförderung und den unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft. Und die Zahl der mahnenden Stimmen nimmt zu.
wohin das Auge blickt: Endlose Reihen verrostender Autos, Sie säumen die Straßen der Städte, manche Wracks liegen einfach dort, wo sie stehen geblieben sind. In den Trümmern werkeln zerlumpte Gestalten, die die letzten verwertbaren Metalle und Kunststoffe aus den nutzlosen Karosserien herausklauben. Fortbewegen kann man sie nicht, denn es ist kein Treibstoff mehr da, kein Benzin, kein Diesel, kein Öl. Ob Käfer, Ente oder Porsche Cayenne, sie alle liegen als nutzloser Schrott in der Sonne und ihre Kadaver werden gefleddert von einer Menschheit, die verzweifelt die letzten Rohstoffe einsammelt, die sich ohne den Einsatz von billiger Energie aufklauben lassen. Das klingt wie der Trailer zu einem weiteren Endzeitdrama à la Mad Max, und doch könnte es nur allzu bald Realität werden - sagen diejenigen, die das Ende des billigen Öls prophezeihen. Nach ihrer Ansicht sind Klimawandel, die Verknappung des Wassers, Umweltzerstörung und weltweite Virenepedemien weit weniger bedrohlich als das, was der Menschheit droht, wenn das Öl ausgeht. Und dieses Szenario hat einen Namen: Peak Oil. Schon in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich der amerikanische Geologe und Geophysiker M. King Hubbard mit der Kapazität von Erdöl- und Erdgasfeldern auseinandergesetzt. Hubbard präsentierte seine Erkenntnisse auf einer Konferenz des American Petroleum Institute, auf der er vorhersagte, dass die Erdölförderung in den USA zu Beginn der siebziger Jahre ihr Maximum erreichen würde. Nach Hubbard kann die Förderung eines jeden einzelnen sowie auch einer größeren Menge von Ölfeldern durch eine Kurve beschrieben werden, die der Form nach einer Gaußschen Glockenkurve ähnelt. Danach ist das Maximum der Förderung erreicht, wenn die Hälfte der Reserven der Lagerstätte verbraucht ist. Zu Berühmtheit gelangte Hubbard in den 70er-Jahren, als seine Vorhersage tatsächlich eintraf. Waren die USA noch in den 60er-Jahren einer der größten Erölexporteure, so müssen sie heute drei Viertel ihres Bedarfs durch Importe decken: Seit 1970 ist die Menge des täglich geförderten Öls in den USA um ein Viertel zurückgegangen. Hubbard stellte auch eine Berechnung an, nach der die weltweite Förderung zur Jahrtausendwende ihr Maximum erreichen sollte. Dass der Zenith zu diesem Zeitpunkt nicht erreicht wurde, ist vor allem auf die Ölkrise von 1973 sowie die darauf folgende Rezession zurückzuführen, während der der weltweite Erdölverbrauch drastisch sank. Somit hat sich das Erreichen des Ölfördermaximums aus der Sicht von Hubbard jedoch nur um ein paar Jahre verschoben. Vor allem der Investmentbanker Matthew R. Simmons wird nicht müde, vor den Folgen des Peak-Oil-Phänomens zu warnen. Simmons beriet US-Präsident George W. Bush während des Wahlkampfs im Jahr 2000 und leitet die Simmons & Co. International, eine Investmentbank in Houston, die sich auf Research und M & A für die Energiewirtschaft spezialisiert hat. Seiner Ansicht nach haben großen Erdölproduzenten wie die USA, Iran, Mexiko, Venezuela, Kuwait, Nigeria oder auch die Felder der Nordsee allesamt ihren Höhepunkt überschritten. Und auch Saudi-Arabien, nach wie vor größter Erdölproduzent der Welt, kann seine Kapazitäten nicht mehr unbegrenzt ausdehnen. Im Gegenteil. Das Königreich, in dem der Zustand und die Reserven an Erdöl als Staatsgeheimnis behandelt werden, möchte seine Produktion auf dem gegenwärtigen Niveau einfrieren. Immerhin beträgt der Anteil saudischen Öls am Weltverbrauch rund 14 Prozent. Laut dem Bericht der Internationalen Energieagentur IEA werden weltweit werden täglich mehr als 86 Millionen Barrel Öl verbraucht. Aneinander gereiht würden die Fässer einen Ring ergeben, der einmal um die Erde herumreicht. Täglich. Und die Nachfrage steigt. Die rasant wachsenden Volkswirtschaften Chinas und Indiens haben gerade erst angefangen, Öl zu verbrauchen. Noch liegt der Verbrauch Chinas nur bei einem Drittel des US-Amerikanischen: Dort lösen sich täglich 20 Millionen Barrel in Form von Treibstoff in Rauch auf oder werden von der Petrochemie in Plastik, Düngemittel und Pestizide umgewandelt. Der Energiekonzern BP gibt in seinem Jahresbericht die nachgewiesenen Weltölreserven mit rund 1.200 Milliarden Barrel an, hinzu kommen 190 Milliarden Barrel Ölsand. Rein rechnerisch sollten also die verbleibenden Reserven für weitere 38 Jahre ausreichen - vorausgesetzt, der Verbrauch wird auf dem heutigen Niveau eingefroren. Die US-Behörde EIA, die im Auftrag des amerikanischen Energieministeriums Informationen zum Rohöl auswertet, rechnet bis 2030 mit einem Anstieg des weltweiten Ölverbrauchs auf 118 Millionen Barrel pro Tag. In dem zugrunde liegenden Szenario prognostiziert die EIA einen Rückgang des Ölpreises auf 49 US-Dollar bis 2014, danach sollen die Preise auf 58 bis 100 US-Dollar anziehen. Die USA als weltgrößter Ölverbraucher sind naturgemäß sehr optimistisch, was die Entdeckung neuer Ölreserven und die Preisentwicklung angeht. Die Ölmärkte scheinen diese Zuversicht jedoch nicht zu teilen. Der Rohölpreis ist seit Jahresbeginn wieder kräftig gestiegen und nähert sich der 80-Dollar-Marke. Jedoch führt IEA-Chef Claude Mandil die derzeitigen Preissteigerungen vor allem auf einen Rückgang der Lagerbestände und fehlende Investitionen der Öl-Konzerne zurück und geht nicht davon aus, dass schon alle kurzfristig erschließbaren Öl-Reserven gefunden wurden, wie dies Matt Simmons behauptet. Sollten sich die Annahmen Hubbards und anderer Verfechter der Peak-Oil-These bewahrheiten und tatsächlich die weltweite Erdölproduktion noch in diesem Jahrzehnt ihren Zenith überschreiten, ist nicht nur mit weiter steigenden Preisen zu rechnen. Sollte es wirklich zu drastischen Engpässen kommen, wären die Folgen in ihrer Reichweite kaum überschaubar: Galoppierende Inflation, Rückgang der Nahrungsmittelproduktion aufgrund steigender Preise für Düngemittel und Pestizide, explodierende Transportkosten mit gravierenden Folgen für Individual- und Güterverkehr - die Schrecken, die die Peak-Oil-Verfechter an die Wand malen, klingen wie ein Auszug aus der Apokalypse des Johannes. Vor diesem Hintergrund scheint das eingangs beschriebene Szenario durchaus plausibel. Eine unüberschaubare Reihe von Unbekannten macht eine Vorhersage der zukünftigen Verfügbarkeit von Erdöl sehr schwierig. Wie hoch sind die zur Verfügung stehenden Ölreserven tatsächlich? In welchem Umfang stehen weitere zu erschließende Reserven zur Verfügung und ab wann können diese kosteneffizient erschlossen werden ? Ab welchem Zeitpunkt wird die Verflüssigung von Kohle zu Benzin, eine Technologie, die schon seit Langem bekannt ist, so rentabel sein, dass sie für sinkende Ölförderquoten in die Bresche springen kann? Wird der Abbau von Gashydraten den Energieträger der Zukunft liefern können? Vollzieht sich der Rückgang der Ölförderung mit einem steilen Absinken der Produktion oder gleicht er einem allmählichen Niedergang, der der Wirtschaft Zeit lässt, alternative Konzepte zu entwickeln? In den USA ist die Peak-Oil-Debatte schon dabei, die Popularität der Diskussion um den Klimawandel einzuholen. Allmählich wird auch den energiehungrigen Amerikanern bewusst, in welchem Maß unsere westliche Gesellschaft mittlerweile abhängig ist vom Öl, und welche Folgen auf sie zukäme, wurde der gigantische schwarze Fluß, der in ihr Land strömt, zum versiegen kommen. Und es ist absehbar, das mit weiter steigenden Preisen das Thema auch in Europa zusehends an Präsenz gewinnt. In diesem Sommer starten zwei Filme in den Kinos, die eindringlich vor den Folgen eines Öl-Crashs warnen. Und auf dem Internetportal Youtube werden täglich neue Beiträge zum Peak-Oil eingestellt. Und bei der Suchmaschine Google fördert die Suche nach dem Begriff "Peak Oil" schon jetzt rund zwei Millionen Treffer, allerdings bei weitem noch nicht so viele wie das klassische Schlagwort "Sex" (460 Millionen). Das läßt zumindest Platz für die Hoffnung, dass die Menschen auch nach dem Ende des billigen Öls ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen werden. Auch wenn sie dann dabei im Dunkeln sitzen. Oder gerade dann. |
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