Hensoldt schreibt trotz Rüstungsboom erneut rote Zahlen Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen lassen die Auftragsbücher des Rüstungselektronik-Konzerns Hensoldt weiter anschwellen. Auch dank der Bestellung eines neuen Flugabwehrsystems für die Bundeswehr erreichte der Auftragsbestand des Unternehmens im ersten Quartal einen Rekord. Der Umsatz ging hingegen zurück, wie Hensoldt am Dienstag in Taufkirchen bei München mitteilte. Trotz einer höheren Marge im Tagesgeschäft schrieb der Radarspezialist unter dem Strich erneut rote Zahlen.
An der Börse wurden die Neuigkeiten mit einigem Auf und Ab quittiert: Die Hensoldt-Aktie gewann am Vormittag zeitweise gut anderthalb Prozent. Dann sackte ihr Kurs um fast drei Prozent ab. Am Nachmittag gehörte das Papier mit einem Abschlag von zweieinhalb Prozent auf 37,34 Euro zu den größten Verlierern im MDax , dem Index der mittelgroßen Werte.
Der Kurs entfernt sich damit weiter von dem Anfang April erreichten Rekordhoch von 44,58 Euro. Trotz des Rückgangs in den vergangenen Wochen zählt die Aktie zu den größten Gewinnern unter den deutschen Standard- und Nebenwerten der ersten Reihe. Seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine im Februar 2022 hat sich der Kurs mehr als verdreifacht. Im Dax , MDax und SDax konnte in dem Zeitraum nur der Rüstungskonzern Rheinmetall (Rheinmetall Aktie) mehr zulegen. Dessen Kurs zog seitdem um etwas mehr als 460 Prozent an.
Dabei hatte Hensoldt im ersten Quartal erneut von der Aufrüstung westlicher Streitkräfte profitiert. Das Unternehmen holte Bestellungen über 665 Millionen Euro herein und damit fast doppelt so viel wie ein Jahr zuvor. Dadurch wuchs der Auftragsbestand seit dem Jahreswechsel um gut sechs Prozent auf fast 5,9 Milliarden Euro.
Dazu trugen Großaufträge im Geschäft mit Sensoren bei - wie dem neuen Luftverteidigungssystem, das Hensoldt zusammen mit den Rüstungskonzernen Rheinmetall und Diehl anbietet. Hinzu kamen Aufträge für das Nahbereichsradar TRML-4D, das auch im Flugabwehrsystem Iris-T SLM von Diehl Defence in der Ukraine zum Einsatz kommt.
Im ersten Quartal erzielte Hensoldt einen Umsatz von 329 Millionen Euro und damit knapp drei Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Dennoch wuchs der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) um knapp elf Prozent auf 33 Millionen Euro. Unter dem Strich sank der Verlust im Jahresvergleich um rund ein Viertel auf 15 Millionen Euro.
Der neue Vorstandschef Oliver Dörre zeigte sich zuversichtlich, dass Hensoldt seinen Umsatz von 1,85 Milliarden im Vorjahr auf rund 2,3 Milliarden Euro im laufenden Jahr steigern wird. Dazu beitragen soll Geld aus dem sogenannten Sondervermögen für die Aufrüstung der Bundeswehr, für das Deutschland zusätzliche Schulden aufnimmt.
Die Hensoldt-Spitze hatte für 2024 zunächst einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro als Ziel ausgegeben, ihre Prognose nach der Übernahme des Elektronikspezialisten ESG jedoch Anfang April angehoben. Dabei sollen 18 bis 19 Prozent der Erlöse als bereinigter Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen übrig bleiben, wenn man Geschäftsvolumen mit geringem Wertschöpfungsanteil herausrechnet. Branchenexperte David Perry von der US-Bank JPMorgan kritisierte den Konzern jedoch für eine "schwache Ergebnisqualität". Die von Hensoldt definierten bereinigten Kennzahlen ließen hohe Sondereffekte außer Betracht. Der starke Auftragseingang untermauere zwar seine sehr optimistische Einschätzung des Rüstungsbooms, schrieb Perry. Es gebe aber bessere Möglichkeiten, davon zu profitieren.
Der Analyst hält auch die Bewertung der Hensoldt-Aktie für zu üppig. Gemessen am jüngsten Aktienkurs wird das bayerische Unternehmen an der Börse mit rund 4,4 Milliarden Euro bewertet. Das Unternehmen wurde im September 2020 an die Börse gebracht. Der Bund hält etwas mehr als ein Viertel der Aktien. Mit einem Anteil von knapp 23 Prozent ist der italienische Rüstungskonzern Leonardo zweitgrößter Aktionär des Unternehmens.
Quelle: dpa-AFX |