https://www.autohaus.de/nachrichten/...-mit-ueberkapazitaeten-3541471
Klarer kann man das grundlegende Problem im Automotive Bereich nicht benennen. Der Markt in Europa ist gesättigt. Es gibt auf absehbare Zeit kein Absatzwachstum.
Dass Schaeffler sich in der Überschrift zur Ergebnismeldung auf erfolgreiches Umsatzwachstum bezog, spiegelt für mich das Vertrauensproblem des Marktes wider.
Man gibt sich unheimlich viel Mühe, die Umsatzauswirkungen von Währungsdifferenzen zu quantifizieren. Man unterlässt selbiges "komischerweise" bei für das betriebswirtschaftliche Verständnis der gemeldeten Zahlen mindestens genauso relevanten inflationsbedingten Umsatzauswirkungen.
Nur mal so für Nicht-BWLer. Deutschland ist seit geraumer Zeit in der Rezession. Die Industrie sieht eine der tiefsten Rezessionen der Nachkriegszeit. Diese wird in der Gesamtwachstumsrate dank eines zum Teil enorm starken Wachstums des Service-Sektors kaum sichtbar.
Das nominale BIP Deutschlands ist in den letzten Jahren so stark gewachsen wie seit Jahrzehnten nicht. Schuld daran ist aber nicht ein genialer Wachstumsplan unserer Regierung, sondern allein die Inflation, die über die letzten 5 Jahre einen Basiseffekt von deutlich mehr als 20% nominalen BIP-Wachstums ausgelöst hat.
Um die "wahre" Wirtschaftsentwicklung messen zu können, ist es bei volkswirtschaftlichen Kennzahlen seit Jahrzehnten Usus, die reale, d.h. inflationsbereinigte BIP-Entwicklung zu betrachten und kommt dann zu dem völlig konträren Ergebnis, dass Deutschland derzeit schrumpft.
In der gestrigen Ergebnismitteilung leitet Schaeffler eine Outperformance gegenüber der Peergroup daraus ab, dass man die stagnierenden bis leicht rückläufigen Produktions- und Absatzzahlen mit Schaefflers nominaler Umsatzentwicklung vergleicht.
Das ist betriebswirtschaftlich Bullshit!
Produktionszahlen beinhalten keine Inflation. Umsatz = Absatzmenge x Preis. Der Umsatz allein sagt nichts darüber aus, ob die zugrunde liegende Absatzmenge sich tatsächlich besser entwickelt hat als Automobilproduktion / Autoabsatz weltweit.
Dass das Schaeffler Management es mittlerweile nötig hat, solchen Bullshit als vermeintliche Erfolgsmeldung zu platzieren, lässt tief blicken in die aktuelle Unternehmensentwicklung. Und der Kurs tut dann genau das, was er eben macht, wenn Vorstände Aktionären ein x für ein o verkaufen wollen.
Der Wert der Umsatzentwicklung lässt sich vernünftigerweise nur unter Berücksichtigung der Umsatzmarge einschätzen. Und da sah es in Q2 zappenduster aus!
5 Cent Gewinn pro Aktie nach 35 Cent in Q1... wenn dieser Trend sich fortsetzen würde, wäre Q3 bereits tiefrot! Und Anlageentscheidungen basieren eben häufig auf Trends, da es ja immer um die Abschätzung der zukünftigen Entwicklung geht.
Und da kommt in Q4 der Zusammenschluss mit Contis Badbank Vitesco ins Spiel. Wer den gestrigen Earnings Call aufmerksam verfolgt hat, sollte an einer Stelle stutzig geworden sein. Als es um die Ursache des negativen Gewinnbeitrags aus dem at equity Ansatz für Vitesco ging...
Da hat Claus Bauer offen darüber berichtet, dass Vitescos Halbjahres-EBIT gegenüber Schaefflers konservativen internen Bilanzierungsvorgaben um ca 120 Mio EUR höher ausgewiesen ist, woraus im Halbjahresabschluss auf Nettoergebnisebene und unter Berücksichtigung der 38,9%-Equity Beteiligung an Vitesco eine negative Gewinnanpassung von mehr als 30 Mio € folgte. Ursächlich dafür sind deutliche Unterschiede bei der Bilanzierung von F&E Aufwendungen. Sprich Vitesco nutzt lt. Claus Bauer Ermessensspielräume bei der IFRS-Bilanzierung für eine deutlich weniger konservative Bilanzierung als Schaeffler, sprich schönt den EBIT-Ausweis durch einen im Vergleich zu Schaefflers Bilanzierungsstatuten aggressiveren Ausweis von F&E Aufwendungen als immaterielle Vermögenswerte.
Wer das nicht glaubt, dem kann ich nur empfehlen, den Earnings Call nachzuhören und sich die Präsentation dazu anzusehen.
https://www.schaeffler.com/de/investor-relations/
https://www.schaeffler.com/remotemedien/media/...sentation_5gamo4.pdf
Für Schaeffler Aktionäre heißt das, Vitescos ohnehin schon superschwache Profitabilität ist tatsächlich noch viel schwächer und spätestens in den Q4 Zahlen, wo erstmals auf Gesamtkonzernebene einheitliche Bilanzierungsmaßstäbe angesetzt werden, dürfte die ungeschönte Wahrheit über den aktuellen Wertbeitrag einer Vitesco dem geneigten Publikum offenbart werden.
Diejenigen Vitesco Aktionäre, die das Geschenk einer Barabfindung von 94 EUR nicht als solches erkannt haben und tatsächlich lieber die Aktie gehalten haben, müssen sich mittlerweile - zu Recht - als absolute Idioten vorkommen.
Conti hatte die seit Jahren margenschwache Antriebssparte als Badbank in Vitesco ausgelagert. Nachdem die Badbank dann von 63 € auf unter 30 € gecrasht war, haben Analysten vor dem Hintergrund einer Übernahmespekulation Vitesco dann plötzlich zur E-Mobility Perle erklärt. Ein Unternehmen, dass bis heute mehr als 90% des Gesamtumsatzes in der Verbrenner-Sparte macht und in der "zukunftsträchtigen" E-Mobility Sparte zweistellig negative EBIT-Margen fährt. Das erinnert mich so fatal an den Wasserstoff-Hype, wo Analysten Kursziele etwa für ThyssenKrupp Nucera zu Mondpreisen hochjazzten und mit der komplett adversen Kursentwicklung selbige nun immer weiter senken, weil die Realität bei disruptiven Technologien eben selten bis nie so verläuft wie bei Nvidia. Meistens erweisen sich die anfänglichen Hoffnungen und Ansatzprognosen als reine Wolkenkuckucksheime. Weil der Mensch und insbesondere eine alternde dt. Gesellschaft eben tief im Herzen ein Bewahrer und skeptisch gegenüber jedweder Neuerung ist.
Das Problem für Schaeffler Aktionäre ist, dass wir den m.E. stark überhöhten Vitesco Kaufpreis in Form weiterer Kursverluste teuer bezahlen müssen, bis die Rentabilität des Gesamtkonzerns auf dem bisherigen Schaeffler Niveau ankommt.
Wenn Vitesco auf absehbare Zeit null Ergebnisbeitrag liefert, die Übernahme aber zu einer Erhöhung der ausstehenden Aktien um ca. 50% führt, müsste sich der Kurs gegenüber dem Stand vor der Übernahme um 33,3% reduzieren. Wenn man 6 € als Ausgangswert vor Übernahme betrachtet, würde sich der Schaeffler Kurs nach Übernahme auf 4 € (= 2/3) verringern. Ich sage nicht, dass Vitesco für alle Zeit null Wertbeitrag liefern wird und demnach im Grunde wertlos war, ich argumentiere aus dem Blickwinkel kurzfristig orientierter Analysten, für die im Wesentlichen immer nur das nächste Quartalsergebnis als Basis ihrer (kurzfristigen) Kursziele dient.
Insofern wundert es mich nicht, dass Friedas permanente Pushversuche hier seit Monaten ignoriert, ja von der Kursentwicklung geradezu konterkariert werden. Je höher die Anzahl der Posts, desto deutlicher geht es nach Süden.
Im Sinne investierter Anleger also besser einfach mal nichts mehr posten ;-) Wir sind uns einig, dass Schaeffler - 2,5% Witzmarge im Industriegeschäft hin oder her - im Kern ein gesundes Unternehmen ist, dass auch durch eine überteuerte Vitesco Übernahme nicht ansatzweise ins Rutschen kommen dürfte. Allerdings heißt das noch lange nicht, dass der Boden des Aktienkurses nun erreicht ist. Schon gar nicht vor dem Hintergrund eines drohenden Iran-Israel Krieges und der Unsicherheit über die Wirtschaftsentwicklung in den USA. Von Deutschland oder Europa muss man an dieser Stelle gar nichts mehr schreiben. Diese Wirtschaftsentwicklung im Industriebereich hierzulande ist aktuell mausetot und lt. Schaeffler Statement wird sie das im 2. Halbjahr auch vss. bleiben. Will man vor diesem Hintergrund tatsächlich wachstumsschwache Risiko-Assets aus der Automobilbranche kaufen oder sucht man sich nicht besser Aktien, wo es schon heute wirtschaftlich bergauf geht und man nicht immer wieder das Lieblingsmotto masochistisch veranlagter Anleger bemühen muss, dass es erstmal noch viel schlechter werden muss, bevor dann zukünftig alles ganz toll und rosarot aussieht...??? |